Pathfinder Golarion - eine mehrteilige Vorstellung
von Olaf "Argamae" Buddenberg
Olaf "Argamae" Buddenberg stellt die Welt des Pathfinder-Rollenspiels, Golarion, in mehreren Teilen und unterschiedlichen Aspekten vor.
Seit geraumer Zeit macht ja die Pathfinder-Kampagne des amerikanischen Verlags Paizo Publishing von sich reden. Aufbauend auf den OGL-Regeln des „bekanntesten Rollenspiels der Welt“ (sprich: D&D) ist mit "Pathfinder" ja auch ein eigenes Rollenspielsystem in der letzten Testphase.
Ich widme mich hier aber der Hintergrundwelt an sich, die sich mit dem Hardcover „Pathfinder Chronicles Campaign Setting“ den 3.5-Regeln präsentiert. Zwischen den Buchdeckeln beschreiben über 250 vollfarbige Seiten eine Fantasywelt vom Schlage solcher Klassiker wie "Greyhawk", den "Forgotten Realms" oder auch Howard's "Hyboria" und Tolkiens Mittelerde.
Was genau ist Golarion für eine Welt?
Man kann sagen, daß GOLARION ein großes Amalgam aus vielen Versatzstücken ist, aber es dennoch schafft, einen eigenen Stil zu verkörpern. Generationen von D&D-Kampagnenwelten haben hier ihren Fingerabdruck hinterlassen, sowohl inhaltlich als auch in der Präsentation: Gygaxs "Greyhawk" und dessen Inspirationen (etwa die hyborische Welt von Conan) sind ebenso zu spüren wie epische Einflüsse (etwa "Mittelerde") und moderne Stilverquickungen (etwa mangaeske bzw. japanische Techno-Fantasie).
Insgesamt ist mit Golarion eine enorm vielfältige Welt aus der Taufe gehoben worden, die der ganzen Bandbreite von Fantasy-Strömungen ein Zuhause bietet - von "Dark" über "Low" und "High" bis hin zu "Epic" und "Steampunk Fantasy" sowie "Swords & Sorcery" kann man hier seine Nische finden. Bestimmte Stilrichtungen dominieren jedoch über andere. Interessant ist, daß trotz dieser Patchwork-Struktur alles ein homogenes Ganzes bildet: zusammengehalten von einer detaillierten Weltgeschichte, die in einigen Belangen viel von unserer eigenen Mythologie widerspiegelt. Darüber hinaus bietet das Setting auch eine eigene Kosmologie, die in einigen feinen Punkten vom Standard-Weltenbau der D&D-Grundregelwerke abweicht.
Überhaupt sind es die Abweichungen und Neuschreibungen vieler D&D-Standards, die Golarion seinen eigenen Stil bescheren und es auch so "erwachsen" wirken lassen. So findet man z.B. alle typischen D&D-Rassen wieder, ist aber gut beraten, sie mit einem jungfräulichen Auge zu betrachten, da sie auf Golarion mitunter nicht der klassischen Typisierung entsprechen.
Diese Gratwanderung zwischen Etabliertem (das den traditionellen D&D-Fan zufrieden stimmt) und Neuinterpretiertem (das den weltenübersättigten D&D-Spieler zum Weiterblättern animiert) ist nicht leicht - aber ich wage zu behaupten, das sie gelingt. Diese Mischung aus "Okay, das kenn' ich" und "Hey, das ist aber cool" macht denn auch den Reiz von Golarion aus.
Überhaupt muß ich sagen, daß Pathfinder und seine Welt Golarion genau die "Coolness" versprühen, die D&D 4 zu haben vorgibt. Aber es ist eben nicht bloß "cool" bzw. sieht so aus, sondern besitzt eine enorme spielerische Substanz, die mich sofort in ihren Bann geschlagen hat.
Rassen, Völker, Klassen
Mit Argamaes Überblick über Golarion geht weiter, diesmal mit den Klassen, Rassen und Völkern Golarions - entsprechend dem ersten Kapitel des **Pathfinder Chronicles Campaign Setting**.
