Innere Werte
von Andre Wiesler (www.andrewiesler.de)
>>>>>[Hoi Chummer! Da zape ich doch letztens so durch die Kanäle und *Bazong* bleibe ich an dieser Story über Cyberware und Psychokram und so hängen. Hab's gleich auf Chip gezogen und poste es jetzt hier, damit jeder mal'n Blick drauf werfen kann. Ich geb ja zu, ist nichts Supergeheimes, aber jeder mit Plastik im Body sollte es sich reinziehen - ist ganz schön gruselig, und nicht nur für Chrommonster!]<<<<< - Freeze
[-Amy Derogas, blonde Reporterin von NEWSFLASH, vor einem weißen Gebäude, Mikro in der Hand, leise im Hintergrund Motorengeräusche-]
"Es erstaunt auch den aufgeklärtesten Geist immer wieder, wie weit der technische Fortschritt uns getragen hat. Mittlerweile ist es möglich, nahezu alle Funktionen des menschlichen Körpers durch künstliche Implantate zu ersetzten und meist auch zu verbessern. Aber dieser massive Eingriff in die Physis hat auch Wirkungen auf die Psyche eines Menschen, die oft verdrängt werden. Um etwas Licht in diesen Bereich der Cyberware zu bringen, sprach ich im "Neemore Ressort of Psychology" mit dem Leiter der Abteilung für Cyberware-induzierte-Störungen, Doktor Abraham Alder
[-Amy vor einer weißen Klinikwand mit rotem, horizontalem Streifen in der Mitte-]
"Dr. Alder, man hört immer nur von den Segnungen der modernen Technik. Was sind denn die Gefahren der Cyberware, von ihrem Standpunkt aus gesehen?
[-Mittvierziger im weißen Kittel, Datenbuchse an der Schläfe, kleines Notepad in der Hand-]
"Nun, Mrs. Derogas, die Hauptgefahr besteht meines Erachtens nach in der Wirkung auf die Psyche. Jede Art von Cyberware, die sich ein Mensch einbauen läßt, verändert sein Körpergefühl. Sogar so harmlose und alltägliche Dinge wie eine Datenbuchse können für einige Personen zur Gefahr werden - aus psychologischer Sicht. Trotz der herausragenden Verbesserungen in der Interfacetechnologie merkt das Unterbewußtsein eine Veränderung der Signale, die eingehen und versucht dies entsprechend zu kompensieren. Bei den meisten Menschen gelingt dies, solange die Cyberware in geringen Maßen eingepflanzt wird, relativ problemlos. Andere wieder leiden unter den unterschiedlichsten Phänomenen. Auf der anderen Seite spielt natürlich auch der psychosomatische Effekt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wenn ich mir lange genug einrede, daß die Implantate eine negative Wirkung auf mich haben, wird sich diese auch automatisch einstellen."
[-Amy, aus dem Off-]
"Das war jetzt sehr allgemein gehalten. Können sie uns vielleicht das ein oder andere Beispiel geben?" "Ja, natürlich. Man muß generell unterscheiden zwischen Psychosen, die durch die Cyberware direkt ausgelöst werden und denen, die durch ihre Anwendung verursacht werden. Ein Beispiel für letzteres ist die immer wieder auftretende psychologische Abhängigkeit von der Matrix, die bei sogenannten Deckern zu finden ist. Eine abgeschwächte Form dieser Abhängigkeit läßt sich aber auch bei vielen EDV-Angestellten finden, die einfach ohne das - ich zitiere hier einen meiner eigenen Patienten - 'Kribbeln im Kopf einmal am Tag' keine Ruhe mehr finden.
>>>>>[Das ist nicht wahr, ich kann jederzeit aufhören, wenn ich will]<<<<< - Turkey
Die Auswirkungen der eingebauten Cyberware selber kann ich ihnen an einem sehr beeindruckenden Beispiel zeigen."
