Armalion
Eine Anmerkung sei mir vor Beginn meiner Rezension erlaubt:
Zum ersten Mal werden im MD parallel zwei Rezensionen eines Produktes erscheinen. Diese hier ist die eine der beiden von Armalion (meine). Der Grund dafür ist einfach: Ich habe selbst nur relativ wenig Erfahrungen mit Tabletop-Spielen und freue mich deshalb um so mehr¸ von einem recht erfahrenen Spieler Rückendeckung¸ bzw. Kontra zu bekommen¸ um eine Fehleinschätzung zu vermeiden. Das gilt wohl vor allem bei Preisen und Qualität der Regeln.
Wer also selbst auch noch keine Ahnung von Tabletops hat¸ wird ggf. durch meine Augen ein rechtes Bild bekommen - erfahrene Spieler mögen mir den einen oder anderen Schnitzer nachsehen und sich vor allem an der zweiten Rezension orientieren.
Natürlich habe ich - vielleicht umso mehr - besondere Sorgfalt beim Rezensieren walten lassen. Beide Rezensionen entstanden übrigens unabhängig voneinander.
Armalion¸ DSA und Tabletop ?
Wer kennt nicht DSA¸ oder "Das schwarze Auge" - eines der meistgespielten Rollenspielsysteme auf dem deutschen Markt ? Mit ARMALION führt FANPRO sein Fantasy-Zugpferd auf das "Schlachtfeld" Tischplatte und versucht mit seiner unlängst erschienenen Grundbox klare Regeln in größere Schlachten und den Umgang zwischen zahlreichen existierenden Miniaturen zu bringen.
Denn genau darum geht es beim "Tabletop" - die Simulation von Schlachten unter möglichst maßstabgetreuen Bedingungen. Findet beim normalen Rollenspiel der Kampf in der Regel in den Köpfen der Mitspieler statt¸ so verlagert sich beim Tabletop die Szenerie auf die Tischplatte¸ wo das Gelände (simpel) aus gemalten Bergen¸ Flüßen¸ etc. besteht und im optimalen Fall (sozusagen Luxusedition) aus dreidimensionalen¸ bemalten Konstrukten (meist Styropor) und aufwendigen (teueren?) Hindernissen bestehen¸ die man vielleicht von Einsenbahnmodellen her kennt. Die kämpfenden Parteien stellt man¸ im einfachsten Fall¸ als namentlich gekennzeichnete Grundrisse oder im Idealfall als kunstvoll bemalte Zinn- oder Plastikfiguren (maßstabgetreue Miniaturen) dar.
Wie man vielleicht jetzt schon ahnen mag¸ ist Tabletop nicht unbedingt ein Hobby für arme Leute. Jede Zinnminiatur variiert im Kaufpreis zwischen 5.- (einfache "humanoide" Figuren) und 50.- DM (übergroße Drachen¸ Katapulte¸ etc.). Mit dem Zubehör fürs Bemalen erreicht man leicht noch einmal die 100.-DM Grenze¸ denn für jeden Pinsel und jedes Farbtöpfchen sollte man ca. 5.-DM einplanen.
Generell hat FANPRO bei der Planung sicherlich drei Zielgruppen im Auge gehabt: Die existierenden DSA-Fans (ggf. bereits mit bemalten Miniaturen ihrer Helden ausgestattet)¸ die existierenden Tabletop-Spieler und zuletzt die¸ die (noch) keines von beidem sind. Demnach werde auch ich an dieser Stelle mal untersuchen¸ was diese Box den drei Gruppen zu geben vermag.
Inhalt der Box
Hat man sich¸ egal welcher Motivation folgend¸ die ARMALION-Box auf den heimischen Tisch geholt - und dabei mit dem empfohlenen Preis von 99.-DM bereits tief in die Tasche gegriffen¸ so purzelt einem beim Öffnen folgender Inhalt entgegen...
- Ein 82 DIN-A4 Seiten (8 Farbseiten) starkes Regelbuch mit stabilem farbigen Softcover. Zwei stabile Referenzblätter (farbig)¸ auf denen die wichtigsten Regeln kurz zusammengestellt wurden.
- Zwei stabile DIN-A2 Geländepläne¸ die alle Geländeformen (Straße¸ Berg¸ Sumpf¸ Flu߸ etc.) beinhalten. Da die Karten kombinierbar sind¸ entsteht ein DIN-A1 großes Gelände.