## Über die Präsentation
Das 250seitige Hardcover, stabil und mühelos aufgeklappt hinzulegen, hat eine sowohl funktionelle als auch stilvolle Aufmachung, die sich nie in Layout-Spielereien oder grafischen Kapriolen verliert, sondern immer ihren Dienst als Infoquelle und Nachschlagewerk für einen Spielleiter am Spieltisch versieht. Vorbildlich.
Fünf Kapitel sowie 4 Anhänge gliedern die zahlreichen Infos zu der "alten neuen Spielwelt", wie der Herausgeber Mike McArtor schreibt.
**Kapitel 1** befaßt sich mit Charakteren und beleuchtet die insgesamt 18 Spielerrassen und -völker sowie die 11 Charakterklassen mit Bezug auf Golarion. Hier ist die Präsentation ganz besonders gefällig: jede Rasse/jedes Volk hat einen zweiseitigen Eintrag. Ein Infokasten gibt auf einen Blick die wichtigsten Details über das Volk wieder: Muttersprache, Bevorzugte Regionen und Götter, Namensgebung sowie weibl. und männl. Beispielnamen. Eine Kopfillustration zeigt die jeweilige Rasse/das Volk, während ein "Flavour-Text" persönliche Meinungen über bzw. Erfahrungen mit der Rasse aus Sicht eines NSC auf Golarion beschreibt.
Cooles Detail: ein separater Textkasten beschreibt eine besondere Eigenart oder auch kulturellen Ritus des Volkes, das der allgemeinen Beschreibung extra Würze verleiht und die "Standardrassen" in der Welt von Golarion verankern. Diese dienen in erster Linie zur Hintergrundausschmückung, sind aber auch hochgradig geeignet, Aufhänger für Abenteuer oder Charaktergeschichten zu liefern.
Neben den 18 primären Spielerrassen und -völkern liefert das Buch auf einer weiteren Seite noch Details zu anderen mehr oder weniger zivilisierten Rassen, jeweils mit ein, zwei Sätzen oder einem kurzen Absatz. Somit erhält man auch gleich einen Eindruck, was einem auf Golarion noch so über den Weg laufen kann.
Nach den Rassen/Völkern kommen die Charakterklassen. Eingeleitet werden die Beschreibungen durch eine kleine spieltechnische Besonderheit, die die jeweilige Klasse auf der Golarion-Welt besitzt bzw. besitzen kann. Danach geht es aber ohne regeltechnische Daten weiter und man erhält stimmungsvolle wie informative Einzelheiten zu den Klassen, wie etwa ihre Verbreitung, ihre bevorzugte Kleidung, kulturelle Unterschiede und mögliche Heimatregionen. Fürs Auge gibts auch was, nämlich die von den Pathfinder-Abenteuerserien bekannten Beispielcharaktere aus der Feder von Wayne Reynolds, die jede Klasse optisch darstellen.
Die Regionen
Mit Argamaes Überblick über Golarion geht weiter, diesmal mit den** Regionen Golarions** - entsprechend dem zweitem Kapitel des **Pathfinder Chronicles Campaign Setting**.
In** Kapitel 2** fährt das Hardcover dann zu voller Stärke hoch: die Regionsbeschreibung der "Inner Sea" (dt. Inneres Meer). Den Löwenanteil der 250+ Seiten machen die Beschreibungen der Nationen und Länder rund um das Innere Meer aus. Hierbei werden die Kontinente Avistan und Garund berücksichtigt, wobei der südliche Kontinten Garund (ungefähr vergleichbar mit Afrika) nicht vollständig erfaßt wird. Das Innere Meer ist denn auch der Hauptschauplatz des gesamten Settings.
