Interview mit Martin Sabel - Dunkelelf, Special Agent und finsterer Magier
von Ingo "Greifenklaue" Schulze
Mit dem Hörspiel Legend - Hand of god von weirdoz* ist Martin Sabel in doppelter Funktion zu hören, einerseits als finsterer Magier Kaskaras, welcher zugleich als Erzähler fungiert. Außerdem ist er aus weiteren Hörspielen bekannt. Grund genug für mich und meinen Kollegen Christoph Memmert von der Greifenklaue, uns einmal mit Martin Sabel zu unterhalten.
Greifenklaue: Für die Sprechrolle des Masoj Hun'ett in der von Lausch produzierten Hörspielreihe "Die Saga des Dunkelelf" wurdest Du bereits von den Fans mit dem Bronze-Award in der Kategorie "beste Nebenrolle" ausgezeichnet. Bedeuten Dir solche Ehrungen in Hinblick auf Dein breit gