Warhammer Fantasy Rollenspiel
Das Werk beginnt mit einer dreiseitigen Einleitung¸ so daß vor allem Anfänger eine erste Vorstellung von den grundlegenden Ideen des phantastischen Rollenspiels bekommen. Speziell solchen Neulingen wird auch der Aufbau des Buches erläutert und es werden Hinweise gegeben¸ welche Passagen beim ersten Lesen besonders zu beachten sind. Für Warhammer-Tabletopper und erfahrene RSPer gibt es eigene Einleitungstexte.
Nach dem Vorgeplänkel geht es gleich in die Regelmaterie - im 1. Kapitel wird beschrieben¸ wie Charaktere erschaffen werden und wie ihre körperliche und geistige Entwicklung im Spiel abgebildet wird.
Um einen Charakter zu erstellen¸ entscheidet ein Spieler erst¸ welchem Volk sein Held angehören soll. Die zur Auswahl stehenden vier Völker entsprechen ganz dem jeweiligen Klischee: Elfen sehen gut aus und widmen sich dem Bogenschießen¸ Zwerge treiben Bergbau und Schmiedekunst¸ Halblinge sind verfressen und etwas unselbständig¸ und der Mensch gibt sich als vielseitiges Allroundtalent.
Danach werden 14 Charakteristika ausgewürfelt¸ die völkerspezifische Modifikationen erfahren und dann dem Charakter sein Profil geben: Charakteristika sind z. B. Lebenspunkte¸ Intelligenz¸ Führungspersönlichkeit¸ Stärke. Für meinen Geschmack wird das Profil durch die zahlreichen Charakteristika etwas überdefiniert. Nun kann die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe festgelegt werden¸ derer es wieder vier gibt: zu den Kriegern zählen z. B. Söldner und Tunnelkämpfer¸ als Schurken gelten Diebe und Schmuggler¸ Freisassen sind u. a. Jäger und Fallensteller¸ als Akademiker verstehen sich Druiden und Zauberlehrlinge.
Je nach Berufsgruppe wird ein konkreter Beruf ausgewürfelt¸ wobei der Zufall seine Wahl unter 63 grundlegenden Berufen trifft; es gibt 63 grundlegende Berufe¸ darunter auch zahlreiche exotische Tätigkeiten¸ wie etwa Leichendieb¸ Diener¸ Fremdenführer oder einfach nur Student; einige davon sind freilich eher für NPC's geeignet.
Dann müssen noch Fertigkeiten festgelegt werden¸ wovon es 132 gibt - wieder gibt es neben dem Altbekannten (wie Fremdsprachen¸ Pflanzenkunde¸ Schwimmen) auch Originelles wie Alkohol trinken¸ Betteln und Pantomime. Nach einigen Feinabstimmungen¸ zu denen das Festlegen von Magie-¸ Schicksalspunkten und der Grundausrüstung gehört¸ ist die Spielfigur fertig.
Die einzelnen Aspekte der Charaktererschaffung beeinflussen sich gegenseitig derart¸ daß keine unsinnigen Kombinationen entstehen. Ein auf solche Weise erschaffener Held ist natürlich nicht statisch¸ sondern wird sich durch die Abenteuer¸ die er erlebt¸ verändern - je nach den Geschehnissen zum positiven oder negativen hin. Um dies zu simulieren¸ werden Erfahrungspunkte vom Spielleiter verteilt¸ für die die Spieler Charakteristika steigern oder neue Fertigkeiten und Zauber erwerben können.
Irgendwann hat ein Charakter genügend Fähigkeiten¸ um einen der 38 weiterführenden Berufe zu ergreifen. Die Entwicklung der Charaktere findet also nicht abrupt in Stufen statt¸ sondern befindet sich in einem steten Fluß.
Im 2. Kapitel erlernt der Spielleiter die Spielmechanismen von Warhammer kennen. Er erfährt¸ wie er die Welt am besten darstellt¸ wie er die Folgen von Handlungen seitens der Charaktere bestimmen kann. Außerdem wird beschrieben¸ wie er eigene Abenteuer und Kampagnen entwickeln kann - dies ist ein besonders gelungener Einschub.
Kapitel 3 widmet sich ganz dem Kampfsystem. Dieses ist sehr gut erklärt und detailliert¸ so daß es auch ungewöhnliche Situationen abdeckt. Nicht so gut gefallen haben mir die integrierten Table-Top-Elemente;
Man hätte sich bei Warhammer: Das Rollenspiel¸ vom Hintergrund abgesehen¸ gänzlich von dem ursprünglichen Fantasy-Strategiespiel entfernen sollen¸ finde ich.
