Tharun - Wege nach Tharun (5e)
Rezension: Wege nach Tharun - Asien-Rollenspiel mit komplizierten Regeln
2020-06-30
Anfang Juni hab ich mir die Weltbeschreibung für Tharun angeschaut. Jetzt ist der Regelband dran. Kann das Buch die Spielwiese, die das japanisch angehauchte Inselreich DSA-Spielern bieten soll, mit sinnvollen Regeln zum Leben erwecken?
Wege nach Tharun
Autoren: Arne Gniech, Marcus Jürgens, Stefan Küppers
Seiten: 312
Preis: Gedruckt 40 Euro, als eBook 19,99 Euro
Von pfui bis okay
Einige aus Aventurien stammende Helden werden von zwei maskierten Gestalten angegriffen. Während der Zwerg und der Magier sich den Feinden entgegenstellen, versucht die Elfe, ihren verwundeten Gefährten - einen Thorwaler - zu heilen. Neben dem liegt ein Flügelhelm am Boden, Offensichtlich ist das eine Anspielung auf die 80er Jahre, als Tharun auf den Markt kam und Thorwaler noch derlei Accessoires trugen. Von den drei Titelbildern für Tharun-Bücher beim Uhrwerk-Verlag ist es trotzdem das Schwächste.
Im Innenteil sind die Bilder ausschließlich schwarzweiß oder in Graustufen gehalten. Die Qualität schwankt dabei stark. Viele Illus waren schon hässlich, als der Band 2014 erschien. Dazu gehören verschiedene Reiterbilder. Die Waffenzeichnungen fallen besser aus. Völkertafeln zählen zu den wenigen Exemplaren, die auf dem Stand der (besseren) DSA-Bände für 4.1 sind. Ebenfalls schade finde ich, dass so wenig Bilder enthalten sind. Besonders bei den Kreaturen hätte ich mir ein paar Beispiele gewünscht, da ein Bild bekanntlich mehr als tausend Worte sagt.
Einen etwas besseren Eindruck als in Die Welt der Schwertmeister machen die Texte. Die sind verständlicher formuliert. Hier und da hätte ein Abschnitt dafür übersichtlicher in zwei Abschnitte unterteilt werden können. Das Layout wurde auch besser gestaltet. Seiten, auf denen ein Abschnitt nur den oberen oder unteren Teil der Seite einnimmt, gibt es seltener. Die Bilder liegen ebenfalls besser und unterbrechen die Texte jetzt seltener.
Die Seitenzahlen im einseitigen Inhaltsverzeichnis und im Buch sind im eBook verlinkt, im Index hingegen nicht. Der fällt dafür mit knapp 13 Seiten deutlich umfangreicher als das Inhaltsverzeichnis aus. Dazu kommt ein fast zweiseitiges Glossar tharunischer Begriffe, dass die Übersicht angesichts der vielen, fremdartigen Namen erleichtert. Für ein kurzes Wörterbuch ist es aber noch zu knapp, zumal es in Tharun auch unterschiedliche Sprachen gibt.
Eher mäßige Bilder schaffen nur 3 Sterne auf der Messlatte.
Nur Menschen erlaubt
Der Band ist wie die anderen Regelbände für DSA 4.1 darauf ausgelegt, Regeln zum Spielen zu liefern, in diesem Fall für Tharun. Für die Grundlagen ist daher "Wege des Schwerts" oder der Basisregelband nötig.
Los geht es mit der Charaktererschaffung. Als einzige Kulturschaffende sind Menschen wählbar, die sich je nach Herkunftsland etwas unterscheiden. Thuaris erhalten einen Bonuspunkt auf ihre Klugheit und Kuumis auf Konstitution. Dazu kommen noch entsprechende Kulturen, für die eine Variante gewählt werden muss. Stadt, Land, am Hof eines Herrschers oder Banden in der Wildnis - Brigantai - stehen zur Wahl. Einfacher wäre es gewesen, nur die vier letzten Varianten als Kulturen anzubieten und mehr Möglichkeiten zur freien Punkteverteilung einzubauen.
Dann steht die Wahl der Profession an. Nur den Guerai - den ausgebildeten Truppen der Inselherrn - steht es zu, die meisten Waffen zu führen. Das gilt besonders für die tharunischen Schwerter, wobei besonders die Schwinge einem Katana ähnelt. Allerdings gibt es hier je nach Reich auch Ausnahmen, wie Ilshi Vailen, wo nur die Orange Kaste Guerai hervorbringt. Und das unabhängig vom Geschlecht.
Für Frauen sind die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt. Numinai (Seefahrern) und Kymanai - Experten für das Zähmen zahlreicher Tiere - sind fast ausschließlich Männer. Lediglich als Masha (Geisha) und Sonderrollen wie Zauberinnen in Thuara stechen sie manchmal etwas hervor.
