Gatecrasher: Science Fantasy Adventure Core Rules
Gatecrasher?
Man stelle sich ein Universum und eine mittelalterliche Welt darin vor¸ die einst von Magie erfüllt war. Ursprung dieser Magie war ein offener Durchgang zu einem magiereichen Paralleluniversum¸ der irgendwann durch das Zusammenspiel zweier schwarzer Löcher entstand. Einige Menschen lernten diese Magie zu nutzen¸ manche Wesen begannen erst durch sie existieren. Eines Tages verschwand diese Brücke wieder - und mit ihr alle Magie in unserem Universum.
Magische Kreaturen starben und Magier verloren ihre übernatürlichen Kräfte. Ein Magier jedoch¸ wollte sich mit diesem Schicksal nicht abgeben und sammelte all seine Kräfte¸ um einen neuen stabileren Durchgang zu schaffen. Er begab sich¸ von entsprechenden Zaubern geschützt¸ in den Weltraum und suchete eine geeignete Stelle für ein Portal. Sein Ritual war fast vollendet als seine Schutzzauber mangels Kraft versagten... Als die lebensfeindliche Atmosphäre auf ihn einbrach... nur noch ein Wort hätte ihn mit ewiger Macht versorgt...
Science-Fantasy? Was ist denn das? Die Begriffe Science Fiction und Fantasy für sich¸ dürften jedem der es bis zu dieser Rezension geschafft hat¸ ein Begriff sein. Eine Vermischung dieser beiden Genre kann nun auf sehr verschiedene passieren¸ wobei nur erst einmal wichtig ist¸ daß typische Elemente des jeweiligen Genre erhalten bleiben. Zur Fantasy gehören z.B. das Vorhandensein von Magie¸ Elfen¸ Trollen¸ Drachen usw. Science Fiction beschäftigt sich immer mit (aus unserer Sicht) utopischen Techniken¸ außerirdischen Lebensformen und interplanetaren Reisen. |
Die fast überall präsente Magie unterliegt nicht den physikalischen Gesetzen und widerspricht damit in ihrem Verständnis dem der teils hoch entwickelten Technologie. Je mehr man sich an eine der beiden Denkweisen gewöhnt¸ desto mehr entfernt man sich von der anderen.
In ähnlicher weise wirkt Magie zudem selten fehlerfrei auf hochtechnologische Objekte.
Magie und Technologie schließen sich zwar nicht grundsätzlich aus¸ aber die Wahrscheinlichkeit ein Experte auf beiden Gebieten zu werden geht gegen Null. In diesem Punkt unterscheidet sich Gatecrasher ganz klar von vergleichbaren Rollenspielen¸ bei denen magische Wesen durch den Einbau von Technologie in den Körper (Cyberware) ihr magisches Talent beschränken oder sogar ganz verlieren. Bei Gatecrasher sind auch Verständnis und Wirkung betroffen.
Fremde Welten
Durch die hohe Mobilität in Form von Technik und Magie ist man nicht nur auf die gute
alte Erde beschränkt¸ sondern kann sich aufmachen um die 'unendlichen Weiten des Weltraums' und die dort lebenden Alienrassen zu erforschen und versuchen sich Probleme wieder vom Hals zu schaffen¸ die man ohne seine (Neu-) Gier erst gar nicht gehabt hätte.
Gatecrasher bietet damit Spielwelten in denen nahezu jedes beliebige Genre ausgespielt werden kann und zudem beliebige Genre-Kombinationen möglich sind. Auch bunt gemischte Charaktergruppen sind damit möglich¸ was zudem zusätzlich durch das ultraflexible FUDGE-System unterstützt wird.
Ein kleiner aber wohlhabender Drache mietet sich ein schnelles Raumschiff mit Raumpilot und wirbt als Verstärkung einen Kampf-Androiden und einen gut geschulten Höllenhund an. Vor dem Abflug schleicht sich noch ein Doppelgänger in Gestalt des Piloten an Board.
Es gibt bei Gatecrasher eine Reihe von konkreten Anregungen zur Charaktererschaffung (Spezies) die man ziemlich frei mit Eigenschaften ausstatten kann. Die einzige Beschränkung dieser Freiheit bleibt die Vorgabe¸ daß Technisierung und Magie sich widersprechen und damit eine Ballung beider Machtmittel an einem Ort oder gar in einer Person schwer bis unmöglich erreichbar ist.
Regeln
Für ein solch extremes Rollenspiel braucht man ein sehr flexibles Regelsystem. Laut Copyright ist die Idee von Gatecrasher schon 1985 ausgearbeitet worden¸ also lange vor dem Start des inzwischen verwendeten Rollenspielsystem FUDGE (übrigens auch lange Zeit vor Shadowrun¸ falls jemandem Parallelen aufgefallen sind). Da Gatecrasher ein sehr flexibles System benötigt¸ ist FUDGE eine gute Wahl¸ den hier kann man seine Vorteile besonders gut einsetzen. Wer mehr über das FUDGE-Regelwerk erfahren möchte¸ kann sich entweder die Rezension der aktuellen englischen Ausgabe anschauen¸ oder sich den kostenlosen Download der deutschen Version auf den Rechner saugen. Das ist übrigens auch eine geniale Facette am ganzen FUDGE-Konzept - man bekommt für FUDGE zahlreiche (meist englische) optionale Regeln und Materialien zum kostenlosen Download¸ mit denen man jedes Produkt erweitern kann.
