Pfeffersaecke
1998-11
Wir befinden uns im Europa gegen Ende des Mittelalters. Hier bestimmmen reiche Handelsfamilien "die Pfeffersäcke" das Geschehen¸ indem sie durch den Aufbau eines Netzwerks aus Handelsstraßen an Macht und Reichtum zu gewinnen. Selbst der Adel weiß ob solcher Namen wie Fugger¸ Welser und Tucher nur anerkennend zu nicken.
Die Aufgabe der Spieler bei Pfeffersäcke ist es¸ in gegenseitiger Konkurrenz ihre Kontore in den Städten entlang der Handelswege zu gründen. Gewinne sinnvoll in den Ausbau der Kontore zu investieren und nebenbei Rücklagen zu bilden.
Eine der absoluten Neuerscheinungen zur Spiel'98 in Essen¸ ist das Spiel Pfeffersäcke von Goldsieber - sicherlich einer der Anwärter für den Deutschen Spielepreis '99¸ bzw. für das Spiel des Jahres '99.
Die Hardware
Aber kommen wir zur Aufmachung des knapp 60.-Dm teueren Spiels. Die recht hohe Box aus stabiler Pappe hätte auch mit der halben Höhe mehr als genug Platz für den Inhalt geboten. Schade¸ daß man scheinbar in der Spielebranche immer noch auf dieses Relikt der Käufertäuschung zurückgreifen mu߸ denn so mancher Schrank spielefreundlicher Menschen platzt ohnehin schon aus allen Nähten. Vielleicht mal ein Punkt über den man nachdenken sollte !?
Nach dem - bereits zum Ritual avancierten - Ausstanzen der Pappelemente nach dem ersten Öffnen der Box¸ liegen etwas mehr als 40 herausgetrennte kleinere aber griffige Teile vor mir¸ dazu eine Zählleiste mit Werten von eins bis zwanzig.
Außerdem beherbergt ein durchsichtiges Plastiksäckchen mit 270 Holzhäuschen (Siedler-Style) in sechs verschiedenen Farben (blau¸ grün¸ braun¸ rot¸ grau und natur).
Abgerundet wird der Inhalt durch 150 beidseitig bedruckte Geldscheine¸ mit Werten zwischen 1 und 20. Man sollte bereits beim ersten Durchsehen des Inhalts ein Gummi bereithalten¸ um ein anschließendes Herumfliegen der Scheine in der weiträumigen Box zu vermeiden.
Die Spielregeln werden einem als - sehr vorbildliche - 8seitige Anleitung (DIN-A4) dargeboten. Die durchgehend farbige Anleitung ist übersichtlich mit zweispaltigem Layout realisiert und leicht verständlich. Das ist auch sehr sinnvoll¸ da die Regeln schon etwas komplizierter sind und zum anderen je nach Spielerzahl die Kosten für alle Aktionen variieren. Gut das die Rückseite der Anleitung alle Kosten / Spieler-Variationen noch einmal als Tabelle zusammengefaßt wurde und außerdem der Rundenablauf stichwortartig zusammengefaßt wurde.
Der Spielplan erreicht ausgefaltet die Größe eines DIN-A2 Feldes¸ ist gegen kurze Feuchtigkeitseinwirkung beschichtet und auf der Unterseite (wie einfallsreich) mit vier großen Goldsiebersymbolen versehen. Ich habe mich schon lange gefragt¸ warum man diesen Platz nicht besser nutzt - vielleicht mit einer Vorstellung des Autors¸ einer Kurzanleitung oder Ähnlichem.
Das Spielmaterial hinterläßt durchgehend einen sehr guten Eindruck. Sowohl Spielfläche als die anderen Spielelemente (beidseitig) sind sehr ansehnlich verziert und sehr robust - bis auf das Papiergeld natürlicch¸ das keinesfalls die Qualität deutscher Banknoten aufweisen kann.
Der Spielverlauf
Nachdem alle Spieler alle Häuser ihrer Farbe¸ ihr Startkapital (je nach Spielerzahl)¸ zwei Geldbriefe und 20 Punkte auf der Zählleiste zugewiesen bekommen hat¸ darf jeder Spieler noch mit einem Haus die eins auf der Spielfeldumrandung markieren - das Demonstriert auch gleich seine derzeitige Machtlosigkeit¸ denn diese Umrandung hat den Höchstwert 99. Zudem erhält jeder Mitspieler sogenannte "Stadtmarken"¸ die in Ihrer Form und dem Aufdruck den bereits auf dem Spielplan befindlichen Städtemarkierungen ähneln - sie enthalten Werte von 2-8. Diese Zusammensetzung seiner Marken behält jeder Spieler für sich.
Reihum setzt nun jeder Spieler sein erstes Kontor (Handelsfilliale) auf die Kleinstadt seiner Wahl.
