Nile Empire: War in Heliopolis (d20)
So¸ vergessen wir mal das Cover und kommen zum Inhalt. 'Nile Empire - War in Heliopolis' bereitet das alte Ägypten als Spielhintergrund für das D20-System auf. Dabei konzentrieren sich die Autoren natürlich vor allem auf die mystischen und mythologischen Aspekte¸ so dass neben historisch akkuraten Informationen über Geschichte¸ Politik¸ Religion¸ Kunst und Gesellschaft¸ die den ersten Teil des Bandes einnehmen¸ auch das geheimnisvolle Flair etwa alter Mumienfilme und Monumentalschinken nicht zu kurz kommt.
Ein weiterer großer Abschnitt beschäftigt sich also mit dem ägyptischen Pantheon¸ den einzelnen Göttern¸ ihrem Einfluss auf Ägypten und ihren Streitereien untereinander¸ die dann auch den Hintergrund für die vorgeschlagene Kampagne bilden. Etwas gestört hat mich hier¸ dass sämtliche¸ aber auch sämtliche der Götter und Göttinnen durch exakte Charakterwerte repräsentiert werden. Sollten Götter nicht ein wenig unnahbarer sein ? Und gibt es tatsächlich Gruppen¸ in denen gegen Götter gekämpft wird ? Den Platz hätte man vielleicht sinnvoller nutzen können.
In rein spiel- und regeltechnischer Hinsicht werden einige neue Charakterklassen wie Schreiber und Nomade¸ sowie vor allem Godslayer und Avatar eingeführt¸ sowie die zugehörigen neuen Feats und Skills. Außerdem erfährt man knapp etwas über (Aus-)rüstung¸ Geld usw.¸ erstaunlicherweise aber nichts über spezielle ägyptische Magie oder magische Gegenstände.
Es folgen eine Reihe von kurzen Abenteuerskizzen¸ die zusammengenommen eine längere Kampagne im alten Ägypten bilden.
Und hier zeigt sich nun leider auch die große Schwäche dieses Bandes: Ägypten ist eigentlich nicht mehr als eine bunte Kulisse für Abenteuer¸ die genauso gut auch überall anders spielen könnten. Die Informationen aus dem ersten Teil sind einfach zu allgemein gehalten¸ ausgearbeitete NSC¸ besondere Örtlichkeiten¸ Pläne gar¸ detailliertere Informationen sucht man vergebens. Die Charaktere sollen also auch nicht etwa ins ägyptische Alltagsleben eintauchen¸ Sabotage beim Pyramidenbau vereiteln¸ Sklaven zur Flucht verhelfen¸ Intrigen in der Priesterschaft aufdecken¸ einer Dorfbevölkerung über eine Missernte hinweghelfen oder was man sich da alles denken könnte¸ sondern im Auftrag der Götter oder des Pharaos die Diener der bösen Gegenseite zur Strecke bringen¸ meist mächtige Erzschurken oder Monster.
Überspitzt gesagt: Wenn man die Namen der ägyptischen Götter und Herrscher durch die der römischen ersetzen würde¸ könnte das ganze genauso gut 'Tiber Empire - War in Olymp' heißen. ¸ die so nur in Ägypten spielen können¸ sind mir eigentlich nicht aufgefallen. Natürlich könnte man sich die als SL selbst zurechtlegen¸ aber erstens hat dann eine kommerzielle Spielhilfe einen Teil ihrer Aufgabe auch schon verfehlt¸ wenn man am Ende doch alles selber machen muss¸ und zweitens sind die Informationen über Ägypten¸ die man hier bekommt¸ einfach auch zu allgemein gehalten¸ wie schon gesagt.
Selbst wenn man in Rechnung stellt¸ dass das hier ja kein Abenteuerband¸ sondern eine Hintergrundbeschreibung ist¸ muss ich leider sagen¸ dass mir für eine sinnvolle Verwendung bei der Konstruktion eigener Abenteuer einfach zu viel fehlt.
Seth¸ den Pyramidensklaven¸ Hatu¸ den Nilschiffer und Hatschipsuthi¸ die Tochter aus reichem Hause¸ die statt Priesterin lieber Händlerin werden will¸ muss ich mir dann selber zurechtlegen¸ und den Grundriss von der 'Schenke zum gefräßigen Krokodil' wohl auch.
Vielleicht bin ich auch einfach nur der Falsche¸ um das hier zu bewerten und habe eine andere Vorstellung von Rollenspiel¸ als die Autoren. Mein Eindruck aber ist¸ dass man für Infos über das alte Ägypten und vor allem das Alltagsleben dort mit einem populärwissenschaftlichen Buch aus der Bibliothek genau so gut und vor allem billiger dabei wäre¸ denn die Arbeit¸ die man da reinstecken müsste¸ würde auch bei dieser Spielhilfe anfallen.
Äußerlich gibt's an dem Band nichts zu meckern (abgesehen vom Cover vielleicht¸ je nachdem¸ wie man zu so was steht)¸ das Heft ist stabil¸ frei von Druckfehlern und ansprechend aufgemacht. Das Englisch würde ich als mittelschwer einstufen¸ wer gelegentlich mal ein englisches Buch liest oder sich einen Film im Original angucken kann¸ und wenigstens die Hälfte versteht¸ sollte das auch hier schaffen Für die Richtigkeit der Regeln und Tabellen kann ich keine Garantie übernehmen¸ übersichtlich sind sie jedenfalls.
Wie mittlerweile klar geworden sein dürfte¸ kann ich 'Nile Empire' insgesamt nicht empfehlen¸ jedenfalls dann nicht¸ wenn man nicht diese Art von Rollenspiel pflegt¸ die hier vorgeschlagen wird. Ich empfehle bei grundsätzlichem Interesse an ägyptischen Abenteuern mal kurz den ersten Abschnitt und dann die Abenteuervorschläge ganz hinten zu überfliegen. Wenn man damit keine Probleme hat¸ dann kann man das Heft kaufen. Das Cover alleine ist es auch nicht wert¸ das sei an die Adresse der männlichen Pubertierenden unter uns gesagt¸ denn schon für wenige Euro kann man solche Bedürfnisse auch am Kiosk um die Ecke befriedigen.
Eine Rezension von: JN