Speziell für Gatecrasher wurden die FUDGE-Regeln in diesem Band um einige Regelpakete und Optionen erweitert. Magie wurde in 7 verschiedene Sparten unterteilt: Materie-Herbeirufung¸ Verzauberung¸ Informationsmagie¸ Bewegungsmagie¸ Nekromantie¸ Psionik und Beschwörung.
Darüber hinaus kann auch jeder Nichtmagier über magische Talente verfügen¸ wie z.B. Unsichtbarkeit oder Pyrokinese¸ um nur zwei zu nennen. Talente werden wie jede Magie mit Magiepunkten gespeist¸ d.h. man kann über ihren Einsatz frei verfügen¸ solange man Magiepunkte hat.
Ein neues magisches Feature sind Auren¸ die sich mit fast jeder magischen Ausrichtung erzeugen lassen.
Für die eher konservativen Magier-Spieler gibt es eine Reihe von vorgefertigten Zaubersprüchen. Darüber hinaus steht es aber jedem Spieler frei¸ in Zusammenarbeit mit dem SL¸ neue (besser zum Charakter passendere) Sprüche zu entwerfen.
Zum ermitteln von Zufallsergebnissen in kritischen Situationen erklärt Gatecrasher eine Methode mit Prozentwert-Würfeln (W100) oder¸ noch besser¸ die Methode bei der die FUDGE-typischen Würfel verwendet werden. Mehr Informationen zu den FUDGE-Würfel findet man in der Rezension der englischen Ausgabe.
Eine interessante Erweiterung der FUDGE-Regeln stellt der "elektronische Kampf" dar¸ der dann eintritt¸ wenn ein digital denkende Wesen versucht¸ ein anderes zu kontrollieren.
Sicherlich eine sehr interessante Facette ist es¸ einen Cyborg oder gar Androiden zu spielen. Dieses Thema wird auch ausführlich an vielen Stellen des Regelwerks behandelt.
Da bei Gatecrasher die Weltraum einen großen Stellenwert hat¸ kommt auch das Thema Fahrzeug- und Raumschiffbau nicht zu kurz. Mir fehlten in diesem Zusammenhang aber eine Schautafel mit ein paar Beispiel-Raumschiffen und deren Raumaufteilung. Manchmal sagt ein Bild halt mehr als 1000 Worte. Natürlich bleiben einem in diesem Zusammenhang auch nicht Themen wie Weltraum-Reisen oder -Kämpfe erspart¸ wofür man auch eigene Schadenstabellen findet. Raumschiffe unterscheiden sind halt doch zu stark von Lebewesen.
Witzig ist der Tourist's Guide to the Solar System¸ der über eine Reihe von Planeten Auskunft gibt. Leider bleiben die Beschreibungen recht knapp und beschreiben auch nur die wichtigsten oder typische Planeten - was aber angesichts der Masse an Informationen¸ die in diesem Band ihren Platz finden mußten¸ verständlich ist. Auch hier wäre die Rißzeichnung einer typischen Weltraum-Kolonie oder einzelner Gebäudetypen¸ sehr wünschenswert gewesen.
Gamemasters Guide / Secrets of the Universe
Neben einigen Hinweisen zum richtigen Einsatz einiger Spezialregeln und Vermeidung von Regel-Mißbrauch durch die Spieler (was bei FUDGE durchaus möglich ist)¸ findet der Spielleiter eine Zeitlinie des Universums. Dort erfährt er auch noch wichtige Zusammenhänge zwischen den Völkern der Gatecrasher-Spielwelt¸ mit denen sich vor allem Kampagnen besser aufbauen lassen.
Ebenfalls sehr lesenswert ist das recht ausführliche Kapitel über die Elementals¸ also quasi alle nichtmenschlichen übernatürlichen Wesen¸ zwischen Gottheit Drache und kugelfester Fliege.
Technisches
Über die Qualität der englischen Texte (Ausführungen und Rechtschreibung) läßt man nicht meckern. Leider sorgt die Masse an Informationen und der begrenzte Platz dafür¸ daß viele Informationen sehr konzentriert dargereicht werden mußten. Ausführliche Erklärungen der Phänomene und Erzählungen mit Romancharakter sind daher Mangelware.
Zudem erinnern viele Lineart-Illustrationen eher an die Frühzeit der Rollenspielgeschichte¸ d.h. sie hätten wohl vor 10 Jahren noch für erhöhte Aufmerksamkeit gesorgt¸ heute gehören sie aber nur noch zum Durchschnitt und begeistern nur noch den Nostalgiker.
Fazit:
Daran¸ daß FUDGE ein tolles System ist und die Spielwelt von Gatecrasher genügend Stoff für unzählige geniale und vor allem abwechslungsreiche Abenteuer bereithält¸ läßt sich nicht rütteln. Allerdings ist die Präsentation des Materials (die vorliegende Ausgabe von Gatecrasher wurde 1995 fertiggestellt) nicht mehr ganz zeitgemäß.
Wer sich davon nicht abschrecken läßt¸ bekommt ein sehr flexibles und vor allem atmosphärisches Rollenspiel¸ daß sehr viele Freiheiten und nur sehr wenig Grenzen kennt.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de