[-Ein klinisch sauberes Krankenzimmer, ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch. Auf einem Laufband sprintet eine junge Frau mit Bewegungen, die schneller als das Auge sind. Dr. Alder aus dem Off -]
"Dies ist meine neueste Patientin. Sie hat sich selber in meine Behandlung begeben, weil sie einen unbändigen Drang nach Bewegung verspürt, seit ihr ein sehr potentes Reflexverstärkungssystem eingepflanzt wurde, das leider auch sehr starke Veränderungen des Körpers hervorruft."
[-Eine junge Frau an einem weißen Tisch, Amy davor, die beiden sind durch eine leichtgrüne Plastscheibe mit Gegensprechanlage getrennt. Die Frau zittert ab und an unkontrolliert, sie hat schwarze Ränder unter den Augen, ihr Gesicht ist verschwollen. Ihre Stimme ist leise und gehetzt-]
"Move-by-Wire dachte ich mir, daß gibt dir den Kick. Schneller als alle anderen, das verhilft dir zu der nötigen Edge, damit kommst du ganz nach oben, Downtown ist zum greifen nahe. Packen wir noch diese schnuckelige Balance-Augmentation rein, dann kann dir keiner mehr was. Am Anfang war auch alles Sahne, die Leute konnten gar nicht so schnell gucken, wie ich sie umgenietet habe, in drei Wochen war ich jemand auf der Straße. Man nannte mich den Blitz. Aber dann kam der Fluch. Du weißt nicht, was Hölle ist, wenn du nicht mitten in der Nacht aufgewacht bist, weil dich dein Körper zwingen wollte dich zu bewegen. Ich meine - Scheiße - es zieht mich immer in alle Richtungen gleichzeitig, als wenn du'n Rudel Bernadiner spazieren führst. Sobald ich Sitze, hab ich das Gefühl, als würde mein Körper langsam auseinandergerissen werden. Dreck, ich kann mich auf nichts mehr konzentrieren, weil ich dauernd verhindern muß, daß ich irgendwohin loslaufe. Hab das Ding ein Dutzend mal durchchecken lassen. [ - Tränen laufen ihre Wangen herunter - ] Aber die Pisser haben immer nur gesagt, es is' alles okay, das wären eben die Nebenwirkungen, man hätte mich ja gewarnt vorher. Scheiße, keiner hat mich gewarnt. Die haben irgendwas von 'Entfremdung' geblubbert und das war's auch schon. Hätte ich geahnt, auf was ich mich da einlasse, glaub mir, ich hätte es gelassen!"
[ - Amy und der Doktor in einem dezent eingerichteten Büro, auf Retro gemacht, Dr. Alder hinter seinem Schreibtisch - ]
"Sagen sie, Doktor, was kann man für diese Frau tun?" "Dieser Fall ist sehr schwierig. Es ist fast unerläßlich Pharmazeutika einzusetzen, um den Körper der jungen Frau ruhigzustellen. Bedauerlicherweise ist ihr Problem nur in sehr geringem Maße psychosomatisch. Ich habe mich mit anderen Fachleuten in Verbindung gesetzt und habe herausgefunden, daß dieses Gefühl des gezogen werdens sehr häufig auftritt bei diesem Move-by-Wire System. Natürlich können wir bei einem so neuen System noch nicht auf allzuviele Präzedenzfälle zurückgreifen, was die Arbeit sehr erschwert. Um aber auf die Behandlung zurückzukommen: Bevor wir überhaupt mit langwierigen Erfolgen rechnen können, muß das System entfernt werden. Leider ist dazu eine sehr komplizierte und kostenintensive Operation notwendig, die zu zahlen die Patientin nicht in der Lage ist." "Also wird die junge Frau für den Rest ihres Lebens in diesem Zustand bleiben?" "Das wollen wir nicht hoffen, aber im Moment ist es sehr schwer, da etwas zu machen. Wenn der Schaden einmal durch Cyberware angerichtet ist, ist er nur sehr schwer wieder zu beheben."