Im Anschluß daran beginnt die erste Runde. In jedem Spielzug wiederholen sich immer folgende Aktionen:
- Der Spieler muß eine Stadtmarke auf das Spielfeld legen. Die Zahl auf seiner Marke muß dabei mit dem Wert der Stadt übereinstimmen. Der Wert der Marke¸ bzw. Stadt gibt an¸ wieviel Kontore dort eröffnet werden dürfen. Die Stadtmarken werden im Verlauf des Spieles wieder von der Spielfläche verschwinden¸ sobald ein Spieler in der entsprechenden Stadt die Mehrheit der möglichen Kontore erbaut hat.
- Nun kann der Spieler für jede Stadt entscheiden¸ ob er ein bestehendes Kontor erweitern möchte¸ oder ob er lieber den Gewinn aus dem Handel dort abschöpfen möchte. Eine Ersteröffnung einer "jungfräulichen" Stadt verursacht keine Unkosten¸ die Erweiterung eines bestehenden Kontors kostet jedoch das Ersparte (Kosten j.n.Sz.).
Wer sich gegen das Bauen entscheidet¸ kann aus seinem vorhandenen Kontor Geld erwirtschaften (Gewinn j.n.Sz.) - zumindest solange die Stadtmarke noch vorhanden ist¸ d.h. keiner das Monopol besitzt. - Jeder Spieler erhält ein Grundeinkommen (Verdienst j.n.Sz.)¸ daß jede Runde gleich ist.
- Der Spieler kann ein (nur eines !) Kontor pro Runde eröffnen¸ sofern er eine Stadt wählt¸ die er direkt von einem bestehenden Kontor erreichen kann¸ in die er bislang noch nicht gebaut hat¸ in der noch ein freier Platz ist und in der die Stadtmarke bereits¸ bzw. noch liegt.
Dieser Umstand erweist sich manchmal als knifflig¸ da die Überbrückung der Handelswege zur nächsten Stadt Kosten verursacht. Wählt man z.B. den direkten (schnellsten) Weg zwischen zwei Großstädten¸ so sind die Kosten horrend. Dagegen ist der zeitaufwendige (in Runden) Weg über mehrere Dörfer meist wesentlich günstiger. Erschwerend ist¸ daß pro Dorf nur ein Kontor eröffnet werden darf und diese Wege meist schnell durch die Konkurrenz verstopft sind. Die Zahl der Dörfer ist begrenzt und wird ständig auf der Zählleiste mitverfolgt.
- Alle Dörfer wurden mit Kontoren "verbaut"¸ d.h. der Zähler auf der Leiste hat den Wert Null erreicht.
- Alle Stadtmarken der großen Städte wurden durch Handelsmonopole (absolute Mehrheit an Kontoren) erobert.
- Wenn über eine Runde keiner der Spieler ein Kontor eröffnet.
Abschließend erhält noch jeder Spieler Punkte für jedes erreichte Gebiet¸ und für erwirtschaftetes Geld. Diese Punkte addieren sich zu denen¸ die man bereits im Spiel für bebaute Dörfer (bzw. Kleinstädte) und eroberte Stadtmarken (sprich Handelsmonopole) bekommen hat. Überschreitet man hierbei den Wert 100¸ so erhält man eine der 100er-Spielmarken und zählt bei eins weiter.
Als äußerst nützlich erweisen sich auch die jeweils zwei Geleitbriefe¸ die man bei Spielbeginn erhält und die jeweils eine Aktion in ihrem Nutzen verdoppeln (doppelter Gewinn¸ zwei Kontore oder Häuser)
Die Spielanleitung beschreibt auch noch gesondert das Spiel für zwei Personen und gibt auch - eine anfangs sehr ratsame Lektüre - taktische Hinweise und Spieltips.
Peffersäcke kann spielerisch voll überzeugen. Es stellt einen reinen Wettlauf zwischen den Spielern dar¸ in dem die Kommunikation (in Form von Handel¸ etc.) nicht notwendig ist. Vielmehr steht die taktische Komponente des geschickten Geldsammeln¸ Wege planen und vernünftig erweitern im Vordergrund. Wer die Taktik seiner Gegner durchschaut¸ kann entsprechende Maßnahmen treffe¸ um den vermeintlichen Siegeszug zum Irrweg werden zu lassen.
Wer diese Art von Spielen mag¸ erwirbt mit Pfeffersäcke ein sauber durchdachtes Strategiespiel in edlem Outfit. Hoch anzurechnen ist die Variationsbreite der Spielerzahl von 2 bis 6 - ein Feature¸ daß manche Spieleproduzenten gar nicht erst anstreben - oder gezielt (aus Geldmacherei) au sogenannte "Erweiterungen" verteilen. Allerdings erscheint mir das Spiel mit sechs Leuten beinahe schon etwas zu voll. Besonders hervorzuheben¸ sind die phantasievolle Illustration der Spielelemente¸ die vorbildliche Anleitung und natürlich das Spielprinzip.
Einzige Kritikpunkte bleiben die zu großzügig ausgelegte Box¸ die mehr vortäuscht als eigentlich drin ist¸ ein fehlender Stoffsack für die 270 Häuser (Plastik ist out !) und die Tatsache¸ daß Pfeffersäcke - entgegen seinem Namen¸ kein Handelsspiel¸ sondern eher ein reines Taktikspiel ist.
Dogio the Witch |