City of Angels
Als dritte Veröffentlichung der Reihe und als erstes richtiges Quellenbuch nach dem Regelwerk und dem Wurmfortsatz des Regelwerks¸ nebst Sichtschirm¸ waren die Erwartungen an City of Angels (im Folgenden nur noch CoA) natürlich recht hoch und nicht wenige befürchteten¸ der anfängliche Schwung könne sich recht bald im Sande verlaufen.
Warum musste es auch ausgerechnet ein Städteband werden? Gäbe es nicht Wichtigeres¸ als die Beschreibung einer Stadt an der Westküste¸ wo man doch schon von der by Night Serie Licht und Schatten gleichermaßen gewohnt war? Wir werden sehen.
Die Einleitung ist eben dies¸ nicht mehr¸ aber auch nicht weniger. Statt einem Knaller wie im Companion erwartet den Leser hier nur eine kurze Einführung¸ die übliche Diskussion von Thema und Stimmung und schliesslich noch ein paar Literaturtipps. Ausserdem kann man sich einen Hinweis auf die Kurzgeschichtensammlung 'Lucifer's Shadow' nicht verkneifen¸ was aber noch erträglich ist. Die Einleitung erfüllt ihren Zweck und macht zumindest neugierig auf den übrigen Inhalt¸ da spätestens hier klar wird¸ dass sich das LA der WoD sehr von unserem Los Angeles unterscheidet.
Kapitel Eins: After the Fire beinhaltet sowohl die Informationen zur Geschichte der Stadt¸ als auch geografische Gegebenheiten (Karten¸ Adressen usw). Im Gegensatz zu vergleichbaren Bänden beschränken sich die Autoren im historischen Part aber tatsächlich nur auf das Nötigste und so erscheint der Abriss eher skizzenhaft und unterstreicht nur die auffälligsten Ereignise in den Jahren seit der Gründung. Insgesamt wird der Leser gerade mal eineinhalb Seiten mit diesen Fakten belästigt¸ das mag man gut finden oder auch nicht.
Ungefähr noch einmal soviel Text wurde auf die Ereignisse seit der Rückkehr der Verdammten vergeben und spricht neben der Gründung des ersten Hofes auch von den Machenschaften der Earthbound und natürlich von der Devil's Night und der Offenbarung des Lichtbringers in den sich anschließenden Aufständen. Im Anschluss findet sich der Geografieteil¸ der schön ordentlich in Bezirke unterteilt wichtige und auch weniger wichtige Orte aufzeigt und natürlich auch nicht die Verbindung zu den Dämonen verschweigt. Leidlich ausführlich kann ein Spielleiter beim Stöbern auch auf den einen oder anderen möglichen Plot stoßen und auch wenn dieser Abschnitt mitunter etwas trocken daher kommt¸ hat er wohl durchaus seine Berechtigung.
Im Anschluss erfreuen noch ein paar ungewohnt kritische Kommentare zu Lebenseinstellung¸ Wirtschaft und Regierung der Stadt und den Einfluss der Ereignisse um die Devil's Night darauf das Auge und machen den schon angesprochenen Geoteil wieder gut¸ da es hier gelingt¸ ein Gefühl für die Zustände in der Traumfabrik vermitteln.
Das Kapitel hat 18 Seiten.
Kapitel Zwei: Broken Wings liefert den Hintergrund für eine mögliche Chronik in LA.
Zuerst werden sowohl der Infernal¸ wie auch der Blood Court beschrieben¸ zwei rivalisierende Höfe der Verdammten¸ die genug Möglichkeiten für eine Unzahl von Geschichten bieten. Zu Beginn fällt es etwas schwer¸ zu folgen¸ da die Autoren nicht davor zurückschreckten¸ eine Vielzahl von Namen in den Bericht einfließen zu lassen¸ doch als schnelle Referenz für den Eingeweihten ist der Text eine Goldgrube. Besonders ordentlich sind die Querverweise hier¸ die zu den Einträgen der Hauptcharaktere im Charakterkapitel führen¸ was ich als äusserst nützliches Werkzeug für den Erzähler und auch den interessierten Leser empfand.