- diverse farbige Einheiten-Referenzkarten¸ Spruch-Referenzkarten¸ Spielmarker¸ "bewegliche" Hindernisse (Büsche¸ Baumgruppen¸ Wagenburg) Spruchauswirkungen (z.B. Flammenkreis¸ Dunkelzone¸ magische Wände) und ein Bandmaß (für seinen Zweck nicht stabil genug).
- Zwei Pakete mit zusammen 10 Zinnminiaturen (5 Orks¸ 56 weidener Ritter)¸ die einen ordentlich gearbeiteten Eindruck machen. Die Zinnminiaturen sind natürlich weder bemalt noch grundiert.
- 4 zwanzigseitige Würfel (2 rot¸ 2 schwarz)
- Werbung (Miniaturenwettbewerb¸ ARMALIONfiguren¸ FANPRO-Produkte) und Produkt-Feedback-Karten.
Wenn man sich an das Herauslösen und -schneiden der Spielelemente begibt¸ hat man einiges an Arbeit vor sich. Störend fällt bei den Hindernissen ins Auge¸ daß es keine klaren Umrißlinien (Schneidkanten) gibt¸ was durch den verwaschenen Aquarellstil zusätzlich betont wird.
Auch die beiden kreisförmigen Elemente (Flammenkreis und Kommandokreis) gestalten sich unangenehm¸ weil man deren "Innenleben" herausschneiden muß - ohne Nagelschere oder Skalpell ist man hier aufgeschmissen. Insgesamt sollte man zugunsten der späteren Materialqualität schon etwas Geduld und Zeit einplanen. Eigentlich schade¸ daß man zugunsten der Bequemlichkeit hier auf ein Vorstanzen der Elemente (bis auf die Marker) verzichtet hat - bei dem Kaufpreis eigentlich unverständlich.
Übrigens macht die Box auch nach dem Herausarbeiten aller Spielelemente immer noch einen leeren Eindruck. Ich konnte es mir nicht verkneifen und habe den Inhalt mal in eine halb so große (normale DSA-Box-Größe-Standard-) Box verpackt - und siehe da: Es paßt alles bequem hinein. Ich glaube für diese Form von Verpackung gibt es sogar einen Fachbegriff ...
Das Argument¸ daß ja noch viel Material hinzukommen soll¸ kann man hier nicht unbedingt gelten lassen¸ da die meisten Tabletop-Spieler ihre wertvollen bemalten Miniaturen und 3D-Geländeformen eh in stabile¸ gefütterte Alukoffer verstauen. Die ARMALION-Box wird eher durch ihre Unhandlichkeit kaum ihren Weg auf einen Convent finden.
Regelbuch
Elementarer Bestandteil dieser Box ist sicherlich das Regelbuch. Auf den 82 Seiten erfährt der Leser alle Grundlagen des Tabletop ausführlich und umfassend erklärt. FANPRO kennt seine Zielgruppe und beweist hierbei eine gute Gradwanderung zwischen nüchterner Regelvermittlung und freundschaftlichem Tonfall.
Das Regelbuch beginnt mit einer Einführung in den Kontinent Aventurien auf dem ja DSA-Abenteuer in der Regel stattfinden. DSA-Spieler werden mir zustimmen¸ daß ein acht Seiten langer Umriß kaum all die Faszination widerspiegeln kann¸ die allgemein von dieser Welt auf ihre Spieler ausgeübt wird. Aber das ist hier wohl auch gar nicht beabsichtigt. Vielmehr soll der DSA-Unkundige einen allgemeinen Einblick in die aktuelle Geschichte Aventuriens bekommen und sich bei Gefallen an den zahlreichen anderen Publikationen orientieren.
Für eingefleischte DSA-Spieler bringt dieser Abschnitt kaum Neues. Für den Rest ist die wesentliche Essenz: Alles was elfisch¸ zwergisch oder menschlich (mit Ausnahmen) ist¸ ist gut - alles andere Böse.
Für alle Tabletop-Neulinge sind die Artikel Grundlagen und Einsteigerregeln gedacht. Hier erfährt man Grundsätzliches über Würfelproben¸ Spielbegriffe¸ Eigenschaften und Talente der Einheiten.