Die fast 40 Landstriche, Reiche und Nationen (von Absalom, der gewaltigen Metropole im Herzen des Inneren Meeres bis zum dämonischen Kriegsgebiet der "Weltwunde") folgen in der Präsentation dem altbewährten Muster aus Gygaxs' Tagen: in einem separaten Textkasten werden Gesinnung, Hauptstadt, erwähnenswerte Siedlungen, Herrscher, Regierungsform, Sprachen und vorherrschende Religionen genannt. Optisch eingeleitet wird jede Beschreibung jedoch vom Namen, einer Ein-Satz-Kurzbeschreibung sowie dem Wappen bzw. der Nationalflagge.
Diese Ein-Satz-Kurzbeschreibungen fangen auf einen Blick den wesentlichen Aspekt bzw. Charakter der Nation bzw. des Landes ein, etwa "Stadt im Zentrum der Welt" bei Absalom, "Religiöses Paradies der Kaufleute" für die Kalistrokratie von Druma, "Wachsames Grenzkönigreich" für Lastwall oder "Monument an einen verlorenen Zaubererkönig" im Lande Nex. Wie auch bei den Rassen- und Volksbeschreibungen wird jeder Ländereintrag auf 2 oder 4 Seiten dargelegt, je nach Größe und Bedeutung der Nation. Auf diesen Seiten wird die geschichtliche Entwicklung geschildert, auf besondere Orte oder geographische Merkmale eingegangen und die Regierung erläutert. Mindestens eine Zusatzillustration zeigt dann z.B. Herrscher, Münzen oder Karten der Region.
Cooles Detail: für jeden Eintrag (sprich: Land) wird ein "regional feat" (Regionaltalent) vorgestellt, daß Charaktere aus diesem Reich unter bestimmten Bedingungen auswählen können. Diese Talente sind nicht nur schmuckes Beiwerk sondern durchaus nützlich. Darüber hinaus färben sie oft den Nationalcharakter des Landes und machen ihn so besonders anschaulich. Das erste Kampagnensetting, daß von solchen Regionaltalenten Gebrauch machte, war meines Wissens "Die Vergessenen Reiche".
Neben der zweiseitigen Einleitung (bevor die einzelnen Nationsbeschreibungen starten) gibt es auch noch abschließend in diesem Kapitel eine sechsseitige Zusammenfassung über die anderen Kontinente auf Golarion. "Jenseits des Inneren Meeres" erläutert den Rest des Superkontinentes Casmaron, die Geheimnisse von Azlant, das Asiatenreich von Tian Xia sowie weitere Einzelheiten zum Rest der Welt.
Religionen und Götter
Argamae lässt sich auch von Sylvester nicht abschrecken und berichtet im nunmehr fünften Teil von den** Religionen und Göttern Golarions**, dem dritten Kapitel des **Pathfinder Chronicles Campaign Setting**.
Kapitel 3 widmet sich intensiv um die Religionen und Götter Golarions. Auch dies geschieht - wie in den Kapiteln zuvor - auf sehr übersichtliche und bequeme Art und Weise.
Den Auftakt machen 12 neue Domänen, die den Klerikern von den Göttern Golarions zugänglich gemacht werden. Von "Artifice" bis "Weather" werden die Domänen tabellenartig aufgelistet - zusammen mit den auf jeder Stufe verliehenen Zaubern sowie der verliehenen Domänenkraft. Die meisten dieser Domänen sind D&D-Spielern bereits aus Ergänzungswerken der 3.5-Regeln bekannt und finden sich auch im Zauberkompendium wieder.
Anschließend geht es dann an die Beschreibung der 20 Hauptgötter, von denen jeweils 2 auf einer Seite vorgestellt werden. Neben dem Namen des Gottes und seines Titels bzw. seiner Bezeichnung findet sich auch sein prominentes Symbol optisch wieder. Ferner werden in einem Kasten mit Spielwerten kurz seine Alternativtitel, Gesinnung, Domänen, bevorzugte Waffe, Glaubenshochburgen und "Nationalität" (d.h. welches Volk ihn hervorgebracht bzw. welcher Rasse er einst angehörte) aufgeführt. Den Rest der Spalte macht dann die Beschreibung des Gottes und dessen Glauben aus.
