Realismus im Rollenspiel - Anregung¸ Entwurf eines Rollenspiels
von Jens Peter Kleinau
Bezeichnung: Realismus im Rollenspiel
Motivation: Anregung, Entwurf eines Rollenspiels
Gehört zum Kapitel: Spielwelt / Grundregeln
Dieser Artikel wurde erstmalig im Online-Magazin für Fantasy und Science-Fiction X-Zine veröffentlicht.
Ein Beitrag von Jens Peter Kleinau
Wie sieht es der Realismus im Rollenspiel aus. Soll dieser durch Regeln abgebildet werden, oder kann man gerade realistische Dinge kannst durch gesunden Menschenverstand "regeln", ohne irgendwelchen Papierkram?
Gesunder Menschenverstand ist äußerst subjektiv und führt zu weitaus mehr Stockungen im Spielfluss als eine klar definerte Regel. Zwar sollte man den gesunden Menschenverstand über jede Regel setzen, um unlogisches oder unperfektes aus einem System zu eliminieren, doch kann man ihn nicht als Ersatz nehmen (dies gilt jedenfalls für die Standard RPG-Systeme, es gibt da Ausnahmen).
Oder kann jemand genau sagen ob der Sprung jetzt mit einem Modifikator -3 wg. Gegenwind oder doch eher mit einer 43% Chance klappen würde. Da Problem liegt in der Abstraktion der Realität, die durch Werte abgebildet werden soll. Dieser Mechanismus ist ehrlich gesagt grobes Peilen über den Daumen und niemand sollte bei solcher Schätzerei von Realismus reden, das ist Unsinn oder Selbstbetrug. Daumenpeilerei hat nur wenig mit Realismus zu tun aufgrund der Probleme mit der Qualifizierung durch ein subjektives Individuum.
Jedes Individuum kann eine Situation nur UNGEFAEHR berücksichtigen, über den Daumen peilen und in einer Gesamtmodifikation für eine Regel zusammenfassen. Selten sind alle Faktoren den Spielern, Spielleitern oder Rollenspielautoren bekannt, die eine Situation beeinflussen können. So sind die Personen mit langjähriger Erfahrung in Axtkampf eher dünn gesäht und auch die Quellen geben oft nur wenig Auskunft, wie weit ein Römischer Soldat in voller Rüstung aus dem Stand gesprungen ist.
Das gilt für die Autoren des Rollenspiels genauso, wie für die Spieler. Der Vorteil von Regeln ist, daß schon vor dem Ereignis und dem Spielbeginn ein Einverständnis herrscht mit den vorhandenen Regeln zu spielen, selbst wenn diese nicht optimal die Realität simulieren. Ist diese Einigkeit nicht vorhanden, dann steht man vor einer offenen Diskussion, welche den Spielfluss ausbremst.
Rollenspiel kann aus verschiedenen Gründen nicht realistisch sein. Bei verschiedenen Aspekten verbietet sich das von selbst: Magie ist nicht realistisch.
Dies gilt aber auch für den Kampf im Rollenspiel, er ist nicht realistisch. Um dies für das Spiel logisch ablaufen zu lassen, müssen gewisse Regeln aufgestellt werden. Hier reicht der gesunde Menschenverstand nicht. Um den Kampf aber möglichst realistisch abzubilden und um dem Spieler noch mehr Aktionen zu ermöglichen, werden viele Optionen eingebaut, dies führt aber meist zu einem Überschuss an Regeln Es ist ungeheuer schwierig die Regeln so zu fassen, daß sie Freiheit und Spielbarkeit miteinander vereinbaren.
Wie verhält sich aber der "Realismus" und die Regeln in einer völlig fantastischen Welt? Kann man darin überhaupt Rollenspielen?
Wie es scheint, ist es durchaus möglich, eine vollkommen fantastische Welt zu erzeugen. Nur muß sie mit aller Konsequenz durchdacht sein. Die Frage stellt sich nur, inwieweit wir kausale oder nichtkausale Zusammenhänge für eine fantastische Welt mit den Maßstäben unserer Wissenschaft berechnen wollen oder überhaupt können. Da es sich um eine fantastische Welt handelt (Nehmen wir mal hier die Welten von Philipp Jose Farmer "Welt der tausend Ebenen" und Folgebände) können unsere Wertmaßstäbe absolut falsch sein.
Wir müssen uns etwas nur glaubhaft als realistisch - und das ist hier der Streitpunkt- vorstellen können, um es als Fantasy akzeptieren zu können, in der wir mit Figuren handeln können. Können wir uns etwas nicht glaubhaft als realistisch vorstellen, so können wir nicht uneingeschränkt handeln, da die Konsquenz des Handelns unabsehbar ist. Ich spreche hier von der Realität, die die Spielfigur erlebt, nicht von der Realiät, die wir als Erlebnis täglich vorgesetzt bekommen. Die Notwendigkeit des Handelns als Spielfigur schränkt also die Freiheit der Realitätsgestaltung für die fantastische Welt ein.
Wenn die Konsequenz des Handelns gegeben ist, so können auch Regeln formuliert werden, die diese Konsequenz abbilden. Somit kann auch eine völlig fantastische Welt als Rollenspielbasis gelten und "realistisch" wirken.