Luna - Der Erdmond
Rezension: Space 1889 Luna - Einmal Mond à la Steampunk
2017-07-22
Der Mond ist ein sagenumwobener Himmelskörper, der die Mythen zahlreicher irdischer Völker maßgeblich beeinflusste. In Space 1889 wurde er bisher lediglich mit einer Seite im Grundregelwerk bedacht und von den Großmächten kaum beachtet. Da der Himmelskörper aber mehr zu bieten hat, als seine graue Oberfläche vermuten lässt, wurde er jetzt mit einem eigenen Hintergrund-Band bedacht. Für wen sich das Buch lohnt, lest ihr jetzt.
Luna - Der Erdmond
Umfang: 146 Seiten
Preis: 14,99 Euro als PDF, gedruckt 29,95 Euro
Cover und Illus
Ein abgestürztes Raumschiff liegt in einem Mondkrater. Im Vordergrund sind zwei Astronauten in Raumanzügen zu sehen, die es betrachten. Im Hintergrund liegt die blaue Erdkugel im schwarzen Himmel. Das lässt zwar auf die Örtlichkeit schließen. Eine Andeutung der verborgenen Geheimnisse des Trabanten - wie aus der Dunkelheit starrende Facettenaugen - fehlt mir allerdings. Innen geht es in Graustufen weiter, wobei die Qualität hier zwischen okay und gut schwangt. Gerade bei den zahlreichen Tieren erleichtern die zahlreichen Bildern die Vorstellung derselben.
Ich gebe 3 Sterne.
Texte und Aufbau
Das Inhaltsverzeichnis misst nur eine Seite, dafür kommt der Index auf fünfeinhalb Seiten. Ein Glossar fehlt. Zwar liegt eine Karte von der Oberfläche bei, aber im PDF im Innenteil. Dazu kommen zwar Höhlenkarten, die finde ich aber wegen fehlender Angaben eher verwirrend, als hilfreich. Ob dies in der gedruckten Fassung ebenso ist, kann ich nicht beurteilen, da ich das PDF verwendet habe. Wie von Space gewohnt, sind die Texte gut zu lesen und in Kapitel, Abschnitte und Absätze unterteilt.
Dafür sind 4 Sterne angebracht.
Hintergrund
Während die inneren Planeten Merkur, Venus und Mars ganz deutlich ihren echten Ebenbildern widersprechen und den Vorstellungen aus dem 19. Jahrhundert über ihr Aussehen entsprechen, ist der Mond auf den ersten Blick weiter jener graue, luftlose Gesteinsklumpen geblieben, den wir aus unserer Realität kennen. Aber dieser Eindruck täuscht. Tatsächlich liegen Lunas Geheimnisse unter der Oberfläche in ausgedehnten Höhlensystemen. Dort gibt es nicht nur eine Atmosphäre, sondern auch vielfältiges Leben. Besonders die zahlreichen Pilzarten, darunter praktischerweise auch leuchtende, springen dem Reisenden ins Auge. Von den Pilzen (und Pflanzen) wiederum ernähren sich vor allem Insekten, die wegen der geringen Schwerkraft teils so groß wie Kühe werden. Manche davon können auch Menschen gefährlich werden.
Gleich zwei intelligente Spezies haben hier ihr Zuhause. Auf der einen Seite sind da die insektenhaften Seleniten. Diese leben im Schwärmen, meist von den Pilzen, teilweise aber auch räuberisch von Artgenossen. Durch das Verfüttern spezieller Zusätze werden aus Larven nicht nur Drohnen, sondern auch allerlei Spezialisten gezüchtet. Gut gefällt mir, dass es unterschiedliche Varianten der Seleniten gibt. So wird das übliche Schema nichtmenschlicher Kulturschaffender im Rollenspiel abgemildert, die sonst nur eine oder zwei Kulturen besitzen. Während die gelben Seleniten fliegen können und ihre Bauten teilweise an Höhlendecken bauen, durchstreifen die aggressiven grünen Artgenossen vor allem die unterirdischen Dschungel und stehlen Arbeiter von ihren Artgenossen. Dazu kommen weitere Varianten.
Die Drobeten auf der anderen Seite sind Erben einer alten Hochkultur. Es gibt im Buch zwei Länder dieser menschenähnlichen Aliens: Ornum und Napi. Ornum ist ein kommunistischer Städtebund, wo Güter geldlos nach Leistung verteilt werden. Wer aus der Reihe tanzt - wozu auch das Ausleben von Gefühlen gehört - wird verbannt oder getötet. Hier gibt es zwar Hochtechnologie, die selbst den Stand der Erde noch in den Schatten stellt. Da Forschung aber verboten ist, können die Einwohner diese nur noch begrenzt einsetzen. Es ist einfach schon viel Wissen verloren gegangen. Zudem sorgen die Energiequellen für unschöne Nebenerscheinungen, die das Ende Ornums herbeiführen können. Da im Städtebund Krieg gerade erst wieder erfunden wird, kann ein Abenteurer hier bizarrer weise auf mit Keulen bewaffnete Krieger in Autos treffen.
