Cthulhu Spielerhandbuch
Den deutschen Cthulhu-Spielern geht es momentan richtig gut. Obwohl das Fine Horror Rollenspiel nie wirklich unbeliebt war - quasi jeder Rollenspieler kann irgendwas mit den Namen H.P. Lovecraft und Cthulhu Mythos anfangen - war dem Rollenspiel seit dem Dahinscheiden von Laurin¸ in Deutschland keine allzu gute Marktpräsenz mehr beschert. Klar¸ man kannte es¸ aber wer spielte es?
Irgendwas habe die Redaktionen um Wolfgang Schiemichen und nun Frank Heller wohl richtig gemacht¸ denn Cthulhu befindet sich in der Spielergunst auf einem Aufstieg¸ dessen Spitze jetzt noch nicht absehbar scheint. Den guten Verkäufen zum Dank war es auch notwendig¸ über eine Neuauflage der Grundregeln nachzudenken. Und als wenn die bereits hoch gelobte letzte Pegasus-Version nicht schon ein Meilenstein gewesen wäre¸ hat man sich mit einer simplen Neuauflage nicht abgefunden: statt einem Grundregelband gibt es nun zwei¸ statt 340 Seiten sind es nun 600... die allerdings den Einstieg auch auf 60 Euro statt vormals 35 Euro verteuern.
Sicherlich ein Grund für viele zu Stöhnen¸ die sich vielleicht gerade erst das "alte" Regelwerk gekauft haben¸ aber zum einen sind beide Ausgaben kompatibel und zum anderen bedeutet der Neukauf fast 50% zusätzliche Informationen.
Zudem macht wohl bei kaum einem Rollenspiel die allgemein übliche Trennung zwischen Spielleiter und Spielerinformationen mehr Sinn als bei Cthulhu... immerhin ist eine gewisse Unwissenheit in Bezug auf die übernatürlichen Geheimnisse vor allem dem Spielspaß dienlich.
Da die inhaltliche Trennung der Bände auch eine Trennung der Rezensionen sinnvoll macht¸ findet man hier im weiteren Verlauf die Rezensionen des Spielerhandbuchs und in der anderen Rezension meine Meinung zum Spielleiterhandbuch¸ die man sich aber besser nur als zukünftiger Spielleiter durchlesen sollte.
Das Spielerhandbuch
Irgendwie sind Cthulhu-Spieler wohl allesamt ein klein wenig bibliophil... zumindestens die Spielleiter. Da ich selbst ein leidenschaftlicher Freund von qualitativ hochwertigen Hardcovern bin¸ durchfährt mich beim Durchblättern dieses Bandes ein wohliger Schauer¸ denn nicht nur daß Äußere des Bandes gehört in seiner Aufmachung zum "Stand der Dinge"¸ auch das schwarzweiße Innere braucht sich nicht vor der Konkurrenz zu verstecken. Eine saubere Bindung und ein Lesebändchen¸ sind die Dinge¸ die das Lesen noch zusätzlich versüßen.
Da es sich bei Cthulhu um ein Horror-Rollenspiel handelt¸ bei dem alte Bücher eine große Rolle spielen¸ ist das oft düstere Layout mit Seiten im Pergamentlook und angekokeltem Blattrand sehr stimmungsvoll. Lange Textpassagen werden durch dunkle abgesetzte Zusatzinformationen und einige Zeichnungen und viele Photographien aufgelockert¸ die das Alltagsleben in den 20'er Jahren und auch ein wenig die düstere Atmosphäre des Mythos vermitteln sollen.
Ganz ähnlich wie bei bislang erschienenem Quellenmaterial zu Deutschland¸ erhält der Spieler einen sehr dicht gewebten Teppich aus Informationen präsentiert¸ der optimal dazu geeignet ist¸ um sich auf das Leben in den 20'er Jahren einzustimmen. Das Wälzen trocken geschriebener Geschichtsbücher kann man sich hiermit eigentlich sparen und die Stimmung im Spiel dürfte davon sehr profitieren.
Anders als in den anderen Cthulhu-Quellenbänden sind diese Informationen aber sehr wenig mit dem Cthulhu Mythos belastet... ein Band für Spieler eben.
Neben den Informationen zum Alltag in den "Goldenen Zwanzigern" (vor allem Amerika¸ aber auch Deutschland und dem Rest der Welt)¸ den typischen Berufen¸ Ausrüstungsgegenständen¸ Werkzeugen¸ Fahrzeuge und Waffen erfährt man natürlich auch wie man einen Cthulhu Charakter erschafft¸ die grundlegenden Regelmechanismen (Kampf¸ Anwendung von Fertigkeiten etc.) und bekommt Informationen über das nicht ganz unwichtige Attribut "geistige Stabilität" - und vor allem was passieren kann¸ wenn man davon zu viel verliert. Wer mehr zu den Regeln lesen möchte¸ lese sich bitte meine Rezension zur letzten Cthulhu-Ausgabe durch.
Auf 30 Seiten am Buchende findet man viele sinnvolle Dinge wie einen Index¸ Preislisten¸ mehrere Charakterblätter (für 1890¸ 1920 und heute)¸ Werte- und Waffentabellen usw. Damit läßt sich auch recht gut ein SL-Schirm basteln.
Als sehr sinnvoll erachte ich das Beispiel einer Cthulhu-Spielrunde¸ das die enthaltenen grundregeln einmal "in der Praxis" verdeutlicht und dem Leser eine Möglichkeit gibt¸ seine Regelkunde zu testen.
Über Sinn und Unsinn des ebenfalls enthaltenen Soloabenteuers "Schatten über Arkham" läßt sich allerdings trefflich streiten. Zum Guten kann man halten¸ daß ein absoluter Rollenspiel-Einsteiger (und das sind neue Spieler ab und zu) durch die 20 Seiten¸ ein Gefühl davon bekommen können¸ was das Flair von Cthulhu ausmacht. Auf der anderen Seite sind für diesen "kleinen Ausflug" 20 Seiten des Bandes (knapp 10%) geopfert worden und ich persönlich bin kein besonderer Freund von Soloabenteuern.
Fazit:
Ich glaube hiervon haben zuvor viele Cthulhu-Spielleiter schon einmal geträumt: ein Cthulhu-Regelband¸ den man seinen Spielern ohne verplombte Seiten nach Hause mitgeben kann.
Auch muß ich nach dem Lesen des Bandes gestehen¸ daß ich über die Goldenen Zwanziger eigentlich bislang gar nichts wußte... Wer Cthulhu um 1920 herum spielt¸ macht keinen Fehler diesen Band unter seinen Spielern kursieren zu lassen. Die dichtere Spielatmosphäre wird es belohnen.
Darum kann ich nur ein Urteil fällen: eine exzellente Arbeit¸ die sich zudem für den Mut auszeichnet¸ einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de