Kampf um Macragge
Nach meinem eher als gescheitert zu bezeichnenden Versuch mich mit Armalion anzufreunden¸ geht es mit WARZONE zum zweiten mal an die Tabletop-Front.
Meine wichtigsten Kritikpunkte bei der Rezension von Armalion waren zum Einen die übertrieben groß gewählte Form der Verpackung¸ die in keinem Verhältnis zum Inhalt stand (Fake) - die mangelnde Flexibilität¸ die durch die geringe Zahl von Figuren provoziert wurde und nicht zuletzt die etwas halbseidene Aufmachung der Regelwerke. All dies ließ den Preis von knapp 100.-DM unangemessen erscheinen¸ was natürlich auch den Gesamteindruck wesentlich minderte.
Nun tritt mit der WARZONE-Luxusbox ein Konkurrent (aus eigenem Hause) an¸ der sogar noch einen 50.-DM höheren empf. Verkaufspreis aufweist. Das SciFi-Tabletop kommt in einer Verpackung mit ähnlichen Ausmaßen daher¸ was mich auf den ersten Blick wieder zum Stöhnen brachte. Als ich die massige Box jedoch in die Hand nahm¸ merkte ich schon¸ das hier einiges anders war¸ denn das hohe Gewicht strafte meinen ersten Eindruck Lügen.
Als ich dann den Deckel abhob und der randvollen Box den verschweißten Plastikbeutel mit Bauteilen für die 80 enthaltenen Plastik-Miniaturen herauswuchtete¸ entfleuchte meinen Lippen ein erstauntes 'Whow !'. (Hätte ich zu diesem Zeitpunkt schon gewußt¸ was es bedeutet 80 Miniaturen zusammenzubauen - so hätte ich wahrscheinlich doch gestöhnt :-)
Desweiteren purzelten mir zwei Würfel (W20) und diverse vorgestanzte farbige Vordrucke mit Pappmarkern (beidseitig bedruckt) entgegen¸ die sich recht angenehm heraustrennen lassen.
Das Highlight stellen aber ganz klar die drei beigelegten Bände (zusammen 220 Seiten) dar¸ von denen zwei - als wahrer Blickfang - komplett farbig gehalten wurden.
Die Chroniken
Um sich erst einmal in die richtige Stimmung für WARZONE zu bringen¸ sollte man sich den Band 'Die Chroniken' durchlesen und dabei die wunderschönen Illustrationen genießen (alle Seiten komplett farbig!)¸ welche die Erzählungen angemessen visualisieren. Trotz seines schlanken Umfangs von 50 Seiten und dem großzügigen Layout wird man hiermit einige Zeit beschäftigt sein. Der Band erzählt die Geschichte der 'Mutant Chronicles' - also den menschlichen Aufzeichnungen über den Verlauf (von uns aus gesehen) der nächsten 1500 Jahre.
Die Mutant Chronicles beschreiben eine sehr düstere Geschichte voller Grausamkeiten¸ menschlichem Wahnsinn¸ Kriegen und Umweltkatastrophen. Aber es ist auch eine Geschichte des Fortschritts¸ der Kolonisierung des Weltalls und der Erschließung neuer Lebensbereiche...
Die Fortschritte sind wesentlich auf die Bemühungen der Megakonzerne zurückzuführen und eben diese stellen auch die größten Machtfaktoren dar. Ihre niemals endenden territorialen Anspruchsstreitigkeiten tragen die Konzerne mit ihren Hausstreitkräften aus¸ die das Optimum an Kampfkraft darstellen¸ das die Zukunft bietet.
Parallel dazu entwickelte sich die Bruderschaft - eine neue universelle Religion - zu einem wesentlichen Machtfaktor - sowohl geistig als auch mit handfesten Mitteln.
Prinzipiell hätte sich damit für die Menschheit nur wenig geändert¸ wenn man von der Verlagerung des Umfeldes in die Weiten des Weltalls einmal absieht.
Ein bedeutender Wandel vollzog sich allerdings¸ als der erste Kontakt mit der dunklen Symmetrie stattfand. Dies war die Geburtsstunde allen Chaos¸ denn eine Art Virus verseuchte alle Formen von künstlicher Intelligenz und wandte ihre teils zerstörerische Energie unvermittelt gegen ihre ehemaligen Benutzer. Die Menschen waren dazu gezwungen¸ sich vom Ballast der hochentwickelten Technik zu befreien und fortan nicht infizierbare Techniken zu nutzen - d.h. Mechanismen¸ die auf KI verzichten. Es grenzt schon an ein Wunder¸ daß die Menschen es trotzdem schafften die interplanetare Raumfahrt aufrecht zu erhalten und sogar eine Art Hyperantrieb zu entwickeln.
Der zweite große Schlag war die Entstehung der dunklen Legion - einer unmenschlichen¸ ja geradezu dämonischen Armee¸ deren einziges Ziel die Vernichtung aller Menschen zu sein scheint. Ihre Mittel dies zu erreichen sprengen dabei die grauenhaftesten Vorstellungen allen menschlichen Denkens - viele ehemalige Mitstreiter kehrten als verwandelte Wesen zurück¸ deren Aussehen und Fertigkeiten ein unglaubliches Zerrbild der Gefallenen waren.