Napi dagegen ist auf dem Stand der Renaissance, jedoch mit einer wissbegierigen Bevölkerung. Mit einem König und Adligen gilt dies auch politisch. Allerdings besitzen die Bewohner vereinzelt elektrische Artefakte. Allmählich beginnen sie, ihr Umfeld zu erkunden und Kolonien in anderen Höhlen zu gründen.
Zusammen mit weiteren Hinterlassenschaften tief im Mondinnern bietet sich somit ein umfangreiches Spektrum, um die Spieler auf Abenteuer zu schicken. Warum nicht als Drobete im Dschungel ein Dorf aufbauen und gegen Seleniten verteidigen? Für eine Kampagne, die sich mit den größeren Hintergründen im Space-Kosmos auseinandersetzt, ist der Mond als Schauplatz bestens geeignet, da hier zahlreiche Überreste aus der Frühzeit des Sonnensystems zu finden sind. Zur Spitzenwertung fehlen mir aber noch ein paar Angaben, zum Beispiel zur Schrift der Drobeten.
Da mir die Ideen gefallen, bekommt der Hintergrund 4 Sterne.
Regeln und vorgefertigte Abenteuer
Ein kleiner Regelteil widmet sich den Besonderheiten des Schauplatzes. Da ist an erster Stelle die geringe Schwerkraft zu nennen, aber auch Fortbewegung auf der Oberfläche und darunter gehören dazu. Zwar wiederholen sich teilweise die Angaben des Grundregelwerks. Dafür erinnern sie nochmals daran, dass der Mond halt kein Land auf der Erde ist, sondern ein anderer Himmelskörper. Auch die Seleniten bekommen einige zusätzliche Fähigkeiten, die zumindest aus anderen Ubiquity-Reihen bereits bekannt sind. So erleichtert eine Chamäleon-Haut das Verstecken, und Flügel erlauben das Fliegen. Das passt gut zu den übrigen Regeln und ergänzt diese.
Ganze 33 Seiten des Buches stellen Abenteuer auf - beziehungsweise im Mond - vor, die sich zu einer Kampagne verbinden lassen. Neben dem Erstkontakt zu den Bewohnern können darin auch uralte Artefakte und Ruinen erforscht werden. Zwar ist der Teil, der in Ornum spielt, eher klein. Aber hier kann der Spielleiter ja improvisieren. Schön ist, dass hier und da verschiedene Angaben vorliegen, was je nach Proben-Ergebnissen oder Spieler-Entscheidungen geschieht. Ein wenig Eigenarbeit muss der Spielleiter zwar noch reinstecken, aber die Abenteuer machen beim Lesen schon einen guten, vielfältigen Eindruck.
Für das schnelle Losspielen liegen vier Archetypen bei, die das ohnehin umfangreiche Angebot vor-generierter Charaktere für Space um einen Okkultisten, eine Spionin und zwei Außerirdische ergänzen. Diese sind sowohl brauchbar als auch, bis auf einen kleinen Fehler beim Okkultisten, soweit offensichtlich regelkonform erstellt. Auch neue Artefakte liegen bei. Der Lunare Kompass klingt dabei zwar nicht so spannend wie die Spinnen ähnelnden Schreiter aus Napi oder Unterseebote aus Ornum. Da er aber auch die Tiefe anzeigt, in der sich eine Höhle befindet, ist er für den Alltag auf dem Mond sehr nützlich.
Für diesen Teil gibt es ebenfalls 4 Sterne.
Fazit
Der Mondband ist etwas dünner als die bisherigen Planeten-Bände. Ich habe aber lieber ein kürzeres, knackiges Buch, als viele Seiten, die nur Füllmaterial darstellen. Zudem ist eine Kampagne bereits eingebaut, die zusammen mit den Archetypen den raschen Einstieg auf und in den Mond erlaubt. Ob frische Spieler auf dem Mond aber soviel Spaß wie eine alte Gruppe haben, ist eine andere Frage. Zum Einen ist die Landung nicht einfach. Auch die Oberfläche lädt nicht gerade zum Besuch ein. Zum Andern verbergen sich im Inneren Geheimnisse, die in ihrer Bedeutung vielleicht erst mit etwas Erfahrung im Space-Kosmos richtig in ihrer Tragweite einzuschätzen sind. Das heißt aber nicht, dass Neulinge dort keinen Spaß haben können. Zudem ist der unterirdische Schauplatz für meinen Geschmack eine gute Ergänzung zu den Dschungeln der Venus, den Wüsten des Mars und den ungastlichen Hälften des Merkur.
Mit 15 von 20 Sternen schlägt sich der Mondband gut und ist für Space-Liebhaber eine eindeutige Empfehlung.
Fantasy-Kritik beim Sternenwanderer
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