Myranisches Zauberwerk
Rezension: Myranisches Zauberwerk
2015-12-01
Lang angekündigt und häufig verschoben, wurde der Band zur myranischen Artefaktmagie im Oktober dieses Jahres veröffentlicht - kurioserweise nach Erscheinen des DSA-5-Grundregelwerks noch für DSA 4.1. Was mir daran gefällt und was nicht, lest ihr jetzt.
Myranisches Zauberwerk
Seiten: 157
Preis: 29,95 Euro (gedruckt), 14,99 (pdf)
Cover und Illus
Eine dreiäugige Großkatze mit Schwingen greift einige Soldaten auf einer Flugmaschine an. Feuer und Qualm erschüttern das Gefährt. Im Hintergrund plätschert ein Wasserfall gen Tal. Das Bild zeigt damit einige Inhalte, wobei der kämpferische Aspekt - zugegebenermaßen - etwas der langwierigen Artefakterstellung entgegen steht. Zudem gibt es keine Beschreibung des "geflügelten Dreiaugen-Reißers" im Band. Die Rückseite ziert neben dem Klappentext eine Ashariel, deren Speer Blitze verschießt. Ein sehr schickes Bild.
Der Innenteil ist schwarzweiß gehalten, und die Bilder weisen das gute Niveau der späten Vierer-Edition auf. Leider sind viele bereits bekannt, und es gibt etwas wenig davon. Gerade die magisch angetriebenen Fluggeräte sind äußerst spärtlich als Illustrationen verteten, sodass hier klar eine Chance verpasst wurde, diesen Umstand zu ändern.
Die geringe Bilderzahl sorgt für die Wertung 3 von 5 Sternen.
Aufbau und Texte
Der Inhalt ist gut formuliert, wenn auch streckenweise in etwas zu lange Abschnitte unterteilt. Das Inhaltsverzeichnis fällt mit nicht mal einer halben Seite viel zu knapp aus. Wenigstens misst der Index fünf Seiten. Ein Glossar fehlt ebenso wie Seitenreiter oder Lesebändchen. Dafür sind die Themenkomplexe deutlich abgegrenzt. Zunächst präsentiert sich die Influxion mit den Bereichen Artefaktmagie, Golembau, Untoten- und Chimärenerstellung, im Anschluss die Alchimie. Zwei Drittel des Inhalts entfallen dabei auf die Influxion - immerhin eine vielschichtige Angelegenheit.
Ich gebe abermals 3 Sterne .
Hintergrund
Etwa die Hälfte des Inhalts entfällt auf diesen Teil, jeweils für Influ
xion und Alchimie. Recht langweilig kommen die seitenlangen Aufzählungen daher, welcher Kristall oder welche Holzsorte wofür geeignet ist - besonders, da diese Strecken sich für Influxion und Alchimie für das jeweilige Themengebiet wiederholen. Da wären Listen mit Stichworten übersichtlicher. Interessanter gestaltet sich die Darstellung der Bedeutung dieser Spielarten in verschiedenen Kulturen. Im Imperium sind alle Formen verbreitet, Untote jedoch weniger, als mancher vermuten mag. Es gibt sogar Magofakturen, die teils durch sich bewegende Teile größere Mengen einfacher Artefakte und Alchemika herstellen.
Demgegenüber konzentrieren sich die Ban'Bargui auf die Erstellung insektoider Diener. Ein Golem aus einem Insektenschwarm klingt spannend, ebenso wie fliegende Käfer, die - in Ermangelung von Raketenrucksäcken - auf dem Rücken platz nehmen und den Träger durch die Luft fliegen. Neristu und G'Rolmur arbeiten im Verborgenen, Letztere mit Massen an Sklaven, die in den unterirdischen Fabriken unter schlimmsten Bedingungen schuften müssen. Lyncil benutzen vor allem gelbe (seltener silberne) Reagenzien und haben sogar sechs Meter große, flüssige Bernstein-Golems. Dafür ein dreifaches Ausrufezeichen.