Neben den üblichen Verdächtigen, die man unter den Göttern für ein Fantasysetting erwartet (etwa einen "Gott für Paladine" [Iomedae] oder einen "Fürst der Finsternis" [Zon-Kuthon]), finden sich auch andere, schön beschriebene und dogmatisch interessante Götter/Göttinnen wieder. Etwa Pharasma, die Herrin der Gräber - Göttin des Schicksals, der Prophezeihungen, des Todes und der Geburt. Oder Desna, das Lied der Sphären - Göttin der Träume, Sterne, Reisenden und des Glücks. Oder auch Cayden Cailean, der Trunkene Held - Gott der Freiheit, des Bieres und Weines sowie der Tapferkeit.
Dann folgen 10 weitere Götter, die auf Golarion kleinere, untergeordnete oder eben spezielle Rollen spielen - aber mindestens so interessant (wenn nicht noch interessanter) sind wie die großen 20.
Eine Diskussion über Götter wäre aber nicht vollständig, würde man sich nicht auch über Teufel, Dämonen und Himmlische Lords unterhalten. Kapitel 3 stellt denn auch acht Erzteufel, dreizehn Dämonenlords, sechs Himmlische Lords sowie vier Erzdämonen vor, denen weniger wohltätige Kleriker die Gefolgschaft schwören können. Ferner kommen auch vier Philosophien zur Sprache, die einige der verbreitesten Glaubensbekenntnisse bzw. Weltanschauungen auf Golarion darstellen - etwa der Diabolismus (der Verehrung der Neun Kreise der Hölle) oder Die Prophezeihungen von Kalistrade ("Erlange Reichtum durch Verweigerung der körperlichen Welt"). Insbesondere dieser Abschnitt war mir ein großes Lesevergnügen.
Doch damit endet das Kapitel über Religion noch nicht. Es folgt abschließend noch eine detaillierte Diskussion über die Kosmologie - den Aufbau der Welt und der verschiedenen Existenzebenen. Ebenfalls spannend zu lesen, sei es die Beschreibung der relativ klassischen Elementarebenen oder die Ausführungen über die seit alters her bekannten Ebenen des Elysiums, Limbo oder Nirvana.
Organisationen
Im neuen Jahr geht es weiter mit der Vorstellung vom** Pathfinder Chronicles Campaign Setting** aus der Feder von Argamae.
Das lediglich zwölf Seiten lange** Kapitel 4** - "Organizations" - beschreibt eine Reihe von Machtgruppen und "Interessenverbänden" (sozusagen), die einen maßgeblichen Einfluß auf Teile der Welt von Golarion haben.
Fünf dieser Gruppierungen werden ausführlich, 13 weitere kurz vorgestellt. Und wieder einmal finden sich dazwischen hochspannende Infos und massig Abenteuerideen. Ähnlich, wie auch die Nationen, werden die Organisationen zunächst übersichtsartig präsentiert: ihre Gesinnung, ihr Hauptquartier, ihr Anführer, ihre hervorstechenden Mitglieder, ihre Struktur, ihr Einfluß/ihre Verbreitung und ihre Ressourcen. Es folgen dann ein bis zwei Seiten (wie zuvor jeweils abgeschlossen, d.h. alles über eine Organisation paßt genau auf eine bzw. meist 2 Seiten), die Details und Geschichte zur Gruppierung darlegen.
Die 5 ausführlichen Organisationen sind:
- Das Aspis-Konsortium (regional operierende, ruchlose Kaufleute)
- Die Adlerritter von Andoran (leuchtende Vorbilder für das Gute, aber ideologisch verbrämt?)
- Die Höllenritter (Wahrer der Ordnung durch Gewalt, Folter und Furcht)
- Die Pathfinder-Gesellschaft (Forscher und Entdecker alter Geheimnisse)
- Die Rote Gottesanbeterin (Meuchelmörder, Diebe oder Todeskultisten?)
