Aventurisches Götterwirken 1 (5e)
Rezension: Aventurisches Götterwirken I - Mehr als zwölf Fäuste für ein Halleluja
2020-04-06
Neben Zauberern sind auch Götterdiener in Rollenspielen oft mit übernatürlichen Kräften ausgestattet. Das Schwarze Auge (DSA) macht da keine Ausnahme. Während im Grundregelwerk der fünften Edition nur eine kleine Auswahl von Geweihten unterkam, bauen die beiden Bände Aventurisches Götterwirken die Reihen aus.
Im ersten Buch sind dabei die klassischen Diener der Zwölfgötter enthalten. Ob sich der Band lohnt und Dinge besser macht als sein DSA-4.1-Vorgänger Wege der Götter lest ihr jetzt.
Aventurisches Götterwirken I
Autoren: Philipp Neitzel, Alex Spohr, Fabian Talkenberg u.a.
Seitenzahl: 240
Preis: gedruckt als Hardcover 39,95, als Taschenbuch und eBook 19,99 Euro
Aufbau
Die Front ziert ein Grakvaloth, ein Dämon des Namenlosen. Der greift Krieger und einen Peraine-Geweihten an. Der Geweihte beschwört währenddessen die Macht seiner Göttin, um Dornenranken wachsen zu lassen. Im Hintergrund sind mehrere Gestalten zu sehen. Bei einer davon scheint es sich um einen Priester des Namenlosen zu handeln. Auch eine Statue mit durchbrochenen Ketten zwischen den Händen spricht dafür, dass hier eine "Party" der Anhänger des verbannten Gottes gestört wird.
Auch die Illustrationen im Innenteil sind auf dem hohen Niveau der fünften Edition und gefallen mir gut. Das gilt besonders für die Bilder von Professionen und Archetypen. Der Aufbau hält sich ebenfalls an das bekannte Muster. Zwei Seiten fürs Inhaltsverzeichnis und drei für den Index helfen dabei, die Übersicht zu behalten. Leider sind die Seitenzahlen im eBook nicht verlinkt. Die Unterteilung der Texte wurde klug gewählt. Die Rechtschreibung und Grammatik gehen in Ordnung.
Bilder und Platz fürs Inhaltsverzeichnis sorgen für 5 Sterne.
Die Zwölf, ihre Kinder und der Widersacher
Das Buch dreht sich um die Zwölfgötter und jene ihrer Kinder, die schon in früheren Edition ihre Geweihten (Priester) in Aventurien mit göttlicher Macht ausstatteten. Dabei handelt es sich um Aves, Ifirn, Kor, Nandus und Swafnir. Auch der Namenlose als deren Widersacher ist vertreten. Wesen, die bisher nur außerhalb der aventurischen Gegenwart Karma vergeben - wie die Neugötter Tharuns, im Güldenland (Myranor) oder den Dunklen Zeiten verehrten Wesen - finden sich teilweise im Aventurischen Götterwirken II (dazu ein andermal mehr).
Jede Gottheit wird dabei mit ihren Kulten auf drei Seiten beschrieben. Nur der Namenlose muss mit zwei auskommen. Nach einer Seite mit einem Götterbild, dem Moralkodex der Geweihten und den Aspekten, für die die Gottheit verehrt wird, folgt eine Seite mit einer Übersicht zu den üblichen Zuordnungen. Dazu gehören das heilige Tier, Edelsteine, das Sternbild und dergleichen. Darunter werden die Bezeichnungen für unterschiedliche Kirchenränge genannt. Während beispielsweise Praios Wert auf eine strikte Hierarchie legt, sind Diener Ifirns nicht besonders organisiert.
Die dritte Seite stellt neue Fähigkeiten für den Zeremonialgegenstand vor. Jeder davon kann zwei von sechs besondere Wirkungen erhalten. Mit dem Ifirnsmantel lassen sich zum Beispiel andere Kulturschaffende besser wärmen oder Jagdtrophäen 50 Prozent länger haltbar machen. Beim Korspieß dagegen stehen unter anderem ein zusätzlicher Schadenspunkt gegen Wesen mit einem Rüstungsschutz von mindestens zwei oder die Senkung der Verteidigung des Ziels um zwei für zwei Kampfrunden zur Auswahl. Auch der Opferdolch des Namenlosen ist dabei. Anders als bei den anderen Göttern wird hier bei jedem der 13. Weihegrade ein neuer Bonus vergeben.
Drei Seiten klingen zwar nach viel, sind bei der Fülle an Material aber schnell voll. Für den Hintergrund der einzelnen Kirchen bleibt kaum Platz. Einerseits ist das wegen der langen Geschichte von DSA und Aventurien verständlich, andererseits dürften gerade bei Neulingen einige Fragezeichen aufkommen. Zudem sind die Kirchen für Anfänger etwas unübersichtlich nach der Reihenfolge ihrer Monate im aventurischen Kalender sortiert, dann folgen die Halbgötter und zum Schluss der Namenlose.
