Traveller (2nd) reprint
Science-fiction-Rollenspiele¸ die in der fernen Zukunft in einem "klassischen" Universum spielen¸ sind vergleichsweise rar gesäät. Bis heute hat sich jedoch ein Urgestein des Rollenspiels erhalten können - Marc Miller's Traveller von 1977. Nach (Classic) Traveller¸ Megatraveller¸ Traveller - The New Era und Traveller Milieu 0 gibt es nun auch eine von GURPS adaptierte Auflage. GURPS Traveller¸ 1999 in der zweiten Ausgabe erschienen¸ möchte uns nun in dieses spannende Universum einführen.
Worum geht es nun bei Traveller? Wir schreiben das Jahr 5631 nach Christus und finden einen dicht bevölkerten Weltraum vor - bevölkert mit Menschen wie auch mit mehr oder weniger fremdartigen Aliens. Im Mittelpunkt steht das menschlich dominierte dritte Imperium¸ daran grenzen die Reiche verschiedener Alien-Rassen an. Die Technologie ist teils sehr fortgeschritten: Antigravitation und künstliche Gravitation sind verbreitet und phantastische Raumschiffe fliegen durchs All. Andererseits wirkt die Technologie aber teils - für ein Far-Future-Setting - geradezu antik¸ z.B. dann¸ wenn für die Laserwaffen die Energiezellen so groß sind¸ dass sie mit einem Kabel verbunden am Gürtel oder gar am Rücken getragen werden müssen. Das ist wohl der Grund¸ warum auch noch konventionelle¸ ballistische Waffen¸ aber auch Gauß- oder Plasma-Waffen im Umlauf sind.
Die Reise zwischen den Sternen wird mit einem Sprung-Antrieb ermöglicht¸ der Reisen durch den jump-space ermöglicht. Ein Sprung dauert unabhängig von der zurückgelegten Strecke eine Woche¸ während der die Reisenden mit Unterhaltungselektronik die Langeweile auf dem Schiff überbrücken können und vom Rest des Universums abgeschnitten sind. Zurücklegen tun sie mit jedem Sprung je nach Qualität des Antriebs 1 bis 6 Parsecs - ein Parsec sind ca. 3 Lichtjahre und der minimale Abstand zwischen 2 Sternensystemen. Das hat zur Folge¸ dass Reisen sehr langwierig werden können. Da es keine Kommunikationstechnologie gibt¸ die schneller als das Licht ist¸ müssen auch Botschaften mit Raumschiffen¸ den sog. Xboats¸ befördert werden. Bei einem 11000 Sternensysteme umfassenden Imperium kann man sich vorstellen¸ dass man ein echtes Nachrichtenproblem hat... Das ist auch der Grund¸ warum das Imperium von einem Imperator regiert wird - der den einzelnen Systemen und ihren Gouverneuren relative Autonomie einräumt.
Das Buch präsentiert sich uns komplett schwarz-weiß. Es ist mit sehr vielen Zeichnungen illustriert¸ die von durchschnittlicher bis guter Qualität sind. Neben einem ausführlichen Inhaltsverzeichnis gibt es auch den unverzichtbaren Index. Die Texte sind gut zu lesen¸ am Seitenrand gibt es viele Randnotizen mit zusätzlichen Informationen¸ in-character-Texten usw. Schauen wir uns nun mal an¸ was wir so geboten bekommen.
Die gerade einmal 7 Seiten lange Chapter One will uns über das Universum und das dritte Imperium informieren. Es werden die Grundkonzepte der Major und Minor Races (Major Races haben selbständig den Sprungantrieb entwickelt¸ derer gibt es 6¸ dazu gibt es unzählige Minor Races¸ die eine Nebenrolle im galaktischen Geschehen einnehmen) vorgestellt und verschiedene Kampagnentypen skizziert.
Dann folgt das Chapter 2¸ welches mit ca. 70 Seiten den wichtigsten Teil des Buches ausmacht - heißt er doch nicht umsonst "Details of a Universe". Neben ein paar Sätzen zum Sprungantrieb¸ Regierung und Religion sowie einer knappen Zeitleiste der vergangenen Jahrtausende folgt dann die Library Data. Hier hat es sich der Autor einfach gemacht: Alphabetisch geordnet findet man hier nun allerlei Ereignisse¸ Aspekte und Hintergründe des Traveller-Universums. Was ist eine Amber Zone¸ worum ging es im Civil War oder wie lauten die Imperial Rules of War? Kurz gesagt: Eine mehr als ungünstig strukturierte Übersicht über Traveller¸ die für Einsteiger in den teils doch sehr komplexen Hintergrund ein echtes Manko darstellen¸ da man sehr oft querlesen muss¸ die alphabetisch aneinandergereihten Informationen selber in einen Kontext bringen muss.
