Wie man Abenteuer schreibt - Universell. Anregung und Hilfe für Spielleiter beim Entwickeln von Abenteuern
von Christoph Böhler
Bezeichnung: Wie man Abenteuer schreibt
Motivation: Anregung und Hilfe für Spielleiter bei der Ausgestaltung von Abenteuern
Gehört zum Kapitel: Spielleiter / Abenteuer schreiben
Dieser Artikel wurde erstmalig im monatlichen Rollenspiel-Magazin Envoyer veröffentlicht und vom X-Zine online bereitgestellt. Der Autor Christoph Böhler ist Webmaster von helden.de.
Ein Beitrag von Christoph Böhler
Jeder Spielleiter geht irgendwann daran, selbst ein Abenteuer zu schreiben. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Zum einen mögen Kaufabenteuer nicht das gehalten haben, was sich Spieler und Meister erhofft haben; es kann darum gehen, eigene Ideen und Vorstellungen zu realisieren, oder der ständige Neukauf wird einfach zu teuer. Ich will hier versuchen, die Erfahrungen mit guten und schlechten Abenteuern aufzubereiten, und eine kurze Anleitung zum Thema "eigene Abenteuer" zu geben.
Der erste Schritt ist immer das Sammeln von Ideen. Die Ideensammlung läuft ständig ab, und beginnt nicht erst mit dem Vorsatz, ein Abenteuer zu schreiben.
Diese Ideen können praktisch alles sein. Ein spontaner Einfall, Personen, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen oder Filme und Bücher können als Quellen wirken.
Es ist wirklich nichts Schlechtes daran, sich zu bedienen, denn gut geklaut ist besser als schlecht ausgedacht.
Jeder Einfall wird auf einem Zettel notiert, der dann in eine Kiste wandert, die neben meinem Computer steht.
Ist nun der Zeitpunkt gekommen, an dem mit dem neuen Abenteuer begonnen werden soll, ist es Zeit, ein wenig zu spinnen; oder, wie es so schön neudeutsch heißt: "Brainstorming".
Als erstes wir der grobe Plot benötigt. Entweder befindet er sich bereits auf einem der Zettel, oder ich lasse mir irgendwas einfallen. Dieser ganz grobe Ablauf läßt sich dann mit einem Satz zusammenfassen.
Bsp.: Die Helden finden eine Schatzkarte und begeben sich auf die Suche.
Nun muß dieser grobe Plot in kleine Stücke zerlegt werden. An dieser Stelle ist die Ideenkiste sehr hilfreich. Hier ist es notwendig, sich selbst ein paar Fragen zu stellen und die Antworten zu finden.
Bsp.: Was ist das für ein Schatz? Wo befindet er sich? Woher erfahren die Helden von der Existenz? Wie ist er gesichert? Wer hat ebenfalls Interesse an dem Schatz?
Das Abenteuer und die Antwort auf diese Fragen sollten sich immer auf die Gruppe, für die es geschrieben wurde, beziehen. Was erwarten meine Spieler? Was wollen sie erleben? Wozu sind sie fähig? Ebenso sollten hier die bisherigen Erlebnisse der Heldengruppe berücksichtigt werden. In einem guten Abenteuer zeigen sich immer Zusammenhänge mit vorherigen Begebenheiten und Aktionen. Diese Kausalität trägt entscheidend zur Lebendigkeit und Spannung des Abenteuers bei. Zusammenhänge schaffen könnte man diese Phase nennen.
Bsp.: Die Helden haben sich in den Besitz eines Buches aus der Bibliothek eines Grafen gebracht. Das aber mehr oder minder nebenbei. Welches Abenteuer könnte folgen? Bei einem späteren Lesen in dem Buch fällt ihnen ein kleiner verblaßter Eintrag am Rand des Buches auf - ein Hinweis auf einen Schatz (Ich kenne meine Helden, sie lieben Schätze). Sie machen sich auf, den Schatz zu suchen. Der Graf ist natürlich daran interessiert, die Diebe zu fangen, also werden sie die ganze Zeit verfolgt. Letztlich finden sie den Ort, an dem der Schatz liegen soll. Sie machen sich auf die Suche nach seinem Versteck innerhalb einer verfallenen Ruine. Am Ende erwartet sie eine Überraschung, die sie kopfüber in das nächste Abenteuer stürzen läßt.
Normalerweise ist an dieser Stelle klar, welche Probleme die Helden erwarten und welchen Aufgaben sie sich stellen müssen. Auf diese Weise, wir der "rote Faden" geschaffen, an den sich das Abenteuer im Idealfall hält.
Ein Spielleiter kann aber nie mit allem rechnen, auf das die Helden kommen. Es sollten immer alternative Varianten bedacht werden. Hier spielt wieder die Kenntnis über den Charakter der Spieler eine große Rolle. Der Meister muß Wege finden, sie zum Handeln zu motivieren und notfalls wieder auf die richtige Spur führen.