>>>>>[Blödsinn! Cyberware macht nix kaputt! Ich hab'n Dutzend Systeme drin und bin fit. Soll nur einer kommen und was wollen, dem zeig ich's schon!]<<<<< - Slayer
>>>>>[Das ist typisch Samurai. Er definiert sich über seine Hardware. Ein paar ausgesuchte Systeme sind sehr nützlich, aber vor allzu massiven Eingriffen würde ich warnen. Sie bringen das innere Gleichgewicht durcheinander. Reflexe und Smartgun sind ein Muß. Aber ansonsten kommt es hauptsächlich auf das Können hinter der Waffe oder dem Deck an. Ich selber mußte schon so manchem chromstarrenden Samurai diese Lektion erteilen.]<<<<< - Soldier
>>>>>[Ach ja? Dann komm schon, sag wann und wo, dann mache ich dich platt!]<<<<< - Slayer
>>>>>[Eine ebenfalls häufige Reaktion von stark vercyberten Personen. Sie stehen in einem Rechtfertigungszwang sich selbst gegenüber. Sie müssen sich stets beweisen, daß sie die Besten sind und es sich gelohnt hat, Teile ihrer Aura und somit Menschlichkeit aufzugeben. Dabei kommen sie in eine Spirale: Sind sie nicht mehr die Besten, rüsten sie auf und ihr Drang wird noch stärker. Häufig greifen sie irgendwann bei der kleinsten Enttäuschung zum nächsten Stück Hardware. Ich nenne das denn Egoware-Trip.]<<<<< - Psychcorps
>>>>>[Du Sack, ich mach euch beide fertig, wartets nur ab!]<<<<< - Slayer
>>>>>[Quod errat demonstrandum]<<<<< - Psychcorps
[- Amy in Nahaufnahme -]
"Und was halten sie von der Theorie, daß Cyberware zu gesteigerter Gewaltbereitschaft führt?"
[- Doktor vor seinem Schreibtisch, im Hintergrund sieht man eingeblendet eine Schlägerei in einer der unzähligen Chromkneipen -]
"Natürlich bringt einen die entsprechende Cyberware vermutlich schon dazu, größere Risiken einzugehen und gegen Provokationen mit brutaler Gewalt vorzugehen, aber meist werden diese Systeme ja ohnehin von Personen erworben, die den festen Vorsatz haben, sich in Gewaltaktionen zu verstricken." "Und die Amokläufe?"
[-Das Bild im Hintergrund zeigt eine Person in Vollrüstung, die wahllos mit zwei MPs in eine Menschenmenge feuert -]
"Die meisten von diesen Amokläufern haben eine schwache Psyche und fühlen sich nicht genug beachtet oder wollen sich für irgendetwas rächen. Einige aber, so muß man wohl realistisch zugeben, sind durch die übermäßige Aufnahme von Cyberware so belastet worden, daß sie nur in dieser unkontrollierten Gewalt ein Ventil fanden."
[-Amy, closeup, sorgenvolles Gesicht -]
"Dann läuft also jeder, der sich Cyberware einbauen läßt, Gefahr zum Amokläufer zu werden?"
[-Doktor, schmunzelnd, beschwichtigende Handgeste -]
"Nein, natürlich nicht. Solange man keine gravierenden Eingriffe vornehmen läßt, sind die Auswirkungen verschwindend gering. Vor allem aber sollte man darauf achten, daß die Systeme, die man sich einbauen läßt, von möglichst hoher Qualität sind, und daß man einen vertrauensvollen und empfehlenswerten Arzt aufsucht. Sehr wichtig ist auch die Betreuung durch einen Psychologen in der Gewöhnungsphase. Eine solche Behandlung kann von Anfang an die Einstimmung auf die Cyberware erleichtern. Abraten möchte ich hier ganz dringend von den sogenannten Chop-Shops. Abgesehen von der beträchtlichen Gefahr für Leib und Leben erleidet eine Großzahl der Patienten ein Trauma, dessen Verarbeitung sich lange hinzieht oder sogar unmöglich bleibt, wenn keine fachmännische Hilfe herangezogen wird."
