Space: 1889 Grundregelwerk
Rezension: Space 1889 Grundregelwerk
2016-10-20
Vielen Spielern ist das Ubiquity-System aus dem pulpigem Hollow Earth Expetition bekannt. Dieses System erlaubt jedoch mehr als kurze Action-Abenteuer wie bei Indiana Jones. Eine weitere Inkarnation findet es in der Neuauflage von Space 1889, die seit einigen Jahren vom Uhrwerk Verlag herausgegeben wird. Was hat sie an sich, dass das Spiel sogar ins Englische zurück übersetzt wurde? Um dieser Frage nachzugehen, habe ich mir das Grundregelwerk in der überarbeiteten Fassung zu Gemüte geführt.
Space 1889 Grundregelwerk (überarbeitet)
Seiten: 272, davon eine für das Inhaltsverzeichnis, eine weitere für das Glossar und zehn für den Index
Preis (neu): gedruckt 39,95 Euro, eBook 19,99
Cover und Illus
Mehrere Abenteurer in Kleidung der viktorianischen Zeit werden von grüngelben Humanoiden mit schwarzen Augen angregriffen. Im Hintergrund ist ein rötlicher, von Kratern übersähter Planet vor dem Weltraum und einer Art Weltraumschiff mit Segeln zu sehen. Dabei handelt es sich um den Mars. Die Angreifer sind ebenfalls Marsianer, die in diesem System dort leben. Damit ist zusammengefasst, was Space 1889 ausmacht: viktorianische Science-Fiction und Planetary Romance.
Im Innenteil sind einige Bilder, darunter der Archetypen, farbig. Wie der schwarzweiße Rest schwnankt die Qualität, fällt aber gut aus. Mir gefällt der Stil, er passt zum Szenario. Viele Tiere sind mit eigenen Bildern ausgestattet, sodass sie ein gutes Bild gerade der ausserirdischen Lebewesen vermitteln. Karten von Mars, Venus und ein paar Städten runden die grafische Darstellung ab.
Das ist mir 4 Sterne wert.
Aufbau und Texte
Das Inhaltsverzeichnis ist mit einer Seite etwas kurz geraten, ebenso wie der gleichlange Glossar mit Begriffen der viktorianischen Zeit. Dafür erreicht der Index für Hintergrund und Regeln mit zehn Seiten einen großen Umfang. Die Texte sind gut geschrieben und unterteilt. Besondere Themen werden in kleinen Kästen abgehandelt. Die Farbgebung in Brauntönen erinnert an alte Fotografien. Farbige Spalten erhöhen die Übersicht bei den zahlreichen Tabellen. Dasselbe gilt für die Seitenreiter der einzelnen Kapitel. Die Inhalte verteilen sich dabei logisch auf die Kapitel, es steht alles da, wo ich es erwarte.
Dafür gibt es abermals 4 Sterne.
Die Regeln
Wie bei Ubiquity üblich, enthält das Buch die vollständigen Regeln des Systems. Sie machen knapp die Hälfte des Inhalts aus. Sie sind einfach, erlauben aber zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten und Manöver. Wie bei Shadowrun wird für Proben ein Pool aus Attribut und entsprechender Fertigkeit gewürfelt. Jede gerade Zahl ist ein Erfolg. Alternativ kann auch der Durchschnittswert des Pools genommen werden. Damit lassen sich Proben schnell abhandeln. Leider besteht dadurch aber kein Anreiz, Proben zu würfeln, da bei einem Wurf meist eh nur der Durchschnitt an Erfolgen oder gar weniger erreicht wird.
Charaktere haben je eine Motivation und eine Schwäche. Diese auszuspielen, kann Stilpunkte einbringen. Damit lassen sich Zusatzwürfel kaufen. Deshalb vergessen Spieler ihre Nachteile selten, was einen schönen Kontrast zu Systemen wie DSA bildet. Kämpfe sind wegen der geringen Gesundheit und hohen Schadenswerte von Angriffen rasch abzuwickeln. Daher ist Vorsicht geboten. Durch Talente bekommen Charaktere besondere Boni, wie höhere Attribute oder geringere Abzüge bei bestimmten Manövern. Auch Gegner und Ausrüstung sind enthalten. Nur Stile von Martial Arts fehlen. Da das Setting aber keinen Schwerpunkt in Asien hat und in der Neuzeit Nahkämpfe wegen Schusswaffen seltener sind, kann ich darauf verzichten. Wer solche Regeln sucht, kann bei Hollow Earth Expedition Geheimnisse der Oberwelt reinschauen.