Dieser Leitfaden legt dann die Handlungsorte und Schauplätze des Abenteuers fest. Diese sind je nach Bedeutung auszuarbeiten. Bei offiziellen Welten gibt es sicher genügend Material, aber auch sonst sollte diese Phase keine großen Schwierigkeiten beinhalten.
Diese Orte sind dann mit Kreaturen und NSC zu bevölkern, wobei besonders jene ausgearbeitet werden müssen, die handlungstragend sind. Die Spieler sollen aber nicht sofort erkennen, welche Personen "wichtig" und welche "unwichtig" sind.
Genauso müssen die Handlungen der Gegenspieler ausgearbeitet werden. Wie gehen sie vor? Alles in allem sollte über den Verlauf des Abenteuers die Stärke des Konflikts wachsen. Je näher die Charaktere dem Ziel des Abenteuers kommen, je größer sollten die Probleme sein, mit denen sie es zu tun haben.
Situationen, in denen es zu Konflikten, die wahrscheinlich über Kampf gelöst werden, kommen kann, sollten auch bedacht werden. Hier die Werte der potentiellen Gegner notieren, ebenso wie die Art und Weise, auf die sie kämpfen.
Nun schließt sich die zeitliche Planung an. Wobei die wahrscheinliche Spielzeit der einzelnen Abschnitte eingeplant werden muß und auch der Zeitfluß in der Spielwelt während des Abenteuers. Bei der realen Spielzeit ganz bewußt Pausen einplanen!
Das Gerüst des Abenteuers steht nun, es kommt jetzt darauf an, dem ganzen Volumen und Stimmung zukommen zu lassen. Plane Begegnungen und Begebenheiten ein, die den Spielern ein Gefühl für die Welt, in der sie sich bewegen, vermitteln.
Fordere den Geist mit guten Rätseln heraus, die sinnvoll in der Story eingebaut sind. Das Wichtigste aber: die Spieler sollen Spaß haben. Gib ihnen, was sie wollen, denn wer kennt sie besser als ihr Meister? Baue ganz bewußt Situationen ein, die für die Spieler bewegend sind.
Unser Abenteuer ist jetzt fertig. Da die meisten Abenteuer ohnehin nur in Form von Stichpunktsammlungen geschrieben werden, möchte ich dazu nicht allzuviel sagen. Nur soviel. Sei bei Beschreibungen, die verlesen werden sollen, spezifisch und sprich die Sinne an.
Nicht:
- Ein Wagen rollt auf euch zu. Auf dem Kutschbock sitzt ein alter Mann. Der Mann trägt einen Umhang und winkt zu euch herüber, während er am Zügel zieht, um das Gespann zum Stehen zu bringen. Die Zugochsen werden langsamer, dann hält das Gespann neben euch, und der alte Mann steigt ab. Er sagt......
Sondern:
- Ihr kneift die Augen zusammen, um gegen das Licht des Sonnenaufgangs anzusehen, als sich von Osten rumpelnd ein Ochsengespann nähert. Es ist genauso warm, wie an den letzten Tagen. Die Hitze hat den Boden ausgetrocknet, so daß der Wagen eine breite Wolke gelben Staubes aufwirbelt. Schon von weitem hört ihr das Quitschen der schlechtgeschmiereten Achsen. Der vom Alter gebeugte Mann hebt die Hand, um euch zu winken. Tiefe Altersfalten haben sich in sein Gesicht gegraben, trotzdem zieht er kraftvoll an den Zügeln, um das Gespann neben euch zum Stehen zu bringen. Die schweißbedeckten Ochsen halten neben euch, ihre Erschöpfung ist ihnen deutlich anzusehen. Ihr säuerlicher Geruch steht dem des Alten, der vom Bock springt, nur wenig nach.
Im Idealfall sollte sich der Meister aber noch überlegen, welche Dinge er den Spielern in die Hand geben kann. Ich habe bemerkt, daß die Spieler es mögen, Schriftstücke und ähnliches in die Finger zu bekommen. Also versuche ich, diesem Drang immer in der einen oder anderen Form gerecht zu werden. Das kann aber jeder Meister halten, wie er möchte, denn es ist nicht unbedingt notwendig, Handouts zu erstellen - aber die Spieler werden es dir danken.
Nun viel Spaß mit dem Erstellen Eures eigenen Abenteuers, schreibt mir mal wie es geklappt hat.
Checkliste
- Ideen sammeln
- Den Plot erstellen und Ideen verknüpfen, der "rote Faden"
- Zusammenhänge zur Vergangenheit der Charaktere herstellen
- Spielermotivation planen
- Orte und zeitlichen Verlauf festlegen
- Alternativen bedenken
- Orte bevölkern
- der Story Volumen geben
- (optional) Material anfertigen