Jeder Kampf stellt ein nicht zu unterschätzendes Risiko für das Weiterleben der Charaktere dar¸ Warhammer kann also nicht zu den Hack'n'Slay-Systemen gezählt werden.
Anschließend wird das Magiesystem behandelt¸ welches in Detailfreude dem Kampfsystem in nichts nachsteht: es gibt mehr als 150 Zaubersprüche aus sechs magischen Disziplinen. Magiekundige können sich spezialisieren und sogar gänzlich dem Bösen hingeben¸ so daß sie herausragende Macht erhalten¸ die aber auch einen hohen Preis fordert. Zu den Sprüchen kommen noch Beschreibungen magischer Artefakte und Runen¸ die selbst Unkundigen die Anwendung von Magie erlauben. Schade ist nur¸ daß die einzelnen Sprüche alle recht unoriginell sind - hier merkt man deutlich¸ daß Warhammer schon recht alt ist¸ das Original stammt von 1986. Mögen die Zaubersprüche im Spiel noch so nützlich sein - ein Feuerball oder das Beschwören Untoter ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
Mit Religion und Glaube wurde das kürzeste Kapitel betitelt. Es enthält aber trotzdem genug Informationen¸ um das religiöse Weltbild der Charaktere ins Spielverhalten mit einfließen zu lassen. Inhaltlich hätte dieser Teil aber besser in die Weltenbeschreibung gepaßt.
Im Bestiarium finden sich über 100 Tiere¸ Monster und Dämonen. Leider gibt es darunter nur sehr wenig neue und originelle Schöpfungen¸ der Rest ist das Standardrepertoire (Drachen¸ Orks¸ Untote). Der Verlag kündigte zwar an¸ daß es keine Erweiterungen des Regelwerks geben wird (abgesehen von der Ausgestaltung der Spielwelt)¸ aber ein umfangreiches Monsterkompendium mit eigenständigen Ideen wäre schon ganz gut.
Die Bekannte Welt ist der Spielhintergrund für Warhammer. Der Planet weist starke Ähnlichkeiten zur Erde auf; die Umrisse der Kontinente wurden etwas verändert¸ und bis auf eine Analogie zum mythischen Atlantis sind alle Kontinente über eine Landmasse im Norden miteinander verbunden.
Die im vorliegenden Buch enthaltene Beschreibung konzentriert sich auf Die Alte Welt¸ welche ungefähr einem mittelalterlichen Europa mit barock angehauchten Zügen entspricht. Geographie¸ Politik¸ Kultur und
Gesellschaftssystem werden sehr plastisch dargestellt. Eher allgemein werden die anderen Länder vorgestellt; hier hat mich die etwas primitive Art gestört: da gibt es das von Fundamentalisten beherrschte Arabia¸ oder auch die von Ungeheuern bewohnten Schwarzen Länder (eine Analogie zum ehemaligen Ostblock).
Haben sich die Spieler und vor allem der Meister durch dieses umfangreiche Werk gearbeitet¸ kann mit dem Abenteuer Der Oldenhaller Vertrag endlich losgelegt werden. Dieses ist für ein Anfängerabenteuer recht komplex¸ aber gut geschrieben¸ so daß selbst jemand¸ der zum ersten Mal eine RSP-Runde leitet¸ damit zurechtkommen müßte.
Abgerundet wird Warhammer noch von einem Anhang¸ der typische Gebäude der alten Welt beschreibt (mit zahlreichen Karten)¸ einem kaum brauchbaren Index (es fehlen zu viele wichtige Einträge) und mehreren Charakterbögen. Letztere sind auch notwendig¸ da der eigentliche Charakterbogen mehrere Layoutfehler enthält. überhaupt ist das Layout etwas verkorkst: an einer Stelle wird zum Beispiel ein Text unbekannter
Länge von einer Illustration verschluckt. Allgemein läßt sich sagen¸ daß das Buch sehr schön illustriert wurde.
Warhammer: Das Rollenspiel hat mir sehr gut gefallen: zwar sind die Parallelen zu AD? überdeutlich¸ aber gut geklaut ist besser als schlecht erfunden; vor allem die Weltenbeschreibung ist gut. Wer ein vollständiges Fantasyrollenspielsystem sucht¸ sollte auch Warhammer mal antesten.
Eine Rezension von: Anton Kratz http://www.fantasy-rollenspiel.de/Sphinx.html