[- Amy, wieder vor der Klinik -]
"Sie sehen also, liebe Zuschauer, es stecken noch nahezu unerforschte Gefahren in der Cybertechnik, Gefahren für den Teil des Menschen, der am schwierigsten zu heilen ist - der Geist. Überlegen sie sich also vor ihrer nächsten Operation, ob sie dieses Risiko wirklich eingehen wollen. Guten Abend."
>>>>>[Als ob man auf der Straße eine andere Wahl hätte - ohne gute Systeme bleibst du immer zweite Klasse.]<<<<< - Chipress
>>>>>[Da kann ich dir nicht zustimmen, Chipress. Viele Systeme lassen sich ohne größere Probleme durch Ausrüstung ersetzen. Wozu gibt es Brillen mit allem Schnick Schnack drin oder umschnallbare Sporne oder gut getarnte Panzerung usw. usf.?! Und was man nicht im Laden nebenan kriegt, klärt man mit einem Magier ab. So bleibt man flexibler, ist nicht auf ein Feld festgelegt, sondern kann sich Aufträge aus allen Bereichen (außer Magie und Matrix - die sind zu spezialisiert) angeln. Natürlich fordert es weit mehr Aufwand bis man sagen kann: 'Yo, Johnson, sag was du brauchst, ich bin es!' als auch weiterhin zu brüllen 'Ich hab Muskeln, ich mach Bumm!']<<<<< - Soldier
>>>>>[Get's reichts mir aber! Ich find dich, und dann tret ich dir in deinen dummen Klugscheißer-Hintern!]<<<<< - Slayer
>>>>>[*****Seufz******]<<<<< - Psychcorps
Back to the Rules
Was bedeutet das alles jetzt für den Otto-Normal-Runner? Bis jetzt war die Essenz nur - geben wir es ehrlich zu - ein Regelmechanismus, damit die eifrigen Spieler nicht gar so viele von den netten Gadgets in den Charakter propfen. Einziger Nachteil bis jetzt: Magier müssen höher würfeln, wenn sie ihn heilen wollen, doch das wird durch die Vorteile der Cyberware bei weitem wieder ausgeglichen. Bis dato haben sich die meisten Spieler nur überlegt: "Wieviel kann ich mir leisten und wieviel geht rein". Ein guter Spieler, der wirklich wert darauf legt, seinen Charakter zu leben, wenn das Spiel begonnen hat, und ihn nicht nur wie eine imaginäre Doom-Figur durch die Schatten zu schieben, sollte sich überlegen, was er seinem Charakter damit antut, wenn er ihn vercybert. Wie fühlt es sich an, wenn man den eigenen Arm berührt und er ist hart und kalt? Was ist das für ein Gefühl, sich den Kopf abzutrocknen und dauernd an irgendwelchen Buchsen hängenzubleiben? Wie sieht es aus und wie wirkt es auf einen, wenn alle anderen sich plötzlich langsam bewegen? Kurzum, wie nimmt der Charakter die Veränderungen durch die Cyberware wahr und, vor allem, wie verarbeitet er sie?!
Grundsätzlich sollte gesagt sein, daß die folgenden Regeln natürlich nur Vorschläge sind. Sie sollen das Spiel ein wenig interessanter machen, aber nicht unbedingt schwerer. Die psychologischen Störungen, die auftreten können, sollten nicht vom Spielleiter gnadenlos ausgenutzt werden, um in wichtigen Situationen den Charakteren einen Stein vor die Füße zu werfen. Sie sollen vor allem zu intensiverem Rollenspiel Anreiz geben.