Andere Kulturen wie Gathiadda können meist nur schlichte Gegenstände und Tränke herstellen. Teils hätten gerade diese zusammengelegt werden können, da sich auch hier viele Angaben für Influxion und Alchimie wiederholen. Abgerundet wird dieser Teil durch die Beschreibung einer beispielhaften, alchimistischen Magofaktur und Schaufelradgaleere. Das wirkt anschaulicher als die langen, bildarmen Beschreibungen vorher.
Einige gute Ideen holen noch eine 4 raus.
Regeln
Die andere Hälfte zeigt, wie sich Artefakte, Golems, Untote und Chimären erheben oder Tränke brauen lassen. Einzelne Zauberzeichen wie in Aventurien gibt es nicht, was dem myranischem System aber auch zuwider laufen würde.
Die Influxion greift auf Essenz-Magie zurück, wobei die Instruktion durch eine passende Influxion ersetzt wird. Es gibt neun Stück, wovon jede 100 AP kostet. Nicht jede funktioniert mit jeder Quelle. So können Untote nicht mit Humus erhoben werden, sondern durch Totenwesen oder Dya'khol. Spezielle Untote stehen durch Galkuzul (Wasserleichen), Naggarach (Eisleichen) und Tyakaar (Brandleichen) zur Verfügung - was gerade letztgenannte Quelle noch vielseitiger macht. Für schnellen Hausgebrauch stehen Formeln und allerhand Erzeugnisse zur Verfügung. Wer einen Ghorla mit einem Riesenseestern dauerhaft kreuzen will, wird genauso fündig wie der Reisende, der unterwegs mal eben für eine None Hirschkäfer und Bären vereint.
Gegenüber auffälligen Artefakten, wie sie verwesende Leichen, zusammengekleisterte Lebewesen oder laufende Statuen darstellen, stehen die schlichten Artefakte optisch zurück. Dafür sind sie sehr mächtig. Beschwörungsspeicher lösen auf Wunsch einen entsprechenden Zauber aus, bei Beschwörungsmatrizen muss dafür erst mal die entsprechende AsP-Menge bereit gestellt werden. Beschwörungstalismane verleihen zusätzlliche ZfP*. Kraftumwandler transformieren je nach Quelle Dinge wie Leichen, Gemüse oder sonstiges in AsP, während Kraftspeicher jeden Tag, jede Stunde oder SR einen davon sammeln, bis ihr Maximum erreicht ist.
Die Preise hierfür erscheinen mir, im Verhältnis zum Nutzen, etwas gering. So kostet ein vier Tage anhaltender Astralring, der 14 AsP mit 1 pro SR sammelt, nur 20 Au. Und ein Sonnenstein, der dies permanent und stündlich bis 19 AsP tut, nur 77. Damit dürfte sich die Astralmenge in Heldengruppen stark erhöhen. Sphärenstabilisatoren sorgen dafür, dass die kritische Essenz nicht so schnell erreicht wird. Sonst könnten die Artefakte wohlmöglich explodieren.
Ohne Sphärenstabilisatoren wären magisch angetriebene Schiffe oder gar Fluggeräte nicht möglich. Aufgeführt sind zudem die Läufer des imperialen Militärs. Die Spitze der Zauberkunst - oder des Größenwahns - bilden dabei die dreißig Meter langen Landleviathane, für deren Erschaffung schlappe 559.621 AsP, davon 28.172 permanent, notwendig sind. Der Preis von dreieinhalb Millionen Aureal erscheint da durchaus angebracht.