Für das schnelle Reinspielen sind mehrere Archetypen enthalten. Leider ist bei deren Sammel-Fertigkeiten nicht angegeben, welchen Bereich der Wert abdeckt. Welche Wissenschaft beispielsweise vorhandenes, akademisches Wissen umfasst, sollte vor dem Spiel festgelegt werden.
Ich gebe wieder 4 Sterne.
Die Welt(en)
Space 1889 spielt 1889, genauer gesagt in einer Steampunk-Version der Vergangenheit, die Science Fiction der victorianischen Zeit zum Vorbild hat. Dort besteht der Weltraum aus Äther und kann durch spezielle Raumschiffe - mit Betonung auf Schiff - bereist werden. Damit reisen Kolonisten aus den großen Industrienationen auf die inneren Planeten unseres Sonnensystems. Diese sind keine toten Felskugeln, sondern fantastische Orte wie aus alten Theorien.
So ist die Venus mit dichtem Dschungel voller Dinosaurier bedeckt. Die dortigen Echsenmenschen sind auf dem Niveau der Steinzeit. Der Mars hingegen ist von langen Kanälen durchzogen, durch die lebensspendendes Wasser von den Polkappen in die trockenen Ebenen geleitet wird. Die Marsianer hatten einst eine Hochkultur, deren Niveau sogar die viktorianische Ära übertraf. Inzwischen ist davon nicht mehr viel übrig. Stadtstaaten mit Vorderladern wie aus der Renaissance kämpfen gegeneinander und gegen die Erdlinge, die ihren Planeten übernehmen wollen. Zwischen roten Felsen und den größtenteils verlassenen, riesigen Metropolen streifen gefährliche, oft fliegende Tiere umher. Der Merkur schließlich hat zwei Seiten. Eine ist immer der Sonne zugewandt und eine verbrannte Wüste, die andere liegt im ewigen Schatten und ist mit dicken Gletschern bedeckt. Mit diesem fantastischen Ansatz und dem viktorianischem Flair sollten sich Spieler anfreunden können, um Gefallen am Setting zu finden.
Die Planeten spiegeln somit verschiedene Gebiete der Erde, die von den Industrienationen als Kolonien unterworfen wurden (und auch im Spiel vorkommen). Dabei wird der Kolonialismus vielseitig betrachtet. Für viele Marsianer sind die Erdlinge die Eroberer aus einer anderen Welt. Gleichzeitig bietet der Hintergrund vielfältige Möglichkeiten für Abenteuer. Von Detektivarbeit in London an der Seite Sherlock Holmes, Überlebenstripps durch den Dschungel bis zu Ausgrabungen am Fuß des Olympus Mons oder Intrigenspielen zwischen verschiedenen Großmächten reicht die Palette. Das Buch enthält auch viele Ideen für Abenteuer. Mir gefällt das gut. Schade finde ich, dass Werte einfacher Nicht-Spieler-Charaktere fehlen. Dafür sind die Tiere, besonders der anderen Planeten, vertreten.
Auch diesmal sind 4 Sterne angemessen.
Fazit
Das Grundregelwerk bietet eine große Bandbreite für Abenteuer und enthält viel Material für unterschiedliche Abenteuer. Der viktorianische Steampunk ist gut integriert, ohne das der Hintergrund ins comichafte abdriftet. Die Regeln sind rasch zu lernen, bieten aber viele Möglichkeiten. Nur der geringe Anreiz, Proben zu würfeln, stört mich etwas. Zudem gibt es einiges an Zusatzmaterial, dass zum Spiel aber nicht nötig ist und nicht so ein Ausmaß wie bei DSA annimmt. Wer reinschnuppern will, kann dafür den offiziellen Schnellstarter verwenden.
Am Ende erreicht das Buch 16 von 20 Sterne.
Fantasy-Kritik beim Sternenwanderer
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