New Eden
Mit New Eden halte ich zum einen mein erstes kommerzielles Cthulhu-Abenteuer in der Hand und zum anderen ist es für mich meine Premiere des OMEN-Verlages.
Meine Spannung vor dem Lesen des Abenteuers war also nicht ganz unbegründet und meine jüngst vergangene Bus-Tour nach Prag bot während der Fahrt genügend Zeit.
Die Vorgeschichte von New Eden beginnt 1867 auf dem sudafrikanischen Kontinent und handelt von den Interessenkonflikten der weißen Kolonialherren (bzw. Besatzungstruppen) untereinander - hier im speziellen von Konflikten zwischen den Buren (Oranje-Freistaat) und dem britischen Königreich¸ die sich um die Rechte an den ertragreichen Diamantengebieten einig werden mußten. Großbritannien wollte eine Vormachtsstellung und damit auch eine Eigenständigkeit der Buren auf keinen Fall akzeptieren. Stark verkürzt endete das Ganze schließlich in einem blutigen Konflikt zwischen den verfeindeten Truppen. Die Buren unterlagen bei größeren Konflikten¸ setzten jedoch den englischen Truppen mit ihrer - schwer greifbaren und von Zivilisten geschützten - Guerillataktik arg zu¸ so daß schließlich (im Jahr 1900) die Buren durch die Übermacht der Briten systematisch gefangen und in sogenannten Sammellagern konzentriert wurden. New Eden ist der Name eines dieser Sammellager in denen die Buren in größter Not eingepfercht leben müssen. Die Gefangenen werden zur Zwangsarbeit herangezogen oder harren unterernährt und medizinisch kaum versorgt in Notunterbringungen hinter Stachedraht aus.
In New Eden erweisen sich die Buren als billige Arbeitskräfte um den Betrieb einer alten Diamantenmine wieder aufzunehmen.
Soweit ein wirklich grober Einblick in die Vorgeschichte¸ die im Band wesentlich ausführlicher niedergeschrieben wurde.
Typen
Es mag dem Spielleiter auf Anhieb etwas schwierig erscheinen in diese Konstellation überhaupt seine Charaktere sinnvoll einzubauen¸ aber der Autor weiß Abhilfe und präsentiert vier spielfertige Beispielcharaktere:
- Dazu gehört ein Arzt¸ der im Auftrag einer humanitären Organisation die Zustände in einigen Sammellagern überprüfen soll¸ weil Gerüchte über verwahrloste Frauen und Kinder in Großbritannien die Runde machen.
- Ein Künstler hat in dem Lagerkomandanten einen persönlichen Gönner¸ der ihn für eine Auftragsarbeit engagiert.
- Ein Agent¸ der beauftragt wird ein deutsches Ehepaar aus dem Sammellager New Eden zu befreien.
- Und ein Journalist dessen Handeln allein durch einen regen Drang nach einer guten Story geleitet wird.
Die Charaktere werden im Verlauf ihres Aufenthaltes mit allerlei menschlicher Bestialität konfrontiert - und diesen Satz meine ich fast als Warnung¸ denn die ein oder andere Episode in diesem Abenteuer mag vielleicht nichts für Zartbesaitete sein - vor allem wenn der Spielleiter zu sehr lebhaften Beschreibungen neigt. Nichts ist halt so schrecklich¸ wie die Realität. Ich würde demzufolge New Eden auch eher als Abenteuer für etwas ältere Spieler empfehlen¸ die auch mit etwas härteren Situationen zurechtkommen.
Anforderungen
Das Abenteuer selbst besteht wesentlich aus der Interaktion von Charakteren und Nichtspielerfiguren¸ wohlüberlegten Nachforschungen und einer guten Wachsamkeit. Gerade das strenge Gefüge eines Konzentrationslagers mit strafer Militärführung erfordert von den Spielern schon eine gewisse Überlegtheit¸ die Ausrutscher nicht so leicht verzeiht - auch wenn es sich bei den Charakteren nicht um Gefangene handelt.
