Interview mit PROST
von Ingo "Greifenklaue" Schulze
Prost ist eines der aufstrebenden Rollenspielsysteme des Projekt Odyssee, die es zu einer marktreifen Form gebracht haben und im eigenen Verlag veröffentlicht werden. Ich selbst habe Ingo Höckenschnieder nach Netzkontakt auf dem Bielefelder Sparrencon im letzten Jahr persönlich kennengelernt und mir auf der diesjährigen Hannover spielt! mit den Prostleuten einen Stand mit ihnen geteilt, so dass ich ihre Conaktivität schon aus nächster Nähe beobachten konnte. Nun ergab sich die Gelegenheit, sich einmal mit Ingo Höckenschnieder über Prost, Pyramos und die PrO zu unterhalten.
Greifenklaue: PROST wird einigen Lesern der Greifenklaue ein Begriff sein, anderen wiederum nicht. Stell euch und euer Rollenspiel doch einmal kurz vor!
Ingo: Nun ja, wir sind ein paar freie Autoren, die beschlossen haben eine Rollenspielwelt zu veröffentlichen und dafür einen eigenen kleinen Verlag gründeten. Prost - das Primäre Rollenspiel System - ist ein universelles System, das entstand, weil einige unserer Spieler, mit anderen Systemen nicht klar kamen. Da standen zu viele Künste oder Fertigkeiten und Zauber auf den Charakterblättern und so konnten sie mit vielen Dingen nichts anfangen und obwohl ihre Charaktere viele Sachen erlernt hatte, fehlte eigentlich immer die eine oder andere Fertigkeit. So entstand Prost, als einfaches schnelles Spiel ohne Würfelorgien.
Viel wichtiger ist aber unsere High-Fantasy-Welt Pyramos, die ja die Prost Regeln verwendet. Sie ist, das kann man glaube ich sagen, etwas ganz besonderes.
Greifenklaue: Wodrin liegt Eurer Meinung nach der Reiz eurer Rollenspielwelt Pyramos? Was unterscheidet sie von anderen Fantasysettings?
Ingo: Der Reiz liegt darin, daß es wirklich etwas anderes ist - nicht nur eine weitere Kopie von Mittelerde. Wir haben darauf geachtet, dass es nur wenig Bekanntes gibt und viel Neues. Dass die Welt ein vierseitiger Würfel ist, hat das noch weiter erleichtert. So konnten wir vier unabhängige Welten erschaffen. Jede Seite basiert auf einem der vier Elemente Erde, Luft, Feuer und Wasser und wird von uns Ebene genannt. Die Erdebene ist klassisch. Dort kann man noch Elben und Zwerge entdecken, aber anstelle von Orks, Goblins, Vampiren und Werwölfen gibt es viele neue Rassen und Kreaturen. Die Luftebene ist High-Fantasy. Acht eigenständige Rassen leben dort - die ganze Umgebung, die Kreaturen und Pflanzen sind an High-Fantasy angelehnt. Etwas martialischer geht es auf der Wasserebene zu, die schon ein wenig in Richtung Steam-Fantasy geht, wenn die Technik auch eher auf Magie anstelle von Mechanik beruht. Die Feuerebene ist Dark Fantasy und am abgefahrensten. Einige der spielbaren Rassen sind so ungewöhnlich, dass nur erfahrenste Rollenspieler überhaupt in der Lage sind sie zu spielen, andere sind leichter spielbar, aber immer noch einzigartig.
Dazu kommt unsere Pantheon und die Magie, die ebenfalls dafür sorgen, daß die Welt nicht mit gewöhnlichen Fantasy-Welten gleichzusetzen ist.
Greifenklaue: Was gab es eigentlich zuerst? Den Begriff "Primäres Rollenspielsystem" oder die Abkürzung PROST.
Ingo: Eine gute Frage, die sich gar nicht so leicht beantworten läßt. Wir waren auf der Suche nach einem Arbeitstitel für unser System und der sollte "Rollenspiel System" enthalten und eine Abkürzung sein. ROST gefiel uns natürlich nicht und UROST (für universell ebenso wenig). Also waren wir auf der Suche nach Wörtern, die universell ersetzen könnten, denn universell sollte das System ja sein. Da schlug ich Primär vor - und die Abkürzung dazu war eben Prost. Das gefiel uns beides ganz gut, denn Prost auf ein Wort und "Primär" wird halt nicht so oft benutzt wie "universell".
Daß der Name dann später so bleiben würde konnten wir nicht wissen, aber er blieb halt hängen und alle Leute fragten danach, also wurde er nicht mehr geändert.
Greifenklaue: Im GroFaFo gab es neulich eine Diskussion über die Frage, warum man die Anstrengungen eines solchen Projekts ‐ seine eigene Rollenspielwelt zu schreiben und zu vermarkten ‐ auf sich nimmt. Das möchte ich gerne aufnehmen und dich fragen: Warum?
Ingo: Warum? Eigentlich ganz simpel. Ich wollte eine ungewöhnliche Welt für meine Spielrunde haben und stellte sie den anderen beiden Autoren, René und Stefanie, vor. Sie waren hell auf begeistert. Also fingen wir an die Welt auszuarbeiten und hatten bald so viel gut aufgeschriebenes Material, dass wir weitermachten. Und dann war es nur noch ein kleiner Schritt zu sagen: "Ok. Jetzt wollen wir sie auch publizieren!".