Leider ist die Erschaffung solch bewegter Maschinen ein langwieriger Prozess, muss vorher doch erst das Material verarbeitet werden. Dies erfordert das dreifache Gewicht in TaP*. Dann folgt der Zusammenbau über Mechanik, ebenfalls als Sammelprobe, wobei hier stets eine Erschwernis je nach Gerät draufgeschlagen wird. Selbst ein "einfacher" Insektopter bringt schon eine Erschwernis von +7 mit sich - auf jede Mechanik-Probe. Bei einer Zeit von 8 Stunden pro Probe und Zerstörung des Materials bei zweimaligem Scheitern desselben Wurfs dürfte der Spaßfaktor am Spieltisch sehr nach unten gehen. Zwar ist beispielhaft die Erstellung einer Spinne genannt, doch macht diese mit anderthalb Seiten Zahlenreiterei mir persönlich keine Lust auf das Prozedere. Luftschiffe und Kutschen glänzen durch Abwesenheit.
Die Alchimie funktioniert hingegen wie in Aventurien - und somit für meinen Geschmack zu kompliziert, da z.B. für Ausrüstung unter dem Mininum einer Rezeptur Mali draufkommen. Die Schale heißt hier Crater, erfüllt jedoch dieselben Funktionen. Damit die Liste möglicher Zutaten und Substitionen nicht eigene Lexika füllt, haben die Autoren sich ein Stufensystem einfallen lassen. Für einen Trank Stufe 1 müssen die im Rezept genannten, generischen Zutaten wie Edelsteine einfach auf Qualitätsstufe 1 vorliegen. Leider ergibt die Formel zur Berechnung der Verkaufspreise Werte am halben Einkaufswert. Ich empfehle, den Dividenden zu streichen und für höhere Stufen durch einen Multiplikator wie 1,5 oder 2 zu ersetzen. Dann sollten akzeptable Preise für Heiltränke, Schlafgifte und Co. heraus kommen.
Abgerundet wird der Band durch Ergänzungen zur Heldenerschaffung. Neben neuen Sonderfertigkeiten wie den erwähnten Influxionen gehören dazu drei neue Professionen. Der arkane Alchimist ist das myranische Gegenstück der aventurischen Variante, während Influktoren theoretisch Artefakte erstellen sollen. Erschwert wird dies durch die geringen Boni auf Handwerkstalente - nur +3 auf eines davon - und eine Auswahl von nur zwei Quellen. Mir ist klar, dass die wenigsten Magier mehrere Bereiche der Artefaktmagie praktizieren. Aber was hindert mich, eine gewöhnliche Profession zu wählen und mir gewünschte Influxionen einfach dazu zu kaufen? Hinzu gesellen sich mit den Cholkumu Artefaktzauberer der Neristu als Professionsaufsatz, bei denen die Handwerks-Boni jedoch ebenfalls erschreckend gering ausfallen.
Zahlenlastigkeit und kleine Fehler verwehren eine höhere Wertung als 3.
Fazit
Ist Myranisches Zauberwerk ein ebenbürtiges Pendant des aventurischen Wege der Alchimie? Ja - leider. Wie eben jenes, liegt ein Schwerpunkt auf Zahlen und Proben. Das nimmt der Angelegenheit viel Spielbarkeit. Ich will nicht stundenlang zusammensuchen müssen, was ich brauche und wie oft ich mit welcher Erschwernis zu würfeln habe. Glücklicherweise gilt dies hauptsächlich für Alchimie und die Erstellung von Fortbewegungsmitteln. Die übrigen Teile sind praktikabler, im Falle der Kraft umwandelnden oder sammelnden Artefakte vielleicht etwas zu stark im Verhältnis zum übrigen Regelwerk. Vorgefertigte Formeln und Erzeugnisse verbessern hier den Zugriff stark.
Trotzdem hinken die Regeln den Möglichkeiten des Hintergrundes hinterher. So erscheint auch das Preis-Leistungs-Verhältnis - 30 Euro für gut 160 gedruckte Seiten - etwas gering. Wer sich gar nicht für diese Magieform interessiert, benötigt den Band nicht. Ein paar Monsterwerte und Artefaktpreise sind zu wenig. Alle andern können, mit Abstrichen, einen interessanten Aspekt von Myranor ausbauen.
Damit steht es am Ende bei DSA-unheiligen 13 von 20 Sternen.
Fantasy-Kritik beim Sternenwanderer
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