Aufbau
Nach der Vorgeschichte und der Vorstellung der potentiellen Charaktere geht der Autor die Gebäude Raum für Raum durch und schiebt immer wieder einmal die Beschreibung eines Nichtspielercharakters ein¸ der typischerweise an diesen Orten anzutrefen ist. Einerseits fügen sich diese Beschreibung ganz gut in den Textfluß ein - andererseits erschwert diese Art der Beschreibungen das spätere Auffinden von Einzelinformationen¸ was sich meist durch eine Konzentration im Anhang vermeiden läßt.
Nach den Gebäudebeschreibungen folgt noch die Beschreibung des typischen Lageralltags und parallel dazu der mögliche Verlauf der Handlung. Im Anhang finden sich zum einen die Handouts für die Spieler¸ wie auch Grundrißpläne¸ bei denen jeweils eine zusätzliche 'kleine Version mit Zahlen' hinzugefügt wurde¸ die den Textbezug sichert ohne die großen Karten als Spielerhandout unbrauchbar zu machen.
Cthulhu
Bei New Eden wurde der Mythos gebührend eingewebt. Zwar bildet er nur eine Facette der schrecklichen Geheimnisse um New Eden - aber mehr Tobak sollte ein Cthulhu-Abenteuer meines Erachtens wirklich nicht aufbieten.
Da sich die Handlung nicht nur um den Mythos dreht eignet sich New Eden auch ausgezeichnet für andere Systeme¸ die Call of Cthulhu ähnlich¸ bzw. in dieser Zeit (1901) spielbar sind (z.B. Midgard 1880).
Technische Ausführung
Wie man leicht sieht¸ macht das Titelbild des Abenteuers und damit auch das stabile Softcover des Abenteuers einen recht guten Eindruck. Leider setzt sich dieser Eindruck im Inneren - und dort vor allem beim Layout in keiner weise fort. Im Prinzip ist jede Seite vierspaltig gehalten¸ wobei die jeweils äusserste Spalte durch ein recht unansehnliches Ornament gefüllt wird. Dieses Ornament stellt ein Geflecht aus Stacheldraht und Pflanzenteilen dar¸ was durchaus zur geschichte passen würde - leider läßt die Qualität der Zeichnung nur auf mangelndes Talent oder allzu große Eile schließen (ggf. auch Unfähigkeit beim Scannen).
Die verbleibenden drei Spalten erscheinen mir für den gewählten (angenehm großen!) Schriftsatz viel zu eng und so kommt es allerorten zu unansehnlichen Worttrennungen und (durch den Blocksatz) zu größeren Lücken in einer Zeile. Dummerweise wird dieser Effekt auf einigen Seiten noch durch äußerst ungünstig angebrachte Illustrationen verstärkt ("Einwortspalten").
Die Illustrationen bestehen aus alten Photographien¸ Zeichnungen und Kartenmaterial¸ die möglichst textbezogen eingebaut wurden.
Leider konnte mich (wie das Ornament) auch das handgemalte Kartenmaterial nicht sonderlich begeistern. Zwar gefiel mir die Idee mit der Trennung zwischen Grundriß/Zahlen und Vogelperspektive/Details sehr gut¸ aber wieder einmal war die Qualität der Zeichnungen eher 'fannisch'.
Insgesamt sorgt vor allem das insgesamt schwache Layout und einige Rechtschreibfehler dafür¸ daß der technische Gesamteindruck nicht zufriedenstellen kann. Sicherlich der Schwachpunkt dieses Bandes.
Fazit:
New Eden bietet etwas härteren Tobak für Spielgruppen¸ die sich ins Jahr 1901 wagen wollen um vielleicht dem unmenschlichen Treiben in den sudafrikanischen Sammellagern ein Ende zu bereiten oder auch ganz andere Dinge aufzudecken und zu vereiteln.
Wäre nicht die teils miserable Qualität des Layouts und der meines Erachtens zu hoch angesetzte Verkaufspreis von ca 30.-DM¸ so fiele es mir leicht für die Zielgruppe eine Empfehlung auszusprechen... wer New Eden allerdings irgendwo zwischen 15.- bis 20.-DM bekommt¸ sollte zugreifen.
Beibt für mich zu hoffen¸ daß sich die Leute von OMEN beim nächsten mal wesentlich mehr Mühe beim Layout geben¸ denn der Inhalt ist gut und hat mehr verdient.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de