Das Schreiben war reiner Spaß. Das Vermarkten ist es natürlich nicht. Aber was tut man nicht alles für sein Hobby. Trotzdem ist es toll, das gedruckte Buch mit den vielen meiner Meinung nach herausragenden Zeichnungen in der Hand zu halten."
Greifenklaue: Ihr seid ja sozusagen eines der Aushängeschilder des Projekts Odyssee. Wie läuft die Zusammenarbeit mit anderen Autoren, gibt es viel kreativen Austausch?
Ingo: Anfangs leider weniger. Aber mittlerweile haben wir ja mit Dirk Feldermann jemanden, mit dem man schon einiges besprechen kann. Von ihm kommt Avarion, das ja auch Prost-Regeln verwenden wird.
Ich würde mir eine stärkere Zusammenarbeit wünschen, aber das ist sicherlich schwer, weil ja jeder Autor auf sein eigenes Projekt fixiert ist. Ist ja auch verständlich, denn warum bringt man seine eigene Welt zu Papier? Weil es einem wichtig ist.
Greifenklaue: Was würdet ihr jemanden empfehlen, der nun "sein" System herausbringen möchte? Womit habt ihr gute Erfahrung gemacht, womit eher schlechte?
Ingo: Als erstes muss er sich die Frage gefallen lassen, was an seinem System, seiner Welt neu und anders als bei allen anderen Rollenspielen ist. Man muß sich in den Käufer, den Abnehmer oder den Spieler hineinversetzen. Warum soll er sich noch ein Regelsystem oder eine Weltbeschreibung durchlesen oder sogar kaufen? Das muss man mit wenigen klaren Argumenten sagen können. Und nicht mit weichgewaschenen Antworten: "Weil bei uns - im Gegensatz zu dem und dem System, sich das etwas anders verhält". Das will niemand. Ich kaufe mir kein System, das eine Kopie eines anderes ist, nur weil der Autor denkt, er hat zwei oder drei Fälle besser gehandhabt.
Wer innovative Welten herausbringen möchte und kein neues System, ist übrigens herzlich eingeladen sich uns anzuschließen und Prost zu verwenden. Wir bieten Unterstützung für alle Autoren an, die unser System verwenden, so wie bei Avarion und Parydia.
Greifenklaue: Prost ist ja auch durch seine hohe Conpräsenz bekannt. Jetzt mal unter uns, wie schafft ihr das eigentlich?
Ingo: Ja, das ist eine Menge Arbeit. Die Motivation muß das eigene Hobby sein, das bei uns heißt: "Wir veröffentlichen ein Rollenspielsystem!" Jeder von uns weiß, daß wir Prost bzw. Pyramos nur durch Präsenz an den Mann bringen können. Wer von Prost liest, mag interessiert sein, kauft es sich aber noch nicht. Wer eine Spielrunde mitgemacht hat, bei dem haben wir sehr gute Chancen. Ich habe im letzten Jahr eine einzige Spielrunde gehabt, bei der niemand das Quellenbuch nach dem Spielen gekauft hat und das war eine Schulklasse auf der Leipziger Buchmesse. Ansonsten haben jeweils ein bis drei Personen zugegriffen. Bei den anderen Spielleitern ist es ähnlich. Das bedeutet für uns, je mehr Spielrunden wir anbieten, desto mehr verkaufen wir und können damit neue Produkte finanzieren.
Greifenklaue: Abschließend bin ich natürlich neugierig, was einem den noch aus eurem Hause in naher und ferner Zukunft erwartet. Verschiedene Projekte sowie eine Prost-Umsetzung ins Englische wurden schon vermeldet. Was könnt ihr verraten?
Ingo: Nun ja, zur Prost-Umsetzung ins Englische kann ich leider derzeit gar nichts sagen. Der Verlagsinhaber ist totkrank und wir wissen noch nicht, ob es bei ihm weitergeht. Er hat sämtliche Projekte auf Eis gelegt. Wir suchen gerade Alternativen, falls es mit ihm nicht klappt. Das wäre sehr schade und würde uns wirklich leid tun, denn wir haben einen sehr guten Start gehabt.
Bei den weiteren Projekten sieht es besser aus. Andere Autoren sind gerade dabei ihre Arbeiten an ihren eigenen Welten abzuschließen. Im nächsten Jahr wird es daher Avarion und Parydia für Prost geben. Beide kommen auch in unserem Verlag heraus, denn wir sehen uns da als Gemeinschaft und wollen anderen Autoren helfen.
Wir machen natürlich selbst auch weiter. Zur Spiel wird endlich "Piraten der Winde" erscheinen und im nächsten Jahr dann zur Buchmesse der Vulnaris Spielleiterschirm. Mindestens ein zweites Produkt wird es dann zur Spiel im nächsten Jahr geben. In Vorbereitung und bald fertig sind das Basisregelwerk, sowie ein weiteres Abenteuerbuch für Pyramos "In hohen Türmen und tiefen Kellern". Tja und dann arbeiten wir fleißig an mehreren Quellenbüchern, darunter auch Pentagramm, unserem Horror-Szenario.
Und die Verlagspalette wird auf jeden Fall erweitert. Demnächst werden wohl zwei Gedichtbände bei uns erscheinen und wir sind mit weiteren Autoren im Gespräch. Mal sehen was daraus noch wird.
Zu viel kann man als Kleinverlag natürlich auch nicht machen, aber das was jetzt geplant ist, können wir ganz gut bewältigen.
Greifenklaue: Ich wünsch' euch jedenfalls weiterhin viel Spaß und Begeisterung an der Sache und viel Erfolg mit den kommenden Werken.