Aztecs: Empire of the Dying Sun (d20)
Die besondere Schwierigkeit für Ree Soesbee¸ die Autorin¸ lag wohl darin¸ Mexiko vor den Konquistadoren so zu präsentieren¸ dass der Leser das Gefühl bekommt¸ dass man sich dort wohl fühlen kann. Leider fallen einem bei den Azteken ja nie als erste Schokolade oder dieses Ballspiel ein¸ sondern die blutige Religion mit den Menschenopfern. Also eigentlich kein leichter Einstieg¸ denn wer will schon in so einer Gegend leben geschweige denn Abenteuer erleben. Das Buch nimmt so auch die Religion gleich als Einstieg in das Thema¸ denn nach dem Verständnis der Azteken gab es fünf Sonnen¸ von denen vier aber bereits erloschen bzw. gestorben sind. So brauchen dann auch die Götter das Blut der Opfer nur¸ um die fünfte Sonne am Leben zu erhalten. Es sind also keine blutrünstigen Monster¸ sondern lediglich Wächter¸ die die undankbare Aufgabe haben¸ die Welt durch eine traurige Methode am Leben zu erhalten. Allerdings muss man dazu erwähnen¸ dass die Grenze bei einigen der Götter SEHR unklar ist und man durchaus mal einen Psychotest durchführen lassen könnte. So verlangt die Liebesgöttin¸ Xochiquetzal¸ beispielsweise die Flagellation einer Jungfrau an Feiertag. Die Götter sind übrigens durchweg chaotisch gut¸ wobei man sich hier¸ wie gesagt¸ streiten kann¸ ob das wirklich so richtig ist.
Das Buch behandelt dann die Tiefen der aztekischen Ansichten und ihren Lebensstil. Obwohl es nämlich verschiedene Klassen¸ Sklaven¸ Gemeine¸ Adlige und Priester gibt¸ kann jeder in jede Klasse auf- bzw. absteigen. Aber das Leben ist streng und hart. Adlige müssen ihre Klasse mehr beweisen als Gemeine und bei Vergehen irgendwelcher Art ist die Bestrafung zumeist der Tod. Ob das der richtige Ort für einen Abenteurer ist¸ sei dahin gestellt.
Es folgt ein Kapitel über Geographie¸ in dem neben den Landgebieten besonderes Augenmerk auf die Städte Tenochtitlan¸ Oaxaca und Cholula gelegt wird. Sie alle werden mit einer guten Portion örtlichem Flair dargestellt und geben tolle Einblicke in die Lebenswelt.
Das letzte Kapitel hält Abenteuerideen und -ansätze bereit.
Meiner Meinung nach besonders schön ist die Sparsamkeit was die neuen Klassen angeht¸ denn anders als in vielen anderen d20-Büchern finden sich hier nur zwei neue Grundklassen: der Schamane und der Nagual. Der Schamane ist ja bereits aus anderen Regelwerken bekannt und stellt daher auch keine wirkliche Neuheit dar. Er ist halt der göttliche Zaubernde¸ der ziemlich abseits der wirklichen Welt steht und daher auch nicht wirklich spielbar oder von Interesse ist. Der Nagual hingegen ist eine wirklich spannende Erfindung. Es handelt sich um eine Art des Zauberers¸ der die Welt als eine Illusion betrachtet und seine Kräfte nutzt¸ um diese Illusion zu durchbrechen. Seine Magie kann es sogar bewirken¸ dass ein Würfelwurf erneut gemacht werden kann. Der Haken der mit dem Nagual verbunden ist¸ dass er außerhalb der Spielbalance zu stehen scheint¸ denn die Wert sind einfach zu gut¸ um sich wirklich einfügen zu können. Er zaubert wie ein Zauberer¸ würfelt seine Treffer mit einem W8¸ bekommt vier Fertigkeitspunkte pro Stufe und sein Basisangriffswert steigt wie der eines Priesters oder Spitzbuben. Meine Empfehlung wäre¸ ihn in eine Prestigeklasse zu verwandeln.
Prestigeklassen hat das Buch natürlich auch parat¸ aber zum Glück auch nur zwei: die Adlerkrieger und die Jaguarkrieger. Während die Adler so etwas wie heilige Krieger sind (in der aztekischen Definition von heilig)¸ die einem strengen Ehrencodex folgen¸ sind die Jaguare eher so etwas wie heilige (s.o.) Assassinen. Sie ähneln den Ninjas ein wenig.
Dann folgen ja normalerweise die Feats¸ Sprüche¸ Artefakte und Monster¸ die aber in diesem Buch leider nicht wirklich erwähnenswert sind¸ weil es keine großartigen Neuerungen gibt¸ wenn man mal von Chihuahua als Monster absieht!
Die Nachteile des Buches sind leider an vielen Ecken zu merken¸ denn leider gibt es weder eine Karte Mexikos noch Hilfen zu den aztekischen Namen - wie spricht man die aus. Aufgrund der Kürze des Buches (64 Seiten) konnte auch leider die Geschichte der Azteken nur recht kurz behandelt werden¸ so dass die anderen wichtigen Völker für die Azteken vollkommen unter den Tisch vielen und die Mayas¸ die Zapoteken und die Teotihuakans gar nicht erst erwähnt werden und selbst die Tolteken nur einen kurzen Absatz bekommen.
Man muss dem Buch zugute halten¸ dass die Kultur der Azteken für das Rollenspiel wirklich gut und leicht übernehmbar präsentiert wird und das es sich recht gut auch in anderen Systemen verwenden lassen dürfte. Dennoch fehlt zuviel¸ um wirklich eine Kampagne hier im aztekischen Mexiko stattfinden lassen zu können. Abschließend ist das Buch also leider schlechter als 'Nile Empire: War in Theopolis'¸ weil es sich nicht auf eine Stadt bzw. einen engen Bereich konzentriert¸ sondern versucht¸ alles abzudecken¸ was in einem kurzen Buch einfach nicht möglich ist. Ich denke allerdings¸ dass es in Kombination mit einigen älteren TSR Regelwerken durchaus gut anwendbar sein dürfte¸ nur alleine nützt es halt wenig.
Eine Rezension von: munchy