Es folgt nun ein absoluter Leckerbissen¸ es werden die Aktivitäten der drei (!!) Earthbound beschrieben. Die schiere Fremdheit der Gedanken dieser Wesen und ihre Manipulationen der Dämonen wie auch Menschen machen einfach Lust auf das Quellenbuch zu diesen Monstern.
Gleich im Anschluss wird auch der letzte Fan des Metaplot zufriedengestellt¸ da nun auch der Prinz aller Lügen¸ Luzifer selbst¸ mit Aufmerksamkeit bedacht wird und seine Motive nach der Lektüre wieder etwas klarer sein dürften. Dann werden¸ nach Haus und Fraktion geordnet¸ Plotideen präsentiert¸ die sich für Geschichten in und um LA eignen würden. Diese¸ genau wie die Vorschläge für ganze Chroniken¸ die dieses Kapitel abschließen¸ sind recht vielfältig und interessant und geben in der Tat genug Möglichkeiten¸ seine Demonrunde in Los Angeles zu lokalisieren.
Broken Wings hat 20 Seiten.
Kapitel Drei: Behind the Mask ist das Fleisch an den Knochen jeder Geschichte¸ die Darsteller. Das Kapitel ist nach Häusern geordnet und stellt in jedem Abschnitt jeweils die beiden wichtigsten Vertreter jedes Hauses mit vollständigen Werten vor. Zudem werden unter Minor Players noch weitere Dämonen aufgeführt¸ denen man nur noch die allernotwendigsten Werte lie߸ sowie Bit Players¸ die nur noch eine Beschreibung ohne alle Werte erhielten. Auf diese Weise wurde eine Menge Platz gespart¸ der für die Geschichten all dieser Gefallenen besser genutzt werden konnte. So gelingt es¸ über 50 verschiedene Charaktere vorzustellen; offenbar mehr als genug Figuren für die Bühne.
Das Spektrum reicht in diesem Kapitel vom Stereotyp¸ über den absoluten Ausreisser und den Langweiler¸ bis zum Aussergewöhnlichen. Jeder Spielleiter wird hier schnell seine Lieblinge entdecken. Man kann wohl auch einfach nicht erwarten¸ dass alle Figuren gleich spektakulär oder erstaunlich sind und ich persönlich finde diesen Querschnitt durch alle Schichten gelungen.
44 Seiten waren den Autoren diese Informationen wert.
Kapitel Vier: The Infernal Court trägt seinen Inhalt bereits im Namen. Hier erhält die neue Gesellschaft der Dämonen Struktur in Form eines höfischen Systems¸ mit dem Tyrannen an der Spitze.
Der Aufbau eines solchen Hofes mit allen Rängen wird ebenso beleuchtet¸ wie die Regierung dieser Ordnung¸ bestehend aus dem bereits genannten Tyrannen und der Pentarchie¸ einer Art höllischer Bürokratie¸ die in fünf Ministerien unterteilt ist. Diese Ministerien werden in Hinblick auf ihre Aufgaben¸ wie auch dem Anteil der einzelnen Häuser und Fraktionen in ihnen betrachtet. Ausserdem kann man über die Gesetze des Hofes und auch über die Bestrafung ihrer Nichteinhaltung lesen.
Die Beziehung Sterblicher zu den Höfen wird ebenso wenig verschwiegen¸ wie auch mögliche Gegner und allgemeine Gründe¸ warum man sich als Dämon denn um Himmels Willen einem solchen Hof anschließen sollte.
Selbst mit 22 Seiten ist dieses Kapitel noch viel zu kurz und lässt hoffen¸ dass in zukünftigen Veröffentlichungen das Konzept des Hofes noch erweitert wird.
Kapitel Fünf: Lost Souls handelt von den Dämonen¸ die ausserhalb der Ordnung der Höfe stehen.