Natürlich wirkt sich die Cyberware auf jeden Charakter anders aus. Deswegen sollten Spieler und Spielleiter die Probleme gemeinsam ausarbeiten, denn immerhin muß der Charakter dann damit leben. Und es wäre wohl ziemlich langweilig, wenn alle Samurais in der Gruppe stets ihren Melancholischen kriegen. Der Essenzverlust kann in sechs Stufen eingeteilt werden, die jede dem Verlust jeweils eines Punktes zugeordnet werden können. Mit dem Erreichen der nächsten Stufe wird ein Willenskraftwurf fällig, der die psychologischen Gefahren simuliert. Ob hierbei Karma eingesetzt werden kann, entscheidet der Spielleiter. Werden mehrere Stufen gleichzeitig überschritten, wird für jede gewürfelt (ja, es ist möglich sich nach und nach mehrere Macken einzufangen). Gelingt der Wurf, kann der Charakter trotz Cyberware auch weiterhin gut schlafen. Geringfügige Auswirkungen kann und sollte der Spieler jedoch auch von sich aus einbringen, das macht es auch für den Spielleiter interessanter.
Mißlingt der Wurf, sollten Spielleiter und Spieler zusammen eine Störung erarbeiten, die dem Spieler auch Spaß macht zu spielen. Die Stärke der Störung variiert von Stufe von Stufe. Es versteht sich von selbst, das der Einbau einer Datenbuchse in einen 'jungfräulichen' Körper nicht so viele Probleme verursachen sollte, wie der Einbau einer solchen in einen Cyborg, bei dem sie grade noch so reingeht! Beispiele für Störungen finden sich weiter unten. Wurden die Implantate während der Charaktererschaffung eingebaut, kann man davon ausgehen, daß sich eventuelle Störungen schon manifestiert haben. Der Charakter beginnt das Spiel also bereits mit diesen Problemen. Läßt sich der Charakter Systeme während des Spiels einbauen und es treten Störungen auf, dann sollte deren Entwicklung Schritt für Schritt durchgespielt werden. Eine Paranoia tritt nicht von jetzt auf gleich auf.
Modifikationen für den Willenskraftwurf
Psychologische Behandlung:
- keine 0
Rudimentär (Psychologie 3+) -1
Gut (Psychologier 5+) -2
Herausragend (Psychologie 7+) -3
Abfertigung im Chop Shop +1
Miese Umstände (Dreck, in OP aufgewacht) +1
Unter Zwang eingebaut (Kon, Gang) +1
Der Willenskraftwurf simuliert den Verarbeitungsprozeß des Cybertraumas. Je nach Betreuung vor, während und vor allem nach der OP erleichtert sich der Mindestwurf. Wieviel Zeit der Charakter im Spiel (oder bei der Charaktererschaffung) investiert (hat), sollte zwischen Spielleiter und Spieler ausgeknobelt werden. Ein Samurai, der direkt seine neuen Booster austesten will, wird wohl keine 10 Sitzungen mit einem Therapeuten abhalten, während ein Konmann dazu eher bereit ist. Dazu kommt die Frage, ob ein solcher Service überhaupt erhältlich ist. Bei einer regulären OP im Krankenhaus, ist eine rudimentäre Betreuung im Preis inbegriffen - auf der Straße?! Oh, come on! Werd` erwachsen!
Die Leiter zum Glück?!
Die Beschreibungen und Zitate bei den einzelnen Stufen sollen einen groben Einblick in Schwere und Art der Veränderungen geben. Dies sind natürlich nur Vorschläge. Systemspezifische Störungen werden im Anschluß aufgeführt.
1. Stufe
Essenz sinkt unter 6 - Willenskraftwurf gegen 2. Der Charakter macht den ersten Schritt und läßt sich Cyberware einbauen. Überlege dir, was seine Motivation dafür war. Hat er sie von seinem ehemaligen Konzern verpaßt bekommen, hat er sie aus eigenem Antrieb eingebaut, aus Gruppenzwang? Die ersten Cybersysteme haben meist noch keine gravierende Wirkung auf die Psyche. "Klar, so'ne Datenbuchse ist schon Klasse. Macht echt Spaß so zu arbeiten. Wie lange ich pro Tag da dran hänge? Tja, so etwa 6 bis 7 Stunden."