Dafür sind auch neue Waffen, Rüstungen und andere Ausrüstungsgegenstände der Geweihten beschrieben. Die Pantherrüstung ist eine Plattenrüstung für Kor-Geweihte, Schuppengewänder tragen Efferd-Diener. Amazonensäbel und Wanderstab sind nicht im Grundregelwerk vertreten und werden hier ebenfalls nachgereicht, da sie im Buch vorkommen. Im recht umfangreichen Anhang finden sich nochmal weitere Regeln, die nach dem Grundregelwerk herauskamen, darunter zu Tierschwärmen. Neu ist der Zustand Trance, der die Entrückung von der Welt widerspiegelt, die Geweihte beim Wirken ihrer Mächte erfahren. Was sie mit welcher Stufe noch tun können, ist dabei etwas unübersichtlich ausgefallen.
Da der Hintergrund nur knapp angerissen wird, bleiben 4 Sterne übrig.
Liturgien, Zeremonien und Sonderfertigkeiten
Da nicht jede DSA-Gruppe einen Geweihten beinhaltet, fasse ich die Grundlagen nochmal zusammen: Anders als in der vierten Edition sind Geweihte jetzt näher an Zauberern. So können sie von Haus aus bei jeder Nachtruhe ihr Karma - quasi ihr Mana für übernatürliches Wirken - regenerieren und besitzen jetzt für jede Liturgie einen eigenen Wert. Das bedeutet auch, dass sie nicht mehr auf die Liturgiekenntnis würfeln, um die Welt übernatürlich zu beeinflussen.
Geweihte sind spezialisierter als Zauberer, da sie neben allgemeinen Liturgien und Zeremonien nur jene ihrer Gottheit lernen können. Letztere sind oft exklusiv für eine Kirche und deren Gottheit. Um die über einen Wert von 14 zu steigern, müssen sie zudem die passende Aspektkenntnis lernen. Jede Gottheit besitzt zwei davon. Bei Swafnir sind das Kraft (Stärkung) oder Tapferkeit (Mut machen), bei Phex Handel und Schatten und Tod und Traum bei Boron. Dazu kommt die allgemeine Aspektkenntnis für allgemeine Liturgien. Ausgenommen sind Diener des Namenlosen, die quasi automatisch die Aspekte ihres Gottes kennen.
Ein ganzer Haufen neuer oder überarbeiteter Liturgien hat es in den Band geschafft. Mit "Angriffslust" steigern Kor-Geweihte für fünf Kampfrunden die Kampfkraft von QS/2 Zielen um eins bei Attacke und Trefferpunkten. Blutzoll heilt dagegen für neun Schadenspunkte eine Zustandsstufe beim Priester. Der Bannstrahl der Praioten richtet guten Schaden an Dämonen an, der Blitzschlag eines Rondraanhängers wirkt nicht ganz so stark, dafür aber auch gegen andere Ziele.
Rahjanis steigern ihren Reiten-Wert für zwei Stunden um QS/2 oder bauen Betäubung durch Alkohol sofort ab. Beim friedlichen Rausch werden Gegner hingegen für fünf Kampfrunden sowohl friedlich als auch kampfunfähig gemacht, solange sie nicht angegriffen werden. Peraine-Diener sorgen dafür, dass Getreide QS mal fünf Prozent mehr Ertrag abwirft. Und Traviageweihte verbessern Gruppensammelproben um QS/2, wenn die Handlung der Göttin genehm ist. Maximal drei Teilnehmer erhalten aber jeweils eine Erleichterung um eins. Aves-Geweihte werden mit der passenden Liturgie QS/2 Tage von einem winzigen Tier wie einem Eichhörnchen begleitet.
An der Auswahl sollte ersichtlich sein, dass die Liturgien unterschiedlich nützlich sind. Für eine normale Heldengruppe dürfte oben erwähntes Getreidewachstum zum Beispiel nicht so oft für die Erreichung eigener Ziele zum Einsatz kommen. Zudem sind die Beschränkungen stellenweise wieder etwas kleinteilig geraten. So dürfen Efferd-Geweihte mit einer Liturgie nur mit Seevögeln sprechen, während Ifirndiener mit jedem beliebigen Wildtier reden.
Ähnlich sieht es bei den Zeremonien als Rituale der Kirchen aus. Neben der Weihung von Tempeln und Einführung neuer Geweihter gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, dass Rahjanis QS Liter Wasser in Wein verwandeln. Mit dem Bild für die Ewigkeit speichern Diener Borons, Hesindes oder Nandus optische Eindrücke permanent in ihrem Gedächtnis. Leider dauert die Zeremonie 30 Minuten, hält aber nur QS mal zwei Minuten an. Besonders die Tierverwandlungen zeigen die Kleinteiligkeit und Redundanz des Systems. Damit nehmen Priester für ein paar Stunden die Gestalt des heiligen Tiers ihrer Gottheit an. Hier unterscheiden sich die Liturgien nur im Tier und den Kosten, die für größere Tiere ansteigen.