In den Vollständigen Regeln wird vorangegangenes nochmal wiederholt - allerdings weniger minimalistisch. In diesem Kapitel erfährt man all das¸ was Tabletop regeltechnisch ausmacht. Seien es die einheitlichen Spielbegriffe und deren Abkürzungen¸ die Initiative¸ die Bewegung von Einheiten in unterschiedlichen Geländeformen¸ Zugreihenfolge¸ mögliche Konfrontationen (Nahkampf zu Fuß oder Beritten¸ Fernkampf¸ Kampfmagie)¸ den Einsatz der verschiedenen Spielmarken und Spruchelemente¸ Kampf in Schlachtreihen¸ Kommandostrukturen und deren Wechsel (z.B. durch einen Helden)¸ Flucht¸ Verwundung¸ sowie die Siegesbedingungen. Zahlreiche Illustrationen vermitteln die besprochenen Regelfälle sehr deutlich und zwischendurch lockern immer wieder schmückende Illustrationen den Informationsfluß. Das Kapitel ist mit 24 Seiten recht umfangreich und wird den Leser einige Zeit beschäftigen. Hier gilt wie meistens: Praxis ist besser als Theorie - und so sollte man alle Situationen einmal anspielen - oder umgekehrt Probespiele machen und dabei auf dieses Kapitel zurückgreifen.
Das Kapitel beschäftigt sich auch intensiv mit Elementen¸ die in der Grundbox gar nicht vorhanden sind (z.B. Reiter) - ein klarer Zeigefinger in Richtung Erweiterungen. Allerdings wären die Regeln natürlich ohne diese Absätze unvollständig. Es ist nur einfach so¸ das man dadurch natürlich beim Leser ein Gefühl des Mangels erzeugt. Eine befriedigende Lösung wäre gewesen¸ wenn man zumindest die besprochenen Sonderfiguren (wie Oger¸ Reiter oder Magier) als farbige Pappmarken beigelegt hätte¸ die die Figuren aus der Vogelperspektive darstellen. Freier Raum (Verschnittfläche) dazu war¸ auf den Ausschneidebögen noch vorhanden...
Die nun folgenden 8 Seiten sind ein wahrer Augenfang. Hier wird dem Leser wahrlich bewußt¸ was man aus den enthaltenen - noch schnöden - Zinnminiaturen alles machen kann. Ein Schnellkurs Figuren bemalen. Schritt für Schritt. zeigt anhand eines Weidener Ritters anschaulich wie man es machen sollte und beschreibt auch die einzelnen Schritte. Natürlich wird diese eine Farbseite noch durch ein ausführliches Kapitel Das Bemalen der Miniaturen unterstützt¸ der wirklich fundiertes Wissen an Neuling wie auch Fortgeschrittene bringt. Vom Werkzeug¸ über die Farben und die Herstellung von speziellen Effekten¸ findet man hier alles gut erklärt.
Da ich auch schon öfter einigen Tabletop-Spielern über die Schulter geschaut habe¸ weiß ich¸ daß sich hier einige wahre Künstler enttarnen. Wenn man nachher diese kleinen Kunstwerke betrachtet (die sich durch die gute Bemalung im Wert übrigens vervielfachen)¸ kann man schon ins Träumen verfallen.
Damit man diesen Zustand bereits vor Beginn der Arbeit erreicht¸ wird auf den folgenden Seiten eine gute Auswahl an bemalten Miniaturen präsentiert. Leider deckt sich ein großer Teil mit den Abbildungen im beigelegten Miniaturenprospekt. Doch nicht nur einzelne Miniaturen¸ sondern ganze Szenarien - sprich Figuren und Gelände wurden hier blendend in Szene gesetzt. Traumhaft detailreich.
Zu guter Letzt wurde noch eine Schlacht Die erste Begegnung ! dargestellt¸ wie man sie mit ARMALION spielen kann. Allerdings tauchen hier so viele Figuren und 3D-Geländeobjekte auf¸ die in diesem Set gar nicht enthalten sind¸ daß man die Szenerie auf keinen Fall sofort nachstellen kann - deprimierendes Beispiel¸ weil man hier deutlich merkt¸ wie wenig man mit der Box eigentlich erworben hat.
Optionale Regeln bringt ein paar weitere Variationen der Vollständigen Regeln¸ die man nach Geschmack einsetzen kann. So wird hier die Erstellung eigener Einheiten geregelt und alternative Initiative-¸ Bewegungs- und Kampfregeln beschrieben.