Wieder wird nach Häusern und Fraktionen sortiert und in jedem Fall finden sich Argumente¸ warum ein entsprechender Charakter¸ dem Hof den Rücken zuwenden könnte¸ oder sich diesem überhaupt erst gar nicht anschließen. Die Ziele dieser Renegaten werden aufgezeigt¸ ebenso aber auch die Gefahren¸ die ein Leben ausserhalb der Gesellschaft mit sich bringt. Schließlich endet das Kapitel mit vier NSC. die diesen Weg für sich wählten.
Für die verlorenen Seelen waren gerade noch 12 Seiten übrig.
Zurück zur Frage vom Beginn¸ warum ein Citybook? Nach der Lektüre kommt man nicht umhin zu gestehen¸ dass CoA keine simple Städteergänzung ist¸ sondern neben diesen Informationen zur Stadt und ihren Einwohnern auch den Plot vorantreibt und vor allem in den Kapiteln Vier und Fünf die gewohnten Grenzen eines 'normalen' Städtebuchs gesprengt werden.
Das Buch ist ordentlich geschrieben¸ folgt in manchen Dingen den Konventionen vergleichbarer Veröffentlichungen¸ behält sich aber noch immer diesen Reiz des Neuen. Trotzdem ist die Vielfalt der gegebenen Information wohl zugleich auch ein Schwachpunkt¸ da auf diese Weise niemand so richtig gesättigt wird. Freunde des Courtsystems werden nach mehr schreien¸ während Spielleiter¸ die das Buch als Basis einer Geschichte verwenden möchten¸ sich vielleicht doch noch etwas mehr Informationen zur Stadt¸ ihrer Geschichte usw gewünscht hätten. Man muss natürlich aber auch die Absicht der Autoren verstehen¸ mit jeder Publikation einen dickes Paket zu liefern¸ dass jedermann anzusprechen versteht. Bei mir entsteht manchmal fast der Eindruck¸ die Demoncrew würde mit dem Rücken zur Wand produzieren und wisse nicht¸ wieviele Bände sie noch herausbringen darf¸ ehe Schluss ist. Dieser Druck dürfte allerdings allmählich verfliegen¸ denn das System ist überaus erfolgreich.
Das ist auch gleich das Stichwort für das nächste Manko. Wie schon im Regelwerk finden sich hier und dort elendige Fehler¸ die man durch ordentliches Lektorat hätte ausräumen können. Da werden Namen plötzlich anders geschrieben¸ die Cryptics Fraktion heißt auf einmal Inquisitors und manche Sätze sind grammatisch gesehen einfach nicht in Ordnung. Sicher¸ man muss nun keine Erbsen zählen¸ aber ich bin Besseres von WW gewohnt und hoffe doch schwer¸ dass der Standard in Zukunft wieder erreicht wird.
Zur Kunst. Nach dem ganz fantastischen Companion sind die Beiträge der Künstler in diesem Band einmal mehr eher Durchschnitt¸ teilweise sogar noch darunter. So sind die Charakterportraits in Kapitel Drei fast schon indiskutabel und stellen im Vergleich zu den Arbeiten eines Christopher Shy die Kreisliga dar. Auch die ganzseitigen Kapitelopener sind mir ein bissel lieblos geworden und tatsächlich sind eigentlich nur Marko Djurdjevic und Andy Trabold erwähnenswert¸ die die Katastrophe gerade noch so abzuwenden verstehen. Trabold erschöpft seine morbiden Anwandlungen allerdings leider schon bei komischen Tentakeln auf dem Kopf und Herrn Djurdjevic fehlte irgendwie der rechte Raum um wirklich interessante Arbeiten abzuliefern. Schade drum.
Insgesamt gebe ich dem Buch 7 von 10 Punkten¸ das Auge isst eben doch mit. Der Inhalt ist gelungen und streckenweise sogar mehr als nur das. In jedem Fall eine ordentliche Ergänzung für die Demonreihe und den Kauf wert.
Eine Rezension von: Markus Barth http://www.regensburg-bei-nacht.de