Hat man den Hintergrundteil hinter sich¸ erfahren wir nun¸ wie man bei Traveller einen Charakter erstellt. Dazu werden einige für Traveller typische Character Templates vorgestellt¸ auf die man dann nur noch ein paar Bonuspunkte verteilen braucht und schon hat man einen stimmigen Charakter. Schade ist¸ dass nur Werte für eine einzige Alienrasse angegeben sind¸ hier hätte man ruhig mehr erwarten dürfen.
Die folgende Vorstellung von Ausrüstung und Gütern reißt die verschiedenen Geräte nur kurz an¸ gelegentlich wird nur auf das Ultra-Tech verwiesen. Dementsprechend werden auch ausdrücklich Geräte genannt¸ die bei Traveller nicht erhältlich sind - hier schimmert wohl am klarsten durch¸ dass der Hintergrund nur auf das GURPS-System aufgesetzt wurde. Dafür wird ein Rundumblick über die nötigste Ausrüstung gegeben - neben Waffen¸ Überlebensausrüstung¸ Sensor- und Kommunikationstechnologie werden auch ein paar Worte zu Drogen verloren. Leider viel zu kurz kommen Roboter - die nämlich gar nicht behandelt werden.
Traveller wäre nicht Traveller¸ gäbe es kein Kapitel¸ das sich mit Reisen beschäftigt - welches nun vor uns liegt. Eine Tabelle informiert uns über typische Reisezeiten innerhalb von Sonnensystemen¸ wir erfahren¸ wie der Sprungantrieb funktioniert und was passiert¸ wenn mal etwas schief geht. In diesem Kapitel wird auch ein Code-System zur Kurz-Beschreibung von Planeten vorgestellt sowie Konvertierungsregeln zwischem dem klassischen Traveller-Code und dem GURPS Space - Code.
Den Abschluss bildet nun das letzte Kapitel¸ in dem Konvertierungsregeln für Charaktere aufgestellt werden.
Fehlt da nicht noch was? Ja¸ natürlich fehlt da noch was: Raumschiffe! In drei Anhängen werden nun endlich ein paar Raumschiffe inklusive Außenansichten und Deckplänen vorgestellt¸ Konstruktionsregeln für eigene Raumschiffe und ein Kampfsystem für Raumschlachten (welches von den Regeln aus GURPS Space abweicht und auf Hexfeldern basiert).
Gesamteindruck / Fazit
Insgesamt habe ich von GURPS Traveller einen zwiespältigen Eindruck. Der Hintergrund gefällt mir ganz außerordentlich¸ allerdings halte ich die Präsentation im Quellenbuch für äußerst Einsteiger-unfreundlich. Die Lexikon-artige Präsentation ist für eine Einführung in einen neuen Hintergrund denkbar ungeeignet¸ hier hätten thematisch strukturierte Unterkapitel wahre Wunder getan.
Ein weiteres Manko für mich ist¸ dass man nach Lektüre des Buches zwar ein paar Grundinformationen kennt¸ aber noch nichts spielbares an der Hand hat. Wo will man loslegen¸ was will man nun anfangen? Man steht hier ganz besonders vor der Wahl¸ eine Menge selber entwickeln zu müssen - angefangen beim ersten Planeten! - oder aber ganz schnell eines der nachfolgenden Quellenbücher zu kaufen. Für GURPS-Neulinge kommt noch das Problem hinzu¸ dass man einige der universellen Regelbücher unbedingt zumindest mal anschauen sollte - der Klappentext selber gibt neben dem Basic Set auch das Compendium 1 und GURPS Space als Voraussetzung an.
Ist man bereit¸ über diese Mankos hinwegzusehen und einiges an Zeit in die Bewältigung des Hintergrundes zu investieren¸ erhält man ein feines¸ klassisches Science-fiction-Rollenspiel in der fernen Zukunft mit einem mittlerweile breiten Angebot an hervorragenden Quellenbüchern in der Hinterhand.
Eine Rezension von: Seliador