Zu den Geringeren Gruppen zählen illustre wie spannende Organisationen, z.B. uralte Kulte, Verbrechersyndikate, religiöse Extremisten, gottesfürchtige Großfamilien u.v.m. Ich kann hierzu nicht allzu sehr ins Detail gehen, da mit vielen Gruppen auch Hintergrundgeheimnisse der Welt verknüpft sind.
Kapitel 4 zeigt erneut deutlich die Vielfältigkeit des Pathfinder-Settings. Nicht nur sind die einzelnen Organisationen interessant und spannend geschrieben, sie vermitteln auch hintergründiges zur Welt und deren Geschichte. Und vor allem vermitteln sie jede Menge Atmosphäre. Zu einigen dieser Gruppierungen gibt es Prestigeklassen, die ich im kommenden Beitrag vorstelle.
Die Welt
Das** 5. und letzte Kapitel** - es folgen noch die Anhänge - ist betitelt "The World". Hierin finden sich diverse Infos zu Golarion im Ganzen.
Anfangen tut es mit einer stichwortartigen Zeitleiste der 5 Zeitalter Golarions, angefangen beim Zeitalter der Dunkelheit bis hin zum aktuellen Zeitalter der verlorenen Omen. Sie beginnt vor ca. 10.000 Jahren, als der Sternenstein auf Golarion niederstürzt und das erste Zeitalter der aufgezeichneten Geschichte einläutet. Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch schon große und ausgedehnte Imperien, allen voran das mächtige Azlant, welches in den Katastrophen nach dem Erdsturz untergeht. Es folgen lange Jahrhunderte der Barbarei und Finsternis, bevor die Völker Golarions langsam zu einem geordneten Dasein zurückfinden. Diese trostlose Ära geht als Zeitalter der Schmerzen in die Geschichte ein. Aber als die Völker ihr Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen und die Zivilisation neu erstarkt, werden neue, mächtige Reiche gegründet - insbesondere Osirion und Taldor, die zu neuen Zentren von Bildung, Kultur und Wohlstand heranreifen.
Als Aroden, der Letzte Azlanti, den Legenden zufolge den Sternenstein aus den Tiefen des Inneren Meeres birgt, schwingt sich die neu gegründete Stadt Absalom zu der mächtigsten Metropole der bekannten Welt auf. Auch im aktuellen Zeitalter, knapp 5000 Jahre später, ist sie der Maßstab aller Städte. In dieser Zeit zerbrechen viele große Reiche und neue, unabhängige Staaten und Nationen werden aus der Taufe gehoben, neue Regenten krönen sich zu Königen. Und so geht diese Ära als das Zeitalter der Thronbesteigung in die Geschichte ein. Über 4000 Jahre wärt diese turbulente Ära, bis eine weitere Katastrophe und ein großer Verlust Golarion heimsuchen: Aroden, der aus einem Sterblichen gemachte Gott, stirbt. Während noch ein Zeitalter des Ruhms prophezeiht wurde, das mit der Manifestation Arodens eingeläutet werden sollte, verkehrt sich die Vorsehung ins Gegenteil. Unglauben, Furcht und Fassungslosigkeit verbreiten sich schockwellenartig unter den Religionen und Kirchen Golarions - und deren vorderste Streiter, den Klerikern. Wieder einmal bröckeln Herrschaftsstrukturen, Reiche zerfallen und die bislang als eindeutig geltenden Prophezeihungen und Voraussagen verlieren ihre Kraft. Cheliax, eines der bedeutendsten Reiche und Hochburg des Glaubens an Aroden, zersplittert und macht den Weg für Diabolisten frei, die durch das mächtige Adelshaus Thrune die Macht ergreifen. Doch auch anderswo fallen die Mächtigen: in Andoran, einem abgesplitterten Teil des cheliaxanischen Reiches, transformiert ein Bürgeraufstand die ehemals monarchistische Regierung in eine Demokratie. Blutiger sind die Umwälzungen in Galt, wo Guillotinen der Roten Revolution in blindem Fanatismus und zügelloser Paranoia noch heute Todesopfer fordern. Was Jahrhunderte, gar Jahrtausende als sicher galt, scheint ins Schwanken geraten zu sein. Die Führung durch die Götter ist nicht mehr eindeutig. Weitere Veränderungen stehen bevor, doch noch ist nicht klar, ob zum Guten oder zum Bösen. Es sind jetzt 100 Jahre seit Arodens Tod vergangen - und das Zeitalter der verlorenen Omen hat eben erst begonnen...
