Blackjack's Anleitung zum Bitteren Spielleiter Teil VI
von Branson Hagerty
In dieser Ausgabe versuche ich ein paar von den Fragen zu bearbeiten die ich in den letzten Wochen von frustrierten Spielleitern zugeschickt bekommen habe, von denen einige schon kurz davor waren sich Papierhäcksler zu kaufen um damit die Charakterblätter ihrer Spieler zu schreddern. Sehr zu meinem eigenen Vergnügen habe ich noch nicht alle Fragen, hauptsächlich, damit ich nochwas für den BJ's Anleitung zum Bitteren Spielleiter VII habe. Außerdem denke ich, das ich anfange mich zu wiederholen. Für diese Redundanzen möchte ich mich entschuldigen. Außerdem denke ich, das ich anfange mich zu wiederholen.
Fair Spielen
Seit einiger Zeit bekomme ich eine Menge Emails bezüglich problematischer Shadowrun-Spieler. Die Beschwerden reichen von Tendenzen einiger Spieler, das Spiel an sich zu reißen über das Bedürfnis ungeheuerliche Charakterwerte zu erstellen bis zu Spielern die einfach nur Arschlöcher sind. Während ich ein paar dieser Fälle so einen nach dem anderen behandele, haben sie doch alle eins gemeinsam und zwar, das sie eine der grundlegensten Regeln aller Spielsysteme verletzen: Das faire Spielen.
Die Definition von "fair" differiert natürlich von Situation zu Situation. In Shadowrun habe ich immer alles dann als unfair definiert, wenn es einen negativen Effekt auf die Spielbalance hat. Diese Balance muß auf vielen Ebenen erreicht werden: Spielerbeteiligung, SC-Werte, Einstellungen der Charaktere, die Aggressivität des Spiels an sich etc. Wenn ein Spieler eine Situation herbeiführt, die einen dieser Werte aus der Balance bringt, bewerte ich das als eine unfaire Aktion.
Nehmen wir zum Beispiel die Charakterwerte. Wenn sich ein Spieler dazu entscheidet, einen Killer-Charakter mit einer miesen Einstellung zu spielen, zerstört er die Spielbalance für jeden anderen, weniger aggressiven Charakter. Der Spielleiter hat nämlich keine andere Wahl außer seine stärksten NSCe in den Kampf gegen die Party zu schicken, wobei die schwächeren Charaktere in einem solchen Kampf meistens unweigerlich zerlegt werden. Der SL kann auch nicht einfach bloß den üblen Charakter aufs Korn nehmen, weil das wiederum keinen Sinn machen würde. Eine Gruppe ist eben bloß ein Ziel. Durch die Erschaffung seines Killercharakters hat der Spieler das Spiel für alle anderen kaputt gemacht.
In einer idealen Welt würde so jemand einfach einen Charakter erschaffen, der eher zu der gegebenen Welt paßt. Ich merke immer öfter, das solche Leute sehr dickköpfig sein können, wenn es um solche Angelegenheiten geht. Es ist eine Schande das solche Leute ihren Spaß haben wollen und zwar auf die Kosten aller anderen. Der beste Weg solche Probleme zu lösen ist, sie auszudiskutieren. Das tollste Argument, welches man wohl von solchen Spielern zu hören bekommt ist jenes, das sie meinen ihren Spaß für den der anderen zu opfern, in dem sie sich und ihren Charakter weniger aggressiv gestalten. Ich halte das für ein sehr schlechtes Argument. Praktisch alle diese Spieler erschaffen Charaktere mit folgenden Attributen: Hohe Werte, aggressive Einstellung, gedankenloses Töten. Das, liebe Leute, ist ein Archetyp. Sie folgen praktisch einer bestimmten Regel. Genausogut könnte man einen solchen "Killer-Charakter" auch in einem Quellenbuch abdrucken.
Andererseits gibt es Millionen von anderen Möglichkeiten, wenn der Spieler die "Reflexbooster III" einfach mal außer acht läßt und stattdessen einen Lieferwagen und eine Gitarre kauft oder eine Cyberkamera. Oder er vergißt das Geld und nimmt stattdessen ein paar einzigartige Fertigkeiten und bastelt eine Geschichte drumherum. Unglücklicherweise funktionieren gutes Zureden und Logik nicht immer, weshalb man manchmal einen bitteren Weg finden muß um "die Nachricht rüberzubringen". Eine Schande...