Im Angesicht dieser neuen Bedrohung formierten sich die Konzerntruppen unter der Oberführung der Bruderschaft mit dem Kardinal an ihrer Spitze. Man wandte sich gemeinsam gegen die unfassbare Bedrohung und erreichte zumindest eine Eindämmung¸ wenn auch nicht völlige Vernichtung der Dunklen Legion.
So ist denn das aktuelle Universum von WARZONE wieder durch viele kleinere Auseinandersetzungen zwischen den Konzernen¸ der Bruderschaft und der Dunklen Legion geprägt. Es geht um die Vorherrschaft auf den einzelnen Planeten und die Rechte zur Ausbeutung der Ressourcen. In diesem Szenario spielt das Tabletop WARZONE¸ bei dem man die Rolle einer der Armeen übernehmen kann.
Die Truppen
Jeder Konzern¸ bzw. jede Armee hat ihre eigenen Vorzüge und wirkungsvollen Strategien¸ die sich wesentlich aus der Entstehungsgeschichte ableiten läßt. Dies äußert sich wesentlich im Kampfstil (Nah- oder Fernkampf)¸ in der Qualität der Fertigkeiten und nicht zuletzt in der Güte der benutzten Waffen. Einige Armeen verfügen auch über übersinnliche Fähigkeiten oder versetzen die Gegner allein durch ihr auftreten in unkontrollierte Panik. Diese Qualitäten werden jedoch erst bei hochwertigen Einheiten wirklich interessant. Beim Fußvolk (und dazu gehören auch die Einheiten dieser Box) sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Armeen eher gering. Insgesamt gibt es 8 verschiedene Mächte¸ die ihre eigenen Armeen auf das Schlachtfeld schicken. In der Box sind jeweils 40 Einheiten der Armeen von Bauhaus und Imperial enthalten.
Beide Seiten können sich damit je vier 10er Truppen zusammenstellen¸ die jeweils von einer schweren Waffe (schw. Maschinengewehr) und einem Offizier begleitet werden.
Der Band 'Die Streitkräfte' ist mit 100 Seiten der zweite komplett farbige Leckerbissen. Hier werden fast alle Einheiten in original Bemalung abgebildet - ein Genuß für jeden Miniaturen-Künstler¸ aber auch ein phantasieanregender Ausflug für alle Anderen¸ die ansonsten nichts mit dem Thema Tabletop zu tun haben wollen. Neben den Abbildungen von einzelnen Einheiten findet man auch immer wieder ganze Szenarien¸ die aufwendig detailliert in die fremde Welt von WARZONE entführen. Außer den Abbildungen liefert dieser Band eine Übersicht über alle Fähigkeiten und Spezialfertigkeiten. Man findet für alle Truppen¸ die übrigens durch die Seitenfarbe der Kapitel leicht voneinander unterscheidbar sind¸ entsprechende Tabellen und eine Beschreibung der Waffentypen.
Jeder Spieler sollte vor dem Spiel am besten die Werte seiner 3 Figurentypen auf einem separaten Blatt (bzw. den beiliegenden Charakterblättern) notieren¸ damit ein lästiges Nachblättern im Spiel nicht den Fluß stört.
Die Regeln
Für den Regelband reicht die monochrome Ausführung vollkommen aus. Hier findet man neben leeren Charakterblättern auch noch einmal eine farbige Aufführung aller enthaltenen Pappelemente.
Die Grundregeln von WARZONE sind relativ unkompliziert und basieren auf einfachen¸ flüssig anwendbaren Mechanismen (Ermittlung der Schwierigkeit aus Sichtlinie/Entferung/Deckung + Werte der Einheit + Angriffswurf und bei einem Treffer ggf. Abwehrwurf der von der Rüstung modifiziert wird). Da die (in der Box enthaltenen) Truppen ihr Leben nach dem ersten gelungenen Treffer beenden¸ bleiben Kampfhandlungen recht überschaubar - selbst wenn man mit allen beiliegenden Figuren spielt.
Richtig Pfeffer bekommt das Spiel mit der vorliegenden Luxusedition erst¸ wenn man das Terrain möglichst kompliziert gestaltet. Je mehr Deckung¸ verwinkelte Gänge und Anhöhen auf dem Spielfeld verteilt werden¸ desto strategischer und interessanter wird das Spiel. Spielt man dagegen auf einer glatten Ebene¸ hängt ein Sieg nur noch vom Würfelglück ab - zumindest¸ solange die Truppen nicht durch zusätzliche herausragende Einheiten ergänzt werden¸ die mit ihren Spezialfertigkeiten das Spielgewicht entscheidend beeinflussen.
Um trotz der beliebigen Erweiterbarkeit durch den Hinzukauf weiterer Truppen ein Gleichgewicht zu wahren¸ wird vor dem Kampf eine Gesamtpunktezahl festgelegt. Das Aufstellen jeder Einheit verbraucht einen Teil dieser Punkte - es versteht sich von selbst¸ daß besonders interessante Figuren ein Vielfaches der 'Fußvolkpunkte' kosten. Diese höheren Kosten machen sich jedoch im Spiel auch durch eine wesentlich höhere Effektivität bemerkbar.
