Buch der Reisenden
Câmelot ist ein Rollenspiel aus deutschen Landen und wird im Eigenverlag Pandora Games herausgegeben. Die High Fantasy-Spielwelt Erea bietet alles was man erwartet: Elfen¸ Zwerge¸ Trolle¸ Drachen und Magie - hier fallen grundlegende Anleihen an den Herrn der Ringe auf. Câmelot wird seit 1984 entwickelt und befindet sich mit der Veröffentlichung des Reisenden-Bandes¸ bereits in der dritten Version. Die Rollenspiel-Herkunft der Autoren läßt sich in der Spielwelt und den Regeln recht deutlich erkennen. Das Regelwerk wird nur aus dem Buch der Reisenden und dem Buch des Erzählers mit je ca. 150 Seiten bestehen und sollte daher recht übersichtlich bleiben - angenehm für Rollenspiel-Einsteiger. Dieser Vorteil wird jedoch durch das angebotene System etwas getrübt¸ das viele Dinge komplex reglementiert. |
Auf der anderen Seite muß ein Fantasy-Rollenspiel sich auch gegen eine Unmenge direkter Konkurrenz durchsetzen - und da das Fantasy-Genre von einer handvoll richtig weit verbreiteter Systeme dominiert wird¸ erscheint es mir zumindest als Wagnis - meinen Respekt vorab für den dargebotenen Mut. Die Autoren von Câmelot sollten aber - im Sinne der Etablierung - schon ein besonderes Konzept¸ eine innovative Idee oder ähnliches¸ zu bieten haben¸ um sich gegen die Konkurrenz zu behaupten.
Mit diesem Gedankengang las ich mir bereits im November 2001 die erste Ankündigung dieses neuen Rollenspiels durch. Als zum Jahresbeginn ein sauber verpacktes Paket bei mir eintrudelte zeigte ich mich vom enthüllten Inhalt auch spontan begeistert¸ denn die Aufmachung ist in der Tat sehenswert: Edles Hardcover in dunklen Tönen gehalten¸ auf dem die Silberfarbe sehr gut zur Geltung kommt. Recht dickes Seitenpapier von erstklassiger Qualität und mit sehr gutem Druck. Auch Schriftbild und Illustrationen erweckten einen sehr angenehmen Eindruck¸ der den Preis von ca. 30 Euro zu rechtfertigen scheinen.
Etwas Ernüchterung trat jedoch ein¸ als ich mich dem eigentlichen Textinhalt des vorliegendenen Buchs Câmelot - Buch der Reisenden widmete. Nach nur zwei Seiten mit einem knappen Vorwort und der obligatorischen Einleitung in die Thematik Rollenspiel¸ wird man direkt an die Charaktererschaffung weitergeleitet¸ die auch die nächsten 20 Seiten dieses Buches einnimmt.
Charaktererschaffung
Vielleicht habe ich mittlerweile wschon zu viele Rollenspiele kennengelernt¸ aber das vorgestellte Konzept erinnerte mich nur allzu stark an weitaus bekanntere Vertreter dieses Genres. Irgendwie kann ich mich auch des Eindrucks nicht völlig erwehren¸ daß Rollenspiele wie Rolemaster bzw. MERS¸ Midgard oder AD&D hier Pate gestanden haben - und in meinen Augen - und über Geschmack läßt sic hbekanntlich streiten - scheint man sich aber nicht nur an den besten Stücken dieser Rollenspiel orientiert zu haben.
Ich will mal ein wenig von der Materie vorstellen¸ damit der geneigte Leser einen Eindruck gewinnen kann.
Ein Câmelot-Charakter besteht aus drei Haupteigenschaften (Kraft/Ausdauer/Geschicklichkeit) und sechs Nebeneigenschaften (Gehör¸ Sehen¸ Gedächtnis¸ Selbstbeherrschung¸ Reaktion¸ Sympathie). Erstere werden mit 2W6 und Letztere mit 1W6+2 ermittelt. Zusammen mit acht weiteren Basiswerten (wie z.B. Lebens- und Zauberkraft¸ Angriff und Verteidigung) sind zum einen eine ganze Menge Würfe oder Berechnungen erforderlich. Gerade die Würfe bringen jedoch jede Menge Zufall in die Charaktererschaffung und sind meiner Ansicht nach eher für Neulinge interessant¸ die keine festen Vorstellung von "ihrem" Charakter haben - aus diesem Grunde haben mittlerweile auch meist sogenannte "Kaufsysteme" die Runde gemacht.
Im weitere Verlauf¸ entscheidet man sich für eine der vier spielbaren Völker "Mensch¸ Elb¸ Zwerg oder Ork". Wer sich über eine angenehm kurze Charaktererschaffung gefreut hat¸ wird auf den kommenden Seite anders belehrt. Auf weiteren 14 Seiten findet sich nicht nur eine übersichtliche Auswahl an Lehren (=Klassen. Ritter¸ Kämpfer¸ Hexe oder Zaubererer)¸ sondern zudem ein weiterer Pulk an Spielwerten¸ die wiederum anhand von Würfen aus 14 kleinen Tabellen (z.B. Körpergewicht¸ Alter¸ Psychosen¸ Herkunft¸ ...) oder drei recht unübersichtlichen Formeln ermittelt werden müssen. Ein Beispiel:
= ((Fluchtwertbasis + Ausdauer) durch vier geteilt)
& mit tausend mal genommen
((Fwb + As)/4) * 1.000
Die Völker/Lehren-Kombinationen¸ sowie auch einige Namen (z.B. Sprachen)¸ erinnern an das Mittelerde Rollenspiel¸ was ich im aktuellen Herr der Ringe-Rausch positiv bewerten möchte. Allerdings sind mir die Beschreibungen nicht differentiert¸ sprich ausführlich genug. Ein Manko¸ das sich aber vielleicht mit mit dem noch erscheinenden Buch des Erzählers (Spielleiter-Handbuch) ändern mag.