20 Fragen
Ich bin ein treuer Anhänger der 20 Fragen. Als Spieler erlauben Sie Dir exakt die Persönlichkeit Deines Charakters zu umreissen und als Spielleiter kann man damit sichergehen, das die Spieler ihren selbst auferlegten Richtlinien folge leisten. Die Antworten, die man auf diese Fragen gibt, sollten nicht allzu leicht genommen werden. Zumindest nicht in meinem Spiel. Bei mir gibt es ca. 50% des Karmas für gutes Rollenspiel, in der Hauptsache daran gemessen, wie gut der Spieler die Persönlichkeit dargestellt hat, die er mit Hilfe der 20 Fragen kreierte. Wenn der Charakter in einer Art und Weise handelt, die nicht seiner Persönlichkeit entspricht, sieht es meist düster für ihn aus, zumindest karmamäßig. Denk' doch einfach mal an Deine eigene Persönlichkeit, wenn es Dir nicht zuviel angst macht. Meine zB kreist darum viel zu viel Zeit in meinem Appartment zu schmoren und mir neue und kreative Wege auszudenken mich für mein Nichtstun zu rechtfertigen. Die Chancen, das ich plötzlich aufspringe und in einen Nachtclub lande sind nahezu Null. Das eine Mal in dem ich in einem landete stellte ich dann auch sicher, das ich hinreichend berauscht war um mich am nächsten Tag an nichts mehr erinnern zu können.
Die Persönlichkeit eines Charakters muß ähnlich dargestellt werden. Wenn Dein Charakter keinen Luxus kennt da er sein gesamtes Leben in den Barrens verbrachte, wird er eben ein echtes Problem damit haben sich einen anständigen Anzug für einen High-Society-Run kaufen. Wenn solch ein Charakter ein Geschäft für Herrenausstattung betritt und nach einem Armani-Anzug mit Perlenmanschetten verlangt, fange ich mich wirklich an zu fragen, aus welchem Teil der Barrens dieser Charakter wohl kommen mag.
Eines der größten Probleme die Spieler mit den 20 Fragen haben ist, das Sie sie als Einschränkung ihrer rollenspielerischen Freiheit empfinden. Wie vielleicht schon bemerkt ist der Besitz einer Persönlichkeit SELBSTVERSTAENDLICH nicht einfach und auch oft sehr einschränkend. Wenn ein Spieler einen Charakter haben möchte, der ein As ist wenn es ums Verhandeln mit Konzernen geht, sollte er das bei der Charaktererschaffung aufschreiben und sicherstellen das es zu dem Rest des Charakters paßt. Ein Straßensamurai aus einem Elendsviertel in Redmond kann nicht einfach die Fertigkeit Verhandeln/Konzerne aus dem Hut zaubern. Selbst wenn der Spieler in der Realität hervorragend verhandeln kann sollte er diese Fähigkeit unterdrücken und sich daran erinnern, das der Charakter noch nie in seinem in einem Gebäude mit mehr als zehn Stockwerken gewesen ist, geschweige denn in einer Arcologie.
Das heißt natürlich nicht, das sich ein Charakter nicht entwickeln kann. Es ist sogar einer der interessantesten Aspekte des Rollenspiels zu sehen wie sich ein Charakter vom zu Beginn naiven Menschen von der Straße mit einem Haufen implantierter oftmals von ihm nicht verstandener Cyberware langsam entwickelt. Ein geeigneter Zeitpunkt zu dem sich zB der Redmond-Samurai die Verhandeln/Konzerne-Fertigkeit zu lernen wäre kurz nachdem er die schreckliche Erfahrung gemacht hat wie es ist, mit ein paar versteinerten Gesichtern in Anzügen zu verhandeln die nicht bloß einen Haufen Bodyguards um sich geschart haben, sondern auch eine Flotte Auglers.
Aber man muß halt mit den 20 Fragen anfangen und ihnen folgen bis es einen Grund gibt, es nicht zu tun. Und der Spielleiter sollte darauf achten, das der Spieler seinen eigenen Angaben treu bleibt und das Karma für diesen Spieler zurückhalten, wenn dieser es sich nicht daran hält. Während des Spiels sollten die NSCe neugierig und mißtrauisch reagieren wenn der Spieler sich nicht rollengerecht verhält. Sie mögen denken er sei auf Drogen. Vielleicht ein Psychopath. Alles um die Spieler daran zu erinnern wer sie wirklich sind.
Ewige Archetypen
Ich habe niemals ein Problem darin gesehen, wenn ein Spieler seine Charaktere immer nach dem gleichen Archetyp entwickelt. Es wird nur dann zu einem Problem, wenn der Spieler alle Charaktere gleich spielt. Im Grunde ist es dann der gleiche Charakter. Sicher mögen einige Werte anders sein, aber die Persönlichkeit des SCs und dessen Anlagen bleiben die gleichen.
