Askalon: Das Buch der Regeln & Das Teskorische Reich
Damit das Spiel aber nicht zu vorhersehbar wird¸ überraschungen möglich bleiben und der Spielleiter seine Freiheit behält¸ verwendet 'Askalon' eine selbsterschaffene Welt¸ die der unseren zwar sehr gleicht¸ aber doch Abweichungen aufweist.
Die beiliegende Farbkarte verdeutlicht dies: Die Halbinsel Warangar im Norden ist sowohl an Umriß und Lage wie auch am Namen (Waräger) deutlich als Entsprechung Skandinaviens zu erkennen¸ die Insel Erin ist Irland¸ der Archipel Yamato ist Japan¸ der Subkontinent Chandragupta Indien usw.. Anderseits gibt es zwar mit Angelorien auch eine Anlehnung an England¸ doch liegt das Reich auf dem Festland¸ und Timor mit der heiligen Stadt Amadora vereinigt offenbar Italien und Spanien in sich. In Amadora residiert übrigens der Patriarch¸ der Stellvertreter von Bakur¸ des Sohnes Gottes. Bakurs Zeichen ist der Berg¸ auf dem er gesteinigt wurde¸ die Ritter der Bakuristenheit ziehen auf Bergzüge ins heilige Land - diese Mischung aus Vertrautem und Abweichendem hat schon ein eigenes Flair.
Im Regelwerk wird das Teskorische Reich vorgestellt: die Entsprechung des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation. Dabei erfährt man aber wenig über die Geographie¸ in erster Linie werden Sozial- und Herrschaftsstruktur des Hochmittelalters dargestellt¸ Ritterwesen¸ Kriegsführung¸ Religion usw.. Das Ganze liest sich wie Auszüge aus populärwissenschaftlichen Sachbüchern¸ was zugleich Lob und Kritik ist: 'Askalon' verläßt das Hollywood-Mittelalter der Fantasy¸ bleibt aber doch beim Schulstoff-Mittelalter stehen.
Einiges zu den Regeln: Sie machen einen durchdachten und eleganten Eindruck. Sie decken in kurzer Form recht große Bereiche ab¸ basieren größtenteils auf einem einfachen Würfelmechanismus und bieten doch einige Detailtreue. So stehen statt Charakterklassen 100 Berufe zur Verfügung¸ von denen aber jeder nur wenige Zeilen spieltechnische Angaben braucht. Das Kampfsystem ermöglicht das Erlernen spezieller Kampftechniken wie 'Rundumschlag' oder 'Deckungslücke suchen'¸ mit denen man Gefechte farbig gestalten kann. Daß die Positionen der Kämpfenden auf Häuschenpapier dargestellt werden sollen¸ bleibt Geschmacksache (meinen trifft es nicht). Gut geregelt ist auch das System der Persönlichkeitsmerkmale: Das sind zweipolige Eigenschaften wie 'ehrenhaft (skrupellos)¸ denen ein Wert zugewiesen wird. Je höher der Wert¸ desto stärker ist der erste Pol ausgeprägt. Die Werte können vom Spieler nach belieben festgelegt werden¸ aber auch vom Spielleiter der effektiven Darstellung der Figur durch den Spieler angepaßt werden.
Entsprechend der historischen Ausrichtung verfügt 'Askalon' nicht über ein eigentliches Magiesystem. Immerhin existiert eine Fähigkeit 'Zauberei'. Damit kann eine Figur Werte und Würfe beeinflussen. Der Zauber gelingt um so leichter¸ je mehr die Betroffenen an die Wirksamkeit von Zauberei glauben. Die Beispiele im Regelbuch machen klar¸ daß vor allem an Zauber gedacht werden¸ die sich psychologisch erklären lassen: Der Priester segnet die Waffe¸ der Ritter kämpft darauf tapferer; die Hexe verflucht ihre Häscher¸ diese handeln darauf ängstlicher und ungeschickter.
Fazit: Eine nette Idee¸ finde ich¸ sehr sauber ausgeführt. Die Regeln erfinden das Rollenspiel nicht neu¸ sind aber sehr brauchbar und anwenderfreundlich. Wer realistische Mittelalter-Abenteuer spielen will¸ kann sich 'Askalon' kaufen. Allerdings könnte man wohl ebenso gut die Regeln seines Lieblingssystems etwas anpassen und sich den Hintergrund aus der Geschichtsabteilung der nächsten Volksbibliothek holen.
Für Frauen stellt sich allenfalls das Problem¸ daß sie von 'Askalon' fast völlig ignoriert werden¸ entsprechend der traditionellen Vorstellung vom Mittelalter. Beispielfiguren sind abgesehen von Hexen und Wahrsagerinnen immer Männer. Etwas genauere Recherche hätte den Autoren zeigen können¸ daß Frauen im Mittelalter durchaus eine Vielzahl interessanter Rollen offenstand.
Eine Rezension von: Stefano Monachesi