Deutschland - Blutige Kriege & Goldene Jahre
Der Inhalt
Die 20er Jahre in Deutschland. Der verlorene Erste Weltkrieg wirft noch immer seinen Schatten¸ die junge Weimarer Republik ist innerlich zerrissen¸ Schauplatz dauernder Unruhen und politischer Kämpfe und von Reparationen¸ Inflation und Weltwirtschaftskrise gebeutelt - das alles zusammen führt letztendlich zur Diktatur der Nazis¸ dem Zweiten Weltkrieg und unendlichem Leid für Europa und die Welt.
Und doch tragen die 20er Jahren den schönen Titel "Die goldenen Zwanziger". Eine schillernde Episode deutscher Geschichte¸ die schon Schauplatz vieler Cthulhu-Abenteuer war und nun mit dieser Mega-Box endlich das passende Hintergrundwissen bekommt.
Das Ganze verteilt sich auf zwei Bände: der erste bietet auf knapp 250 Seiten eine sehr ausführliche Hintergrundbetrachtung der Weimarer Republik¸ wäre Band 2 halb so dick ist und drei fertig ausgearbeitete Abenteuer sowie eine Menge Abenteueranregungen enthält.
Aber fangen wir mit dem Hintergrundband an¸ "Blutige Kriege und Goldene Jahre". In diesem Buch wird dem Leser ein kompletter Überblick über die Geschichte als auch über das tägliche Leben im Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen geboten - und natürlich kommt auch Übernatürliches und der Mythos nicht zu kurz¸ ist ja klar.
Das Buch beginnt natürlich mit einem Vorwort (geschrieben von Steffen Schütte)¸ das auch gleich als kurzer zeitlicher/geschichtlicher Überblick dient. Danach wird die Weimarer Republik in allen Facetten vorgestellt¸ angefangen mit der Erklärung der "Dolchstoßlegende"¸ die ein wichtiger Faktor für das Scheitern der Republik war¸ fühlten sich die Deutschen doch von den Politkern um den sieg im Ersten Weltkrieg betrogen und zu einem nachteiligen Friedensvertrag gedrängt. Das Buch schlägt dann einen Bogen zu den Freikorps¸ der Besetzung des Ruhrgebiets durch Franzosen und Belgier und erste Putschversuche. Die Texte lesen sich interessanter als in manchen Geschichtsbuch und vermitteln unheimlich viel Hintergrundwissen und schaffen es¸ die Stimmung in den 20er Jahren zu transportieren.
Bereits auf den ersten Seiten wird die inhaltliche Qualität des Buches deutlich¸ ein Eindruck¸ der sich mit jeder gelesenen Seite verfestigt. Pegasus hat es geschafft¸ das Lebensgefühl der Weimarer Republik einzufangen und für den Leser fesselnd aufzubereiten. Nach dem geschichtlichen und politischen Informationen (die vielen bereits bekannt sein dürften) folgen Kapitel¸ die sich um das tägliche Leben in der Zeit drehen und aufzeigen¸ wie der "normale" Bürger lebte¸ arbeitete und feierte. "Wirtschaft"¸ "Reise & Verkehr" oder "Lust & Laster" sind nur einige der Kapitel¸ die wirklich jeden Aspektes des Lebens abdecken und zusammen ein detailliertes Bild der Goldenen Zwanziger im Kopf des Lesers entstehen lassen. Natürlich reicht das für einen Mythosjäger aber nicht aus¸ deshalb gibt"s noch zwei Kapitel nur für ihn¸ nämlich "Okkultes" und "Von finsteren Kulten und dunklen Dämonen"¸ welche sich mit übersinnlichen¸ übernatürlichen oder einfach nur fremdartigen Phänomenen¸ Plätzen und Kulten im Deutschland zwischen den Kriegen beschäftigen. Man liest es und ist erstaunt¸ wie viele mysteriöse Plätze es in Deutschland gibt¸ die sich allesamt hervorragend in Abenteuer einbauen lassen. Zwischendrin gibt es immer wieder kleine Legenden und Abenteueraufhänger¸ die Stoff für so einige Abende bieten.
Das letzte Kapitel hat den schlichten Titel "Spielhilfen"¸ in dem man eben jene Sachen findet. Neue Berufe¸ ein Verzeichnis von Tageszeitungen und Bibliotheken¸ Namenslisten und vieles mehr.
"Tempus Fugit" ist der Titel des zweiten Bandes¸ der drei fertig ausgearbeitete Abenteuer und jede Menge Anregungen für weitere Abenteuer enthält.
Im ersten Abenteuer wachen die Charaktere ohne Erinnerung an die letzten Jahre auf einer Waldlichtung auf und werden kurz darauf angegriffen. Was mit ihnen passiert ist¸ was für ein mysteriöses Lichtwesen sie angriff und was das mit alten Orden auf sich hat¸ versuchen sie in den Weiten Mecklenburgs zu ergründen.
Die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen von 1923 bis 1925 bietet den Hintergrund für das zweite Abenteuer¸ in dem die Investigatoren einen Mord an einem Bergmann und seiner Familie aufklären. Wobei recht schnell deutlich wird¸ dass es etwas mit der Arbeit im Bergwerk zu tun und einem mysteriösen Fund¸ den die Männer unter Tage gefunden haben. Etwas Uraltes erwacht langsam….
Eine Heirat in München ist sicher Anlass für eine nette Party - aber was¸ wenn während der Feier jemand ermordet wird? Die Spieler machen sich an die Aufklärung des Mordes und stoßen dabei auf eine Möglichkeit¸ ewige Jugend zu erlangen.
Und endlich gibt es in einem Cthulhu-Band auch einmal Abenteuerideen¸ die sich mit ein wenig Arbeit leicht zu kompletten Abenteuern ausbauen lassen. Also so eine Art Denkanstöße¸ die den Spielleiter Anregungen für eigene Abenteuer bieten und mal mehr¸ mal weniger detailliert ausgearbeitet sind. Klasse Idee!
Die Aufmachung
Die Box kommt als stabiler Karton daher¸ der neben den beiden Büchern noch eine historische farbige Karte und ein Reiseführer bietet¸ die beide sehr authentisch wirken und liebevoll aufgemacht sind. Die Bücher selbst erfüllen wie gewohnt den hohen Pegasus-Standard und können mit zeitgenössischen Fotografien¸ historischen Bildern und gelungenem Layout aufwarten. Gerade der 250-Seiten-Wälzer stellt so manches Geschichtsbuch in den Schatten¸ von der Aufmachung wie von der Qualität des Inhalts. Die gesamte Box erfüllt lockern die Erwartungen¸ die ich an sie hatte.
Das Fazit
Ich bin ein wenig gespalten. Einerseits ist die Box ein Muss für jede CoC-Runde¸ die in Deutschland spielen will¸ andererseits mit 45€ ein wenig teuer. An der Qualität gibt es nichts zu meckern und zu rütteln¸ sowohl der Hintergrundband als auch die Abenteuer sind echte Perlen und lohnen die Investition¸ aber bei fast 100 Mark für eine Box hätte ich früher nicht einmal überlegt¸ sie zu kaufen¸ sondern sie einfach ignoriert und gehofft¸ sie irgendwann mal gebraucht zu bekommen. So geht"s mir heute auch¸ 45€ ist einfach eine Menge Holz. Man bekommt eine Fülle an Informationen und kann einer Kampagne in den Goldenen Zwanzigern sehr viel Leben und Detailreichtum einhauchen (und ist mit den Abenteuern lange beschäftigt)¸ aber der Preis ist echt hart an der Schmerzgrenze.
Eine Rezension von: Lars Heitmann