Wenn der Spieler die neue Persönlichkeit eines neuen Charakters komplett nach der eines alten Charakters aufbaut, stehen die Chancen nicht schlecht, das der neue Charakter genauso endet wie der alte: tot. Das beste Argument, welches man als Spielleiter von solchen Spielern zu hören bekommt, wenn man sie mal zu etwas anderem überreden möchte ist, das ihnen eine andere Persönlichkeit wohl keinen Spaß machen würde. Sie werden sagen, das sie gerne ein, ich zitiere "notgeiles, prahlerisches, schießwütiges Arschloch" sein wollen (ok, das Arschloch stammt von mir). Oder sie sind fortwährend wahnsinnig, auf einem Trip, oder sonstwie abgedreht. Sie werden behaupten, daß das der einzige Archetyp ist, mit dem Sie Spaß haben können. Nun gut, wenn Sie das meinen, so ist dann nicht bloß der Spieler engstirnig sondern auch der Charakter, und in 99% der Fälle wert, getötet zu werden. Ein rotziges, dreistes, ärgerliches und bösartiges Subjekt wird in KEINER Welt lange überleben, speziell nicht in der von Shadowrun. In der Realität enden solche Leute für gewohnlich im Gefängnis. In Shadowrun enden solche Leute für gewöhnlich tot. Als Spielleiter hat man mehr als das Recht, das Letzteres eintritt.
Das Problem der meisten Versuche des Spielleiters, solche Situationen mit dem Tod der entsprechenden Person zu lösen ist, das sie das unlogische und planlose Auftreten viel zu vieler Personen beinhaltet, die dem Charakter an den Kragen wollen. Stattdessen sollte der Spielleiter das logische und geplante Auftreten vieler Leute verwenden die dem Charakter an den Kragen wollen. Wie ich schon in BJ I anmerkte, wollen einen Charakter um so mehr Leute töten, je mehr Leute er verärgert. Selbst wenn er seine Spuren zu verwischen versteht, wird es immer ein paar geben, die ihn im Auge behalten werden. Und manche von denen haben vielleicht Ahnung von Sprengstoffen und wissen wo der Charakter parkt.
Identitätskrise
Ich bin es wirklich leid, mich mit Deckern abgeben zu müßen, die ihren Part an dem falschen Ende einer Sturmkanone spielen. Vielleicht verwandelt die Matrix die Menschen ja in unterbewußte Selbstmörder. Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß ist, das nicht ein Decker in der Lage ist, auch nur eine Kugel zu vertragen, geschweige denn mehrere. Nicht das sie das überhaupt sollten.
Man kann es nicht verleugnen, aber Decker werden nicht dazu gemacht, den Gefahren eines Feuergefechtes standzuhalten. Auch Rigger oder ein Dutzend anderer Archetypen sollten das nicht versuchen. Wenn sie, aus irgendeinem Grund, doch dazu in der Lage sind, müßen schlecht in dem sein, was eigentlich ihr Job sein sollte also decken, riggen oder was auch immer. Sie entsprechen ihrem Archtypen nur dem Namen nach und besitzen nicht die Fähigkeiten, ihre Arbeit vernünftig zu erledigen.
Und das ist schlecht denn, auch wenn sie am Anfang vielleicht ein bißchen was reißen können werden sie ziemlich bald feststellen müßen, das sie ihre Fähigkeiten zu sehr verteilt haben und es deshalb in ihrer Profession nie zu irgendetwas bringen werden. Und selbst wenn sie ihre Fähigkeiten auf eine gewisse Stufe ausgebaut haben sind sie soweit hinter einer Perfektion her, die ein Decker besitzt der nur zu dem Zweck kreiert wurde, ein Decker zu sein. Problematisch wird es, wenn jemand denkt, das er nicht lange überlebt, wenn er bloß eine Konstitution von 3 nimmt und all' die Fertigkeiten die er braucht um seinen Job zu machen. Diese Einstellung hat meist zwei Ursachen:
Vielleicht geriet der Spieler mit einem anderen Decker mal in eine Situation in der er sich schwer bewaffneten Gegnern gegenüber sah, die er nicht überlebte. Meine Frage lautet: Was hatte der Decker (Rigger etc.) da zu suchen?? Warum zur Hölle stand er nicht HINTER einem Mitglied seines Teams welches mit einer Kanone umzugehen weiß und mehr als genug Dermalpanzerung besitzt ein paar Kugeln zu fangen. Oder warum stand er nicht an einem Cyberterminal, ein paar Blocks weiter? Es sollte absolut klar sein, das sich ein Decker niemals von alleine in eine solche Situation begeben sollte. In dem Moment, in dem klar wurde, das man dem Schußwechsel nicht mehr aus dem Wege gehen kann, hätte er sofort hinter einem Kumpel hechten sollen, der sich damit auskennt. Wenn der Decker qualifiziert genug ist, hätte er sich in ein Terminal eingestöpselt und angefangen mit dem Licht zu spielen oder den Sicherheitsrobotern oder IRGENDETWAS anderem. Und wenn er keine andere Wahl gehabt hätte, hätte er ja immer noch seine leichte Pistole rauskramen und blind ein paar Schüße abfeuern können, während er sich hinter einer Stahlbetonmauer versteckt hält. Wenn er mit einer professionellen Gruppe von Shadowrunnern arbeitet, inklusive Straßensamurais oder Ex-Söldnern oder irgend jemand anderes mit Kampferfahrung, und diese ihn ein bißchen leiden können, dann hätten Sie ihn aus der Schußbahn gehalten. Das letzte was eine Gruppe will ist seinen Decker zu verlieren oder, noch schlimmer, seinen Rigger. Wie sollen Sie sonst nach Hause kommen?
