A Magical Medievial Society: Western Europe (d20)
Manchmal verstecken sich Bücher in den Tiefen meines Regals¸ so daß man bisweilen erstaunt nach einem Buchrücken greift¸ den man schon vor vielen Monaten dort abgestellt und fast vergessen hat. Ich glaube nicht¸ daß dieser Band in Vergessenheit geraten sollte - ganz im Gegenteil möchte ich Euch ermuntern¸ vielleicht mal einen prüfenden Blick hinein zu werfen¸ wenn ihr das nächste mal im Rollenspielladen Eueres Vertrauens steht. Oder folgt mir auf diesen kleinen Ausflug durch 146 Buchseiten voller englischem Text.
Bereits als mich A Magical Medivial Society: Western Europe (AMMSWE) vor mehr als einem halben Jahr erreicht hat¸ war der Band in Übersee eine kleine Legende¸ preisgekrönt und vielgelobt. Ein Schelm der vermutet¸ der Text "No new spells¸ No new feats¸ No new classes¸ 100% Open" auf dem Buchrücken hätte sich zur Abschreckung der D20-System-Gemeinde geeignet.
Im Gegenteil ist diese Aussage wohl eher ein Lockruf gewesen¸ denn AMMSWE ist kaum mit dem üblichen D20-System-Einerlei zu vergleichen¸ wo auf immer die gleiche Art und weise versucht wird¸ das recht ausgewogene Dungeons&Dragons durch teils haarsträubende Erweiterungen zu verwässern.
Aber AMMSWE liefert auch keine Spielwelt im eigentlichen Sinne¸ sondern eher ein Sammelsurium von Ideen¸ wie sich mehr mittelalterliches Flair in eine bereits bestehende Fantasy-Spielwelt einbringen läßt. Das Buch stellt¸ wie der Titel schon andeutet¸ einen Leitfaden dar¸ wie man Mittelalter und Magie am Besten unter einen Hut bringen kann.
Dazu widmet sich der Band den typischen europäischen Gesellschaftsstrukturen im Mittelalter. Erklärt die Funktion und den Aufbau einer typischen Länderei¸ wo der Gutsbesitzer wie ein Regent über ein mehr oder weniger großes Reich aus Untergebenen regiert. Im Gegenzug für zahlreiche Steuern und Pachtabgaben¸ sorgt der Gutsbesitzer für die Rechtsprechung und die Verteidigung des Landes.
Die nächste Ebene ist das Zusammenspiel mehrerer Ländereien¸ z.B. unter einem gemeinsamen König oder Kaiser. Hier glänzt der Band durch Fallbeispiele zur Rechtsprechung¸ die gerade auch im Bereich von Todesfällen unter Adeligen sehr interessant zu lesen sind.
Natürlich widmet sich der Band auch den "einfachen Leuten"¸ die etwa 95% der Bevölkerung stellen und für die Erzeugung von Nahrung und Nutzgütern verantwortlich sind.
Ein wichtiges Thema sind hier die Gilden¸ deren Spektrum von Handwerks- und Handelsgilden um die Magiergilde erweitert wird. Neben der Motivation zum Beitritt einer Gilde wird auch deren Aufbau und Einfluß auf das alltägliche Leben¸ eine Stadt und die Politik umrissen.
Weitere Hauptthemen sind der Aufbau einer mittelalterlichen Stadt¸ die klerikalen Strukturen und wie sich diese mit dem Pantheon aus D&D in Einklang bringen lassen und zu guter Letzt die Planung und Kalkulation eines ganzen Königreiches.
Alles in allem bietet A Magical Medivial Society: Western Europe einen riesigen Haufen Informationen zum Thema Mittelalter¸ damit ein Spielleiter seine Spielwelt entsprechend modifizieren bzw. glaubhaft durchplanen kann. Durch die allgemeine Natur der Informationen über mittelalterlich-europäische Gefüge¸ kann der Band nützlich für jede existierende Fantasy-Spielwelt sein - schließlich orientieren sich die meisten davon ohnehin grob am europäischen Mittelalter. Und obwohl Dungeons&Dragons bzw. das D20-System im Mittelpunkt der Überlegungen stehen¸ ist der Großteil der Informationen systemunabhängig.
Technisches
Neben einem netten Zierrahmen¸ enthält der Band eher einfach anmutende Holzschnitte die mittelalterliche Szenen darstellen und Ornamente. Ich kann mir vorstellen¸ daß hierfür ausnahmslos copyrightfreie Zeichnungen aus alten Büchern verwendet wurden. Wie zum Ausgleich finden sich dafür viele gut geschriebene Texte mit durchdachten Inhalten. Dazu gibt es Tabellenmaterial¸ das eine gute Übersicht über typische Preisstrukturen¸ Demographie¸ Straftat/Bestrafung-Systeme uvm. gibt.
Insgesamt ein gut konsumierbarer Band¸ wenn auch gestalterisch kein Meisterwerk.
Fazit:
A Magical Medivial Society: Western Europe richtet sich an Spielleiter¸ die mehr "europäisches Mittelalter"-Flair in ihre Kampagne bringen wollen¸ ohne dafür viele vermeintlich langweilige Geschichtsbücher zu wälzen. Obwohl sich der Band nur am Rande mit dem D20-System beschäftigt¸ können die zwischendurch immer wieder mal vorkommenden regeltechnischen Hinweise viel Denkarbeit ersparen.
Wer sich von der eher nüchternen Aufmachung nicht abschrecken läßt¸ bekommt für sein Geld sehr gutes Rollenspielmaterial¸ das auf angenehme Weise aus dem D20-Einerlei herausragt.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de