Neue Vorteile, Nachteile und Sonderfertigkeiten ergänzen die Charaktererschaffung. Nanjafreunde verstehen sich besser mit den gleichnamigen Wesen, die ganzen Landstrichen Fruchtbarkeit schenken können. Die Angst vor einer bestimmten Farbe der Sonne - das Gestirn wechselt sie mehrfach im Tagesverlauf - setzt einem Helden in der entsprechenden Zeit dagegen zu. Besonders umfangreich fallen die Kampf-Sonderfertigkeiten aus. So können die Kampfwerte mit einer bestimmten Schwingenhaltung beeinflusst werden. Die Harte Schwinge verbessert etwa die Parade um zwei und reduziert dafür den Angriff um eins.
Schwingenläufe stellen eine Abfolge erschwerter Manöver dar, an deren Ende ein starker Abschluss steht. So pariert der Anwender beim Schwingenlauf Rakshasaverteidigung erst zwei Angriffe mit einer Klingenwand, um anschließend mittels Gegenhalten einen Gegenangriff aus der Verteidigung zu starten. Seine Ini sinkt derweil um drei Punkte, alle Angriffe gegen ihn sind dafür um zwei erschwert. Dabei muss ihm jedes der vorausgesetzten Manöver gelingen. Dass es für solch starre Manöververkettungen eigene Sonderfertigkeiten braucht, die dann auch noch mit einer passenden Rune und Meditation etwas verbessert werden können, ist Geschmackssache. Mir geht das zu weit. Zumal bei DSA 4.1 viele der zugrunde liegenden Manöver selbst noch Einschränkungen mit sich bringen, die ihren Einsatz einschränken.
Die tharunischen Waffen sind ebenfalls enthalten. Neben der Schwinge und vielen Varianten sind vor allem Zweihandklingen zu finden. Der Spälter ähnelt dabei eher einer aus Stahl gefertigten Axt und richtet vier Würfel an Trefferpunkten an, erschwert Angriffe und Paraden aber um einen beziehungsweise drei Punkte. Die Prunkpeitschen der Roten Kaste, genannt Saipedo, dienen dagegen nur der rituellen Züchtigung.
An Fernkampfwaffen sind außer Bögen und einigen Wurfwaffen sogar einzelne Feuerwaffen verbreitet. Angesichts einer Gesellschaft, die Wissen eher ablehnend gegenübersteht, mag das einige Leser überraschen. Dem Schutz dienen Rüstungen und Schilde, meist hergestellt aus Metall oder Holz. Eine typische Form sind Kettenhemden. Die vorhandenen exotischen Materialien wie das Chitin großer Insekten oder Bambus kommen dabei leider nur selten zum Einsatz. Dafür sind magische Metalle häufiger als in Aventurien, aber immer noch etwas besonderes.
Einige komplizierte Regeln verschrecken 2 Sterne und lassen nur 3 übrig.
Zaubermacht und Götterkraft
Ein weiterer großer Anteil entfällt im Buch auf übernatürliche Mächte. Die Sonne Tharuns zerstreut magische Essenzen. Nur mittels Runenmagie - oder verborgen vor dem Licht - kann Zauberei betrieben werden. Dazu bedarf es neben den passenden Runen auch zahlreicher Sonderfertigkeiten. Viele Anwender können nur über Runen meditieren und so zeitweise ein paar Boni auf Proben erhalten. Dafür erleiden sie aber auch sechs Punkte Erschöpfung pro Meditation.
Nur die Sombrai und blutzaubernden Morguai beherrschen die Kunst, Runen zu Dreiecken oder Pentagrammen zu legen. Damit wird ein Zauber erschaffen, der sich mit einem AsP am Tag wieder auflädt. Das heißt, schon einfache Magie lässt sich nur alle paar Tage wirken. Zugleich ist damit ein gewisser Aufwand beim Notieren verbunden. Auch die eigene AsP-Regeneration fällt für die wenigen Magier, die dazu fähig sind, grundsätzlich mit ein bis zwei Punkten am Tag zumindest am Anfang ihrer Karriere spärlich aus. Zudem reduziert die Sonne die Dauer und Reichweite der Zauber.
Um einen Zauber zu erschaffen, werden bei den Runenformen die Steine an entsprechende Stellen gelegt. Die Kombination kann so in eine Wirkung umgesetzt werden. Pentagramme sind dabei mächtiger und erlauben auch die Beschwörung von Wesen. Die Kombination aus Körper, Fühlen und Sehen kostet 14 AsP und verleiht etwa die Sonderfertigkeit Aufmerksamkeit für ein paar Stunden. Oder steigert die Ini, aber nur um ZfP*/4. Dabei muss eine Variante gewählt werden.
Unter den Beispielzaubern sind schädliche Wirkungen gegen Feinde erstaunlich selten angesichts der Tatsache, dass Tharun so viele Monster beheimatet. Andere Beispiele sind wenig nützlich. Federleicht reduziert das Gewicht um ZfP* x 2 in Stein (Kilogramm). Eine Halbierung könnte zwar die Sprungreichweite und Höhe verdoppeln, doch müssten dafür bei einem normalen Erwachsenen (ab 50 Kilo) mindestens 13 ZfP* zusammenkommen. Und dafür zahlt der Zauberer 15 AsP, während die Wirkung nur eine Spielrunde anhält.