Einen ähnlichen Weg gehen die Kapitel Wer ist Wer und Was ist Was ? und die Konvertierung von DSA-Helden - denn hier bekommt man einen ordentlichen Leitfaden zur Erstellung von eigenen Einheiten oder der Konvertierung bestehender Helden und deren Festlegung in ihrer Wertigkeit.
Hier findet man auch eine recht umfassende Liste von 23 Kreaturen und Beispielhelden in ARMALIONwerten. Monochrome Bilder der Miniaturen visualisieren anschaulich¸ um welches Wesen es sich handelt.
Für die ersten richtigen Schritte in ARMALION nach dem Regelkonsum eignet sich das Kapitel Szenarien mit vier Kampfgeschehen¸ die im Schwierigkeitsgrad wachsen. Alle Missionen lassen sich mit den enthaltenen 10 Spielfiguren improvisieren - jedoch weißt der Autor selbst darauf hin¸ daß man ein höheres taktisches Gewicht nur mit weiteren Figuren (z.B. Berittene) erreicht.
Abgeschlossen wird der Band mit einem ausführlichen Index und einer Seite Kopiervorlagen (Einheitenblatt). Hier haben die Macher mitgedacht und eine besonders kopiergerechte Vorlage (weiße Beschriftungsflächen) bereitgestellt. Ordentlich ! Natürlich findet man zu Beginn des Buches ein ausführliches Inhaltsverzeichnis und ein Impressum.
Fazit:
Die ARMALION-Grundbox ist ein ordentlich gestalteter Einstieg in die Thematik Tabletop. Die Käufer werden vor allem aus der Riege der DSA-Spieler kommen¸ die bereits über eine Vielzahl an DSA-Miniaturen verfügen und nur noch nach geeigneten Regeln suchen.
Erfahrene Tabletop-Spieler werden sich vielleicht mit den ARMALION-Regeln anfreunden können¸ zumal wenn sie die Gesellschaft anderer neuer ARMALION-Spieler suchen¸ die aus der eben angesprochenen Zielgruppe stammen.
Absolute Neulinge sollten sich über den großen finanziellen Kraftakt vor dem Kauf ausreichend Gedanken machen. Wie das Regelbuch selbst an allen Ecken betont¸ steht die Anschaffung einer Vielzahl weiterer Miniaturen ins Haus¸ um wirklich interessante Szenarien "Wie aus dem Abenteuerleben heraus" spielen zu können.
Um beim Thema zu bleiben: Eine grundlegende Schwäche weist die Box auf: Ihren Preis. Einhundert Deutsche Mark (oder 50.- Euro) sind definitiv zu hoch angesetzt.
Selbst wenn ich zugestehe¸ daß allein die einzelnen Miniaturen zusammen 50.-DM kosten könnten¸ erscheint mir 50.- DM für den Rest (Buch¸ Karten¸ Würfel und Pappelemente) reichlich hoch. Schließlich ist diese Box als Einstieg in die Welt von ARMALION gedacht - da erscheint die übergroße Box schon fast als Hinweis auf das schlechte Gewissen der Marketingabteilung¸ da diese ja einen Inhalt vorgibt¸ der den Kaufpreis vielleicht rechtfertigen würde.
Mein wohlwollender Rat an FANPRO: Ersetzt bei der nächsten Auflage die Fake-Box durch Euer Standardformat für DSA-Module¸ bringt ein wenig mehr Naturalismus in Euer Geländedesign (als farbliches Vorbild könnt ihr Euere eigenen Szenarienbilder nehmen) und bietet die Box für höchstens 70.-DM an. Eine schöne Idee wäre sicherlich¸ die fünf "weidener Ritter" durch eine typische Heldengruppe zu ersetzen - sprich einen Kämpfer¸ Magier¸ Priesterin¸ Dieb¸ und einen Kaufmann ? Würde sicherlich wesentlich mehr Spaß bereiten.
Alternativ könnte man auch die Zinnminiaturen ganz weglassen und durch eine größere Auswahl Einheiten-Pappmarken (Vogelperspektive) ersetzen¸ was den Preis nochmal auf ca. 40.- bis 50.-DM drücken würde.
Spätestens dieses Produkt würde dann sicherlich bald zum Standartrepertoire jeder DSA-Gruppe gehören ... die dann wahrscheinlich baldmöglichst ihre Pappmarken durch bemalte Zinnfiguren ersetzen würde ... und auch die Feinde bald durch richtige Figuren ersetzen würde ...
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de