Der zweite Grund, das ein Spieler seinem Charakter zuviele Fähigkeiten zumutet ist, und ich hasse es das zu sagen, ein schlechter Spielleiter. Wenn der Spielleiter den Spielern dauernd große Mengen an schwer bewaffneten Leuten entegegenwirft, mehr als die Samurais und Magier der Gruppe verarbeiten können, dann ist die Gruppe einfach am A.... wenn nicht jedes der Mitglieder gute Kampffertigkeiten besitzt. In solchen Situationen ist es wichtig, das der Spielleiter die Balance findet zwischen dem, was er den SCen zumuten kann und dem, was die SCe überhaupt nicht mehr vertragen. Wenn der SL fünf Wachen mit Sturmkanonen auflaufen läßt und die Runner-Gruppe besteht aus einem Decker, einem Rigger und einem Samurai, dann sollte der SL vielleicht auf zwei oder drei Wachen verzichten um die Spielbalance zu wahren. Der Rigger wird wahrscheinlich loslaufen und seinen Wagen holen, während der Decker sich wohl in eine Ecke verkriechen und versuchen wird, sein Herz wieder zum Pochen zu bringen, nachdem er gesehen hat, wieviele bewaffnete Bösewichter es auf Ihn und seine Freunde abgesehen haben.
Viele von Euch werden jetzt fragen: Was passiert wenn die Gruppe keinen Decker besitzt? Sollte dann nicht ein anderer Charakter die fehlenden Fertigkeiten kompensieren indem er sie auch nimmt? Hmm. Nö. Zumindest nicht in meinem Spiel. Ich denke das es da draußen so viele NS-Decker gibt, die überglücklich wären Knete für das zu kassieren, was sie am besten können. Mietet einen. Klar, es macht dem SL ein bißchen Arbeit, aber niemand hat je behauptet sein Job wäre leicht. Im Grunde solltet Ihr Ihn dafür belohnen weil er ein so netter Kerl ist.
Aber wie gehen denn nun SLs mit Spielern um, die versuchen wollen, alles auf einmal zu können? Schön das Ihr fragt. Also, wenn dieser Fall auftreten sollte, verwendet einfach eine mehr oder weniger beschämende Technik, die ich vielleicht schon erwähnt habe, je nach dem, wo dieser Abschnitt in diesem Artikel auftaucht. Wenn ein Johnson einen Decker oder einen Rigger anheuert, dann heuert er einen Decker oder Rigger an. Er will keine Nuyen für jemanden aus dem Fenster schmeißen, der zwar schon weiß wie man deckt, aber auch mehr oder weniger gut ist in Athletik, im Boxen, Stricken und noch einem Dutzend anderen Sachen. Er will sichergehen das die Person a) decken kann und b) eine gute Reputation hat. Wenn er herausfindet das die ensprechende Person mal in einer Deckingbar gewesen ist und ausgelacht wurde weil er die Konzepte des Konstruierten Objekt-Ausdruckes mit dem des Ausdrücklichen Objekt-Konstruktes verwechselte während er in einem Kampf bei einem Run in Tam's Under The Needle in den Hintern getreten wurde da er nichts von den neuen Blaster-Verbesserungen wußte, weil er zu beschäftigt damit war, den Handgelenk-Gyroaufsatz zu bekommen, dann und erst dann findet er heraus, das ihm sein Gehalt wohl in Kürze ein bißchen gekürzt wird.
Es macht sehr viel Spaß einen Archetyp zu wählen und Ihn zu entwickeln, selbst dann wenn man nicht schießen kann ohne dabei umzufallen. Wenn nicht, lernt man schnell wie es ist, gegeekt zu werden weil man versucht ein Samurai zu sein während man eigentlich nicht mehr ist als ein Datenspezialist mit einer Handfeuerwaffe.