Man muß entlastend anmerken¸ daß auch andere Rollenspiele eine solch umfangreiche und stark vom Zufall beeinflußte Charaktererschaffung anbieten und damit in der Vergangenheit recht erfolgreich waren. Wer jedoch grundsätzlich nicht schummelt¸ kann sich darauf einstellen mit einem ungeliebten Charakter spielen zu müssen oder die Charaktererschaffung öfter zu wiederholen.
Spielregeln
Die nächsten 55 Seiten beschäftigen sich mit den eigentlichen Spielregeln. Câmelot unterscheidet zwischen unterschiedlichen Proben für Haupt- und Nebeneigenschaften. Einmal wird mit 3W6 über 18 (möglichst hoch) gewürfelt und dann mal wieder mit 2W6 unter der Nebeneigenschaft (möglichst niedrig) gewürfelt. Angriff und Verteidigung dagegen werden mit 4W6 plus Wert über 20 ermittelt. Der Schaden wird über einen zur waffenspezifischen Trefferwurf (z.B. 1W6+3) ermittelt.
Der Rest der Regeln deckt eine Vielzahl von Spielsituationen ab¸ auf die einzugehen¸ den Rahmen der Rezension überschreiten würde. Auch hier wurden eine Vielzahl an Zusammenhängen in die Form von Tabellen verpackt¸ was aber nicht weiter störend wirkt. Überschlagen wir diese Kapitel¸ denn sie sind unvermeidlich und durchaus akzeptabel umgesetzt.
Erst auf Seite 82 folgen die Hinweise für Spieler und Spielleiter¸ Informationen zur Hintergrundwelt¸ bzw. zum Königreich Donegan und weitere Informationen zu den vier Völkern - genauer gesagt¸ ihren Besiedelungsgewohnheiten. Sicherlich ein interessantes Thema¸ auch wenn mich andere Aspekte mehr interessiert hätten.
Den Abschluß bilden ca. 20 Seiten Tabellenanhang (z.B. Bonustabellen¸ Zauberspruch- und Fertigkeiten-Listen)¸ 30 Seiten Abenteuer und ein doppelseitiges Charakterblatt.
Das Einsteigerabenteuer - wenn es auch meiner Ansicht nach nichts in einem Spieler-Handbuch zu suchen hat - orientiert sich am DSA-Stil und trennt deutlich Spieler- von Spielleiterinformationen und bietet Texte zum Vorlesen an. Ich denke mal¸ daß auch Neulinge keine allzu großen Probleme mit Vorbereitung und Spiel dieses Abenteuers haben sollten.
Fazit:
Wie eingangs erwähnt¸ findet ich die Aufmachung von Câmelot sehr ansehnlich. Auch ist Câmelot ein durchaus spielbares Rollenspiel. Jedoch muß es sich als "normales" Fantasy-Rollenspiel mit einer recht vielfältigen Konkurrenz vergleichen lassen.
Und genau hier sehe ich für Câmelot einen schweren Start voraus¸ da es sich cover- und namenstechnisch nicht direkt mit einem Top-Thema wie z.B. einem Film oder Roman verbinden läßt - es sei denn die Artus-Saga.
Vorausblickend befürchte ich¸ daß sich der Preis von 30 Euro nicht lange halten wird. Aller Qualität zum Trotz sind es doch nur 150 Seiten - und für die halte ich 30 Euro deutlich zu hoch angesetzt - ehrlich gesagt ist mir bislang überhaupt noch kein Hardcover-Regelwerk mit unter 180 Seiten begegnet... oh doch eines: mein AD&D Spieler-Handbuch von 1983. Na¸ wer weiß - vielleicht ist das ja ein gutes Omen!
Mein Ratschlag an Pandora Games umfaßt gleich zwei Dinge¸ eigentlich sind es wohl eher Bitten. Runter mit dem Preis¸ um überhaupt eine Basis für weitere Publikationen zu schaffen.
Euere Zielgruppe solltet ihr vor allem bei den Rollenspiel-Neulingen suchen - und auf die dürften 30 Euro abschreckend wirken.
Der zweite Wink geht in Richtung Zukunft¸ an der derzeit noch gearbeitet wird: Câmelot - Buch des Erzählers. Pandora Games dürfte gut beraten sein¸ hier noch einen mächtigen Haufen Quellenmaterial zur Spielwelt einfallen lassen - und vielleicht auch die ein oder andere dicke Überraschung¸ die Camelot dann deutlich von anderen Fantasy-Rollenspielen abhebt.
Aber hier geht es ja nicht nur um den Verlag¸ sondern auch um meine Empfehlung zu diesem Rollenspiel an den Leser.
Meine Empfehlung ist zweierlei: Rollenspieler die bereits einem der bekannten Fantasy-Systeme fröhnen¸ wird Câmelot kaum eine ggf. ersehnte Abwechslung bringen können.
Rollenspiel-Neulinge hingegen erhalten ein vor allem übersichtliches Fantasy-Rollenspiel¸ daß nicht so überfrachtet ist¸ wie die in der Regel 700seitige Konkurrenz. Wenn man gleich alles rosa sehen möchte¸ kann man auch sagen¸ daß die knappen Beschreibungen der Spielwelt Erea vor allem viel Raum für die eigene Phantasie lassen. Ein Umstand¸ der der allzu genau beschriebenen Konkurrenz ja häufig bemängelt wird.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de