Im Regelband sind alle Spielsituationen ordentlich illustriert¸ so daß kaum Fragen offenbleiben. Leider wurde auf einen ausführlichen Stichwortindex verzichtet¸ was eine nachträgliche Suche von Informationen im Spiel erschwert.
Zumindest der grobe Aufbau des Bandes wurde jedoch in einem schlanken Index zusammengefaßt. Es bietet sich an¸ alle Spielsituationen direkt einmal mit den Figuren durchzuspielen¸ bzw. nach dem Studium der wichtigsten Regeln einfach mal ein Spiel zu beginnen¸ und erst bei Spezialsituationen die Regeln zu konsultieren.
Vorbereitungen
Kommen wir zu einem der anstrengenden Dinge bei WARZONE: der Spielvorbereitung. Wer erst einmal den Beutel mit 80 Miniaturen vor sich ausgeleert hat¸ hat nur eine grobe Vorstellung was ihn erwartet. Als erstes sollte man sich das richtige Handwerkszeug (optimal: Elektronikzange¸ Skalpell¸ Plastikkleber) besorgen¸ die Einheiten sortieren und dann die folgenden Schritte achtzig mal wiederholen:
- Heraustrennen der einzelnen Elemente mit der Zange¸ bzw. geeigneten Schere
- Reinigen der Einzelteile von ungewünschten Resten - am besten mit einem Skalpell oder einem guten Messer. Ggf. auch noch Nachbearbeitung mit eine feinen Feile (nur etwas für penible Leute mit viel Zeit).
- Zusammenbau von Basis¸ Körper¸ (Waffen-)Armen¸ Kopf und Rucksack. Da beim Zusammenbau gewisse Freiheitsgrade existieren¸ lassen sich mit etwas Mühe optisch leicht unterschiedliche Einheiten aus gleichen Grundteilen herstellen. Ich möchte allerdings zu möglichst stabilen Konstellationen (möglichst viele Klebestellen) raten¸ damit einem späteres Neukleben abgefallener Arme¸ etc. erspart bleibt.
- über kurz oder lang¸ wird man sich wohl auch an das Bemalen heranwagen - einige Experten sind sogar der Ansicht¸ daß nur bemalte Figuren auf dem Spielfeld zugelassen werden dürfen. Als farbige Vorlage erfüllen die Abbildungen im Streitkräfte-Band hervorragende Dienste.
Was ich etwas seltsam fand ist¸ daß ich in der ganzen Box keine vernünftige Beschreibung des Zusammenbauens gefunden habe (Übersehen ?). So bin ich mir bis heute nicht ganz sicher¸ ob mich die Verwendung von normalem (Plastik verätzendem) Sekundenkleber nicht doch die eine oder andere Miniatur gekostet hätte !? Wer ein wenig Schützenhilfe braucht¸ sollte sich deshalb das Chronicles Magazin einmal näher ansehen¸ denn dort finden sich allerhand Hinweise und Ratschläge zum Bau¸ bzw. Bemalung von Figuren und Landschaftselementen.
Die Pappelemente (Marker¸ Radien und Reichweitenkegel) lassen sich dagegen relativ gut herauslösen und machen einen hervorragenden optischen Eindruck (ausdrucksstark). Das beigefügte kleine Lineal (15cm) sollte man besser durch ein Metalllineal (ab 1.-DM)¸ bzw. ein aufrollbares Maßband ersetzen.
Fazit:
Meine ersten Spielrunden mit WARZONE haben mir sehr viel Spaß gemacht. Die beschriebene Würze kam vor allem durch den Einsatz vieler Landschaftsteile (die anfangs durch den Holzklotz-Baukasten meiner Nichte simuliert wurden¸ improvisation ist alles...) und den einen oder anderen Spezialisten¸ die man sich nach dem Studium des Streitkräfte-Bandes und der Ausarbeitung einer Strategie gönnen sollte.
Die Kosten für die Luxusbox sind zwar horrend¸ aber man bekommt dafür auch Material¸ daß in Quantität und vor allem Qualität auf ganzer Linie überzeugt - erfahrungsgemäß liegt der wirkliche Ladenpreis meist unter dem empfohlenen Verkaufspreis. Die Miniaturen sind sehr detailliert gearbeitet und bei den beiliegenden Bänden und Pappelementen wird ein sehr hohes Niveau gehalten¸ daß auch anspruchsvollste Tabletop'er zufriedenstellen sollte.
Einziger Wehrmutstropfen ist der hohe Arbeitsaufwand für den Zusammenbau der Miniaturen¸ der einen viel Zeit und Nerven kostet... aber was für den einen (also mich) "Arbeit" ist¸ ist für den wahren Tabletop'er ohnehin die reine Freude und gehört zum Hobby wie das Spiel selbst.
Am besten teilt man sich vielleicht die Arbeit wie auch die Anschaffungskosten mit einem guten Kumpel¸ der einem hoffentlich lange als WARZONE-Gegner erhalten bleibt.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de