2. Stufe
Essenz sinkt unter 5 - Willenskraftwurf gegen 2. Ein etwas größer Schritt, aber noch nicht der harte Weg. Leichte Entfremdung kann sich einstellen, häufig auch leicht melancholische Reue. Zu schweren Störungen sollte es aber noch nicht kommen. "Manchmal wünschte ich mir, ich hätte den Arm damals klonen lassen, aber, hey, ich hatte das Kleingeld grad parat und dachte mir halt, das ist was für mich. Er ist zwar warm, aber irgendwie fühlt es sich schon komisch an..."
3. Stufe
Essenz sinkt unter 4 - Willenskraft gegen 3. Soviel Cyberware einzubauen, erfordert schon Überwindung, immerhin ist damit ein Drittel der Aura "aufgebraucht". Wenn der Verlust durch ein einzelnes System verursacht wird, drängt sich dieses System immer wieder in die Wahrnehmung des Trägers. Bei vielen kleinen Systemen stolpert der Charakter ab und an über die Auswirkungen des einen oder anderen Systems, die ihm negativ auffallen. "Es ist komisch, ich hab immer gedacht, ich könnte gut mit Leuten. Aber irgendwie, seit ich diese Muskeln habe, komm ich nicht mehr so richtig mit ihnen klar. Irgendwie scheue ich mich, Körperkontakt herzustellen, weil ich denke, ich könnte ihnen weh tun..."
4. Stufe
Essenz sinkt unter 3 - Willenskraft gegen 5. Die "magische Grenze". Ab jetzt ist der Charakter, rein auratechnisch, mehr Maschine als Mensch. Es wird zunehmend schwieriger für ihn die Gefühle und Reaktionen anderer Menschen nachzuvollziehen. Er konzentriert sich mehr und mehr auf sich selbst. Seine Skrupel Gewalt anzuwenden sinken zunehmend. "Ich meine, er hat so rumgedrugst, da dachte ich halt, er wüßte was. Und als er nicht rausrückte, hab ich ihm eben ein paar verpaßt."
5. Stufe
Essenz sinkt unter 2 - Willenskraft gegen 6. Hardcore. Der Charakter verliert langsam den Überblick, daß der Bürger von der Straße sehr schnell kaputt geht. Er überschätzt sich selbst auf der einen Seite, unterschätzt aber seine Kräfte auf der anderen. Menschliche Gefühle bedeuten ihm wenig, manchmal packt ihn aber gerade deswegen eine große Reue. "Was kann ich dafür, daß sie sich umgebracht hat. Ich hab ihr von Anfang an gesagt, nerv' mich nicht mit irgendwelchem Beziehungsscheiß! Ich mußte auf'n Run gehen, schließlich wollte ich endlich die SmartgunII haben, wurde ja wohl Zeit! Gibt eben Sachen, die sind wichtiger"
6. Stufe
Essenz sinkt unter 1- Willenskraft gegen 8. Wer diese Stufe erreicht hat, der hat nicht mehr viel für Gefühle und so Kram übrig. Er interessiert sich nur noch für seinen Fachbereich und versteift sich völlig darauf. Er ist sozusagen jenseits von Gut und Böse, völlig technikgläubig. "Chummer von mir meinte, seine neue Panzerweste stoppt auch 'ne Predator II. Hab ihm bewiesen, daß er falsch lag. Jetzt ist er wohl - irgendwie - naja - Tod halt. Was soll's!"
Störungen
Wenn der Willenskraftwurf mißlungen ist, sollte dem Charakter eine Störung zugewiesen werden. Als kleinen Kitzler für eure Gehirnzellen hier ein paar Beispiele. Viele von ihnen können natürlich gegen das Prinzip eures Charakters laufen. Ein gewalttätiger, reizbarer Bodyguard z.B. wäre denkbar ungünstig. In einem solchen Fall solltet ihr natürlich etwas anderes auswählen.