Durch Erweiterungen können die Liturgien und Zeremonien verbessert werden. Neben längerer Wirkungsdauer gehört dazu bei den Tierverwandlungen auch Sprach- und schließlich Liturgiefähigkeit, während der Priester als Tier unterwegs ist. Auch die Liturgien im Grundregelwerk erhalten solche Erweiterungen. Namenlose Geweihte können zudem Tiere wie Ratten oder Dämonen herbeirufen.
Auch neue Sonderfertigkeiten sind enthalten. Liturgiestile sind wie Zauberstile unterschiedlich nützlich. Predigten verleihen kleine Boni für einige Zuhörer. Visionen verleihen einem Geweihten Zuversicht (bis zur nächsten Regeneration QS/2 Proben neu würfeln), geben ihm nach zwei Stunden einen Schicksalschip zurück oder steigern für einen halben Tag die Willenskraft und Seelenkraft je nach QS.
Nach Kleinteiligkeit und Redundanz verbleiben 3 Sterne.
Professionen und Archetypen
Wer einen Diener der Götter spielen will, findet im Buch reichlich Auswahl. Vertreten sind Geweihte aller Zwölfgötter, der fünf vorgestellten Halbgötter und des Namenlosen. Letztere werden jedoch nur als bedingt in normale Heldengruppen integrierbar dargestellt, was ich auch passend finde. Dazu kommen mit Amazonen, Golgariten und Draconitern noch drei besondere Orden, die auch geweihte Varianten anbieten.
Auch bei einigen Geweihten der Zwölfe gibt es verschiedene Varianten, die unterschiedliche Ausbildungen oder Richtungen widerspiegeln, denen ein Geweihter angehören kann. Bei Perainegeweihten sind das Heiler und Säer, bei Hesindegeweihten Pastori oder Satori und bei Boronis Diener Bishdariels und Golgaris. Die Unterschiede zwischen den Varianten fallen aber gering aus und bestehen aus ein paar Punkten mehr oder weniger für ein bis zwei Talente. Ausnahme sind die Ordensvarianten, da vor allem die geweihten Mitglieder größere Veränderungen mit sich bringen.
Während die Orden allesamt gut spielbar sind, haben viele andere Priester durch ihre Moralcodices oder Fähigkeiten nur eingeschränktes Potenzial. Extremes Beispiel sind Tsa-Geweihte, die Gewalt ablehnen und gleichzeitig die Menschen von ihren geistigen Fesseln befreien will. In einer Welt wie Aventurien mit Monstern und oft festgefügten Gesellschaften stellt das eine besondere Herausforderung dar. Efferdgeweihte dürfen dagegen nichts gekochtes essen oder mit Feuer Licht machen.
Wer gleich los spielen will, findet acht Archetypen im hinteren Buchteil. Von Swafnirgeweihten über die Amazone und einen Golgariten bis zum Diener Aves reicht die Spannweite. Je vier davon sind wieder durch Geschichten um ein namenloses Artefakt verbunden. Wie glaubwürdig es ist, dass ein Swafnirgeweihter aus Thorwal mit einem Draconiter aus dem Horasreich zusammenarbeitet - nachdem es von 1022 bis 1026 BF einen Krieg zwischen beiden Reichen gab - sei dahingestellt. Dafür decken die Archetypen viele unterschiedliche Vorlieben ab.
Keine neue Profession, sondern eine weitere Option für Nicht-Geweihte mit einer Nähe zu einer Gottheit stellen Akoluthen und Zeloten dar. Erstere unterstützen einen Geweihten bei Liturgien, müssen sich aber an den Moralkodex der entsprechenden Kirche halten. Letztere sind Prediger oder Visionäre, die ebenfalls dem jeweiligen Moralkodex folgen, aber keine Geweihten. Sie können Sonderfertigkeiten für Predigten oder Visionen erlernen.
Die Auswahl verdient sich 4 Sterne.
Fazit
Unter DSA 4.1 unterschieden sich Geweihte spürbar von Magiern und konnten ihre Kräfte seltener einsetzen. Mit der fünften Edition wurde das angeglichen, was für mich den Geweihten gut getan hat. Diesen Weg setzt der Geweihtenband gut weiter und bietet neben fast allen Vertretern der Zunft zahlreiche Ausbaumöglichkeiten. Einige sind aber etwas kleinteilig. Wer sich Hintergrundinfos zu den Kirchen erhofft, wird zudem kaum fündig. Dafür bietet der Band zusammen mit dem Grundregelwerk alle Infos, um Geweihte zu erschaffen und zu spielen.
16 von 20 Sternen lässt Phex aus seiner himmlischen Schatzkammer für das Buch herabregnen.
Fantasy-Kritik beim Sternenwanderer
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