Nach dem geschichtlichen Teil bietet Kapitel 5 einen Überlick über die Dunkellande, dem** Pathfinder**-Gegenstück zum Unterreich, wo Duergar, Drow und andere eher unfreundliche Zeitgenossen ihr Dasein fristen. Diesen Teil habe ich aktuell noch nicht gelesen.
Es folgt dann eine Auflistung 11 neuer Domänenzauber, die auf Kapitel 3 Bezug nehmen. Es ist einer der ersten "richtig" spieltechnischen Abschnitte im Kampagnensetting. Blättert man die 2 Seiten um, kommt man zum erweiterten Ausrüstungskapitel, in dem kulturspezifische Waffen, Rüstungen und andere Gegenstände erklärt und tabellarisch mit Spielwerten erfaßt werden. Hier erfährt man auch, daß in Teilen Golarions bereits Feuerwaffen existieren - die Regeln dafür liefert das Kapitel gleich mit.
Das Info-Sammelsurium von Kapitel 5 geht dann mit einer Beschreibung der Fauna weiter, in dem (seltsamerweise) nichts Spielregeltechnisches zu finden ist. 10 golarionspezifische Kreaturen werden bildhaft und stimmungsvoll beschrieben, etwa der "Feuerpfoten-Fuchs" (ein echter Star unter den weiblichen Teilnehmern in einer meiner Spielrunden, wo sie die Gelegenheit hatten, eines dieser Tiere aus einer Falle zu retten) oder der weniger "süße" Slurk - ein subterraner, bleicher Frosch von der Größe eines Wildschweins. Wie gesagt - das keine Spielwerte zu finden sind, befremdet mich etwas. Die wären sinnvoll und nützlich gewesen. Im Falle der oben erwähnten Feuerpfote waren im Abenteuer selbst, in dem sie auftauchten, spielwertrelevante Infos angegeben. Möglicherweise - und das kam mir auch in anderen Kapiteln in den Sinn - wurden Spielwerte bewußt vermieden, um nach Erscheinen der endgültigen Regeln des** Pathfinder**-Regelbuches im August nächsten Jahres keine Neuauflage des Kampagnensettings in Angriff nehmen zu müssen. Das wäre allerdings mal sehr kundenfreundlich, falls es denn zutrifft.
Wo Fauna ist, muß auch Flora sein. Und so folgt dem Tierabschnitt einer über Pflanzen. 12 besondere Pflanzen werden beschrieben - etwa die Eisenblütenpilze, deren erdiger Nachgeschmack besonders bei Zwergen beliebt ist, oder das mysteriöse Geistermoos, das den Schleier zwischen Leben und Tod lüftet und dessen modriger, den Körper schwächender Konsum eine exquisite Nebenwirkung hat: der Verzehrer hat kurzzeit die Fähigkeit, mit Toten zu sprechen. Dieser Abschnitt enthält auch allgemein gültige Spielwerte.
Feats (Talente) dürfen wohl auch nicht fehlen, und so bietet das Buch 13 neue General Feats (Allgemeine Talente) an. Einige sind spezifisch für Golarion und seine Völker/Organisationen, andere lassen sich auch für reguläre D&D-Runden in anderen Welten verwenden. Ein besonders schöner Feat ist "Harrowed" (auch schon im kostenlosen Download des "Curse of the Crimson Throne Player's Guide" enthalten). In der** Pathfinder**-Welt gibt es das sogenannte "Harrow-Deck", ein Kartendeck, mit dem Kundige die Zukunft vorhersagen oder Antworten auf Fragen erhalten können (ähnlich wie Tarot). Ein Charakter mit diesem Feat ist scheinbar vom Schicksal zu etwas Besonderem bestimmt worden. Er darf einmal pro Tag eine Karte aus dem Harrow-Deck ziehen, das er selbst besitzt. Für den Rest des Tages erhält er einen Bonus von +2 auf einen W20-Wurf, der mit der Kartenfarbe harmoniert; hat er z.B. eine Karte aus der Farbe "Weisheit" gezogen, kann er diesen Bonus auf einen Rettungswurf: Willenskraft oder eine Fertigkeitsprobe anwenden, die auf Weisheit basiert.