Ebenfalls besondere Kräfte erhalten die Azarai (Priester) der Acht Götter. Warum einige Grundliturgien wie die die Konsekration umbenannt wurden, wird nicht erklärt. Dazu kommen die Liturgien der einzelnen Kulte. Diener Sindayrus können unter anderem Vögel um einen Dienst bitten und Gegner blenden. Nanurtas Auserwählte rufen eine Nanja zu Hilfe, schenken Todkranken einen friedlichen Tod oder segnen Frauen mit Fruchtbarkeit. Diener Shin-Xirits steigern die Ini um LkP* /2 (aber nur für LkP* KR), unterdrücken Schmerzen oder hüllen sich in Flammen. Den Kontrollwurf bei Patzern im Kampf etwas zu erleichtern (auch wieder für kurze Zeit) fällt dagegen deutlich ab.
Außerdem können Azarai ihre Widersacher verfluchen. Sindayru nimmt dann alle acht Tage einen Punkt von der Klugheit, was zu Schwachsinn führen kann, oder lässt alle Vögel das Opfer angreifen. Zirraku stürzt Verfluchte immer dann in einen Blutrausch, wenn sie etwas rotes sehen, und Pateshi senkt die natürliche Heilung. Dabei handelt es sich nur um Liturgien mit Grad eins. Zudem können die Flüche als letzter Akt auch permanent gesprochen werden. So wirken sie übermächtig.
Das Balancing zwischen Liturgien und Zauberei ist den Autoren damit nur mäßig gelungen. Außerdem sind Zauberer meist nur geduldet und nicht geachtet wie die Priester.
Fehlendes Balancing lässt nur 3 Sterne übrig.
Wo die wilden Bestien wohnen
Monster zählen zu den klassischen Gegnern, die Spieler in Rollenspielen bekämpfen. In Tharun können viele exotische Tiere von den Kymanai mit Hilfe der Runen gezähmt werden. Dieser Vorgang wird im Buch erklärt. Reitlibellen, Spinnen, Skorpione oder große Schildkröten sind Beispiele dafür. Allerdings ist das Ganze ein komplizierter Prozess, auch wegen der Gewöhnung zwischen Reiter und Reittier.
Dazu kommen die eher unzähmbaren Wesen. Hornlöwen erinnern an das Qilin, ein chinesisches Fabeltier. Ausgerechnet als Diwen bezeichnet werden große Vielfraße. Unterschiedliche Drachen und Wölfe mit Fledermausflügeln machen die Himmel unsicher. Die Dämonenviper wiederum beißt ein Opfer, damit sich aus der Wunde binnen weniger Stunden eine neue Schlange entwickelt.
Einigen Wesen sind mehrere Seiten gewidmet. Neben den erwähnten Drachen gehören dazu unter anderem die Fruchtbarkeitsgeister Nanja, die an Elfen oder Feen erinnern. Shinxasa wiederum sind in Flammen gehüllte Gestalten, die Shin-Xirit dienen. Die mörderischen Rakshasa mit mehreren Köpfen und Armen lassen wiederum aventurische Oger alt aussehen. Jede Gruppe, die so ein Monster überwindet, darf sich zurecht dafür feiern. Monaden wiederum schmieden wie ihre Verwandten, die Zyklopen, die magischen Waffen der Schwertmeister.
Ebenfalls enthalten sind Gedanken zum Spielen aventurischer oder myranischer Helden in Tharun und zur Rolle der Frauen. Die vielen Beispiele, die besondere Frauen aufführen, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Geschlecht in der Hohlwelt (die Tharun ist) in den meisten Regionen nicht viel zu sagen hat. Keine Vorschläge gibt es hingegen zur Anpassung des Settings an eigene Ideen. Vor allem die riesigen Entfernungen zwischen den Inseln und das rigide Gesellschaftssystem schränken die Möglichkeiten leider sehr ein.
4 Sterne können sich die Tiere sichern, den Letzten nimmt eine enttäuschte Frau mit.
Fazit
Gegenüber dem Weltband ist hier schon eine deutliche Verbesserung in den Texten und dem Layout erkennbar. An die Klasse von Unter dem Sternenpfeiler für Myranor (vom selben Verlag) oder auch viele Aventurien-Produkte der vierten Edition von DSA reicht der Tharun-Regelband aber nicht heran. Das liegt schon an den durchwachsenen und zu wenigen Illus (vor allem für den Buchpreis) und zieht sich durch die stellenweise zu komplizierten und kleinteiligen Regeln. Zudem sind die Flüche der Azarai zu mächtig, während Runenmagie nur eingeschränkt praktikabel ist.
Über die Wertung von 13 von 20 Sternen freut sich sicher der Namenlose.
Fantasy-Kritik beim Sternenwanderer
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