Allgemeine Störungen
Reue - Der Charakter zweifelt daran, ob es richtig war die Cyberware einzubauen. In höheren Stufen kann das bis zu Alpträumen führen und zu unbewußten Versuchen die Hardware wieder loszuwerden (Haut aufkratzen etc.). "Ich will dieses Zeug nicht mehr, verdammt. Warum hab ich das nur je gemacht?!"
Gefühlskälte - Mit sinkender Essenz wird es für den Träger auch immer schwieriger sich auf Emotionen Anderer einzustellen und selber welche zu empfinden. Dies kann sich in Rauhheit oder in aufgesetzter, kalter Höflichkeit äußern. Bei Stufe 5 und 6 kann dies - nach Spielleiterentscheidung - sogar zu Mali auf Gebräuche und Psychologie Würfe führen. Auf jeden Fall sollte der Spieler aber deutlich machen, daß er die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht mehr so ganz durschaut. "Was will die Frau von mir? Warum glotzt die immer her und zwinkert. Wenn sie was will, dann soll sie was sagen. Ach, bleib' mir doch gestohlen."
Gewaltbereitschaft - Mit oben erwähnter Gefühlskälte geht auch eine steigende Gewaltbereitschaft einher. Der Spielleiter kann Willenskraftwürfe verlangen, wenn der Charakter provoziert wird. Mißlingt dieser, sollte er handgreiflich werden. Der Spieler sollte seinen Charakter reizbar spielen. "Was soll das heißen, 'schade, ich dachte ja nur'? Hättest du es besser gemacht, oder was? Leck mich doch! Nix 'beruhig dich doch' [*patsch*] Haste jetzt davon!"
Verdrängung - Der Charakter leugnet einfach, daß er Cyberware hat. So muß er sich nicht dauernd darum Sorgen machen. Er erfindet groteske Erklärungen für die Aktionen, die ohne Cyberware nicht möglich wären. "Muß einfach Glück gehabt haben! [läßt das schwere Faß fallen] Hab wohl ein leeres erwischt..."
Angstzustände - Bei dieser Störung lebt der Charakter in der Angst davor, daß er eine Störung haben könnte und reagiert bei jedem Symptom einer solchen völlig über. "Siehst du das? Meine Hand zittert! Das ist bestimmt dieser Nervenschock. Und ich hab immer so einen Druck hinter dem Ohr..."
Paranoia - Der Charakter glaubt, daß so ziemlich jeder hinter ihm her ist, sei es, um an seine Cyberware zu kommen, oder weil er sich Feinde gemacht hat. "Weshalb die hinter mir her sind? Kann ich dir sagen! Auf meinen Arm sind die scharf. In der Zusammensetzung kriegen die ein Vermögen dafür! Wahrscheinlich haben die mein Bike auch schon verwanzt."
Phobien/Wahnvorstellungen - Irgendetwas versetzt den Träger der Cyberware in panische Angst. Das können Tiere sein, z.B. Insekten ("Sie kriechen mir in den Kopf, durch die Buchse, einfach so, und dann fressen sie mein Gehirn!"), oder Zustände, z.B. Regen ("Der sickert in den Arm rein und dann gibt's 'n Kurzen!") oder aber Gegenstände, z.B. Statuen ("Sie beobachten einen, ganz sicher. Sie halten ganz still, damit man denkt, sie seien tot, aber dann...")
Systembedingte Störungen
Anmerkung: Einige der Beispiele könnten auch auf technische Fehler in der Cyberware geschoben werden. Wenn der Charakter sie überprüfen läßt, sind sie natürlich in Ordnung, denn die Symptome sind nur psychosomatisch. Ob die Überprüfung kurzzeitig hilft, entscheidet der Spielleiter.