Ein Abschnitt über Sprachen klärt dann über die verschiedenen Zungen auf, denen man in der Welt Golarion begegnen kann. Dabei wird nach modernen Menschensprachen, toten Sprachen und Nichtmenschen-Sprachen unterschieden. Es werden zwar keine Alphabete geliefert, aber der Klang der meisten Sprachen wird kurz beschrieben.
Dann folgt ein Bereich, der zwar nur 2 Seiten lang ist - und eine dieser Seiten wird von einer Karte eingenommen - aber dafür bei dem Spielleiter garantiert Interesse weckt: Untergegangene Königreiche. Zu insgesamt 10 verlorenen Reichen wird kurz und knapp das Wichtigste gesagt - es reicht für einen guten Eindruck, wie das Reich einst gewesen sein muß. Tiefer schürfende Infos gibt der Abschnitt leider nicht preis. Sehr interessant ist die Karte: sie zeigt das heutige Golarion (Bereich des Inneren Meeres) und darüber sind die Ausmaße und Grenzen der untergegangenen Länder gedruckt, wodurch man auch einen Eindruck gewinnt, welche Küstenabschnitte einst noch nicht unter Wasser waren.
Wo Feats sind, müssen auch Prestigeklassen sein.** Pathfinder** macht da keine Ausnahme. Fünf Klassen stehen zur Auswahl, die jeweils zehn Stufen umfassen. Alle sind natürlich golarionspezifisch.
- Harrower (ein magisch begabter Karten-Weissager mit Macht über das Schicksal)
- Low Templar (Tempelritter mit niederen Beweggründen, den der konstante Kampf gegen das Grauen der Dämonenbrut aus der Weltwunde zerrieben hat)
- **Pathfinder** Chronicler (Chronist der enigmatischen** Pathfinder**-Gesellschaft)
- Red Mantis Assassin (Mitglied der berüchtigten Organisation/Kultist)
- Shackles Pirate (eine stimmungsvolle Piraten-Klasse, die es gelernt hat, das "Auge von Abendego" zu navigieren - einen gewaltigen, stationären Wirbelsturm)
Überrascht hat mich der anschließende Abschnitt über "Psionics". Dort wird Stellung genommen zu dem Vorhandensein und der Natur von psionischen Kräften im** Pathfinder**-Setting. Ich habe den Abschnitt noch nicht vollständig durchgelesen, aber auf Golarion sind psionische Kräfte extrem selten.
Dann folgt der absolut hochinteressante Abschnitt über Technologie auf Golarion. Von Uhrwerk-Maschinen, Druckerpressen, Feuerwaffen und anderen Errungenschaften (bzw. legendären, nicht mehr reproduzierbaren Künsten) ist hier die Rede. Interessant vor allem wegen der vielen Welt-Infos, die zwischengestreut sind.
Weitere Abschnitte dieses 5. Kapitels umfassen "Time & Space" (in dem die Zeitrechnung, der Golarionkalender und das Sonnensystem vorgestellt werden), "Trade" (in dem über Handel in der nördlichen und südlichen Hemisphäre berichtet wird) sowie "Weather & Climate" (wo auch besondere Wetterphänomene angesprochen und sogar Bauernregeln für Golarion aufgeführt sind).
Damit enden die regulären Kapitel des Buches.
Über die Anhänge berichte ich noch einmal gesondert.
[Olaf "Argamae" Buddenberg]