Datenverbindungen, Riggerkontrolle - Hier bietet sich eine psychologische Abhängigkeit an, die, je nach Stufe, nur ein leichtes Verlangen ist ("nur noch fünf Minuten DoubleDoom, Mam") oder eine allesverzehrende Sucht, inklusive Entzugerscheinungen "Laßt mich wieder rein, verdammt, ich will wieder rein. [Hände zittern, Augen tränen] Bitte!".
Funk, Telefon, Ohren - Der Charakter hört Geräusche und Stimmen, die gar nicht da sind, er interpretiert mehr in wirklich existierende Geräusche hinein. Dies eignet sich ausgezeichnet, um mit anderen Störungen kombiniert zu werden. "Hört ihr das auch? Da flüstert doch jemand!"
Augen - Auch wenn die Augenlider geschlossen sind, hat der Charakter das Gefühl zu sehen. Es ist, als wenn man angestrengt ins Dunkel starrt, man schaut, aber sieht nichts. "Ich kann nicht schlafen, die ganze Zeit dieses seltsame Gefühl. Erst wenn ich mir'ne Ladung Sleepers einschmeiße, geht das weg!
Headware - Druck im Kopf und spontane Migräne. "Oh man, schmeiß mir mal'ne Aspirin rüber. Scheiße - muß mir eine Grippe eingefangen haben, oder sowas..."
Panzerung - Unterschätzen von Schaden bei anderen. "Was ich wegstecke, steckt der doch auch weg!"
Gliedmaßen - Entfremdung, das Glied wird nicht mehr als Teil des Körpers gesehen, sondern als Werkzeug. "Das Ding hier? Klasse Teil, aber irgendwie ist es weit entfernt, verstehst du? Irgendwie - nicht bei mir..."
Muskeln - Die eigene Kraft wird unterschätzt, ist nicht mehr richtig unter Kontrolle. "Oh Scheiße, tut mir echt leid, Mann! Kennst du einen guten Arzt?"
Reflexverstärkungen - Hyperaktivität, der Drang zur Bewegung. Der Charakter läuft immer vor, muß sich zwingen, bei den Langsameren der Crew zu bleiben. Er könnte auch anfangen, schneller zu reden, obwohl das natürlich nichts mit den Reflexen zu tun hat.
Encephalon - Der Charakter erlebt ein De-já-Vú nach dem anderen, weil ihm alles aufgrund der überlegenen Verarbeitung bekannt vorkommt. Eventuell glaubt er sogar irgendwann, die Zukunft voraussagen zu können.
Was ich noch sagen wollte 1: Bioware
Diese Regeln gelten vorrangig für Cyberware, lassen sich aber abgeschwächt auch auf Bioware anwenden. Ich würde vorschlagen die Konstitution des Charakters durch vier zu teilen. Diese Teile entsprechen dann den Stufen 1 bis 4, darüber hinaus würde ich nicht gehen, denn Bioware stellt keinen so großen Eingriff in den Körper dar wie Cyberware. Beispiel: Ein Charakter hat eine Konstitution von 4, also ist er bei Stufe eins, wenn er sich irgendwas einbauen läßt, auf zwei, wenn er mehr als einen Punkt 'verbraucht' usw.
Was ich noch sagen wollte 2: Magier und Schamanen
Bei magisch begabten Personen macht sich Cyberware sehr viel deutlicher bemerkbar. Der Willenskraftwurf sollte deshalb um +1 erschwert werden. Eventuell fallen auch die Störungen entsprechend krasser aus.
Famous last words
Ich hoffe Euch mit diesem Artikel einiges an die Hand gegeben zu haben, um eure Charaktere noch etwas tiefer werden zu lassen. Natürlich kann man auch auf dem Standpunkt stehen: "Meinem Charakter macht es nichts aus, Cyberware zu haben." Aber versuch Dir dann bitte mal vorzustellen, wie Du dich fühlen würdest, wenn man dir beide Arme und Beine abnehmen und durch metall-plastik Teile ersetzt, die nicht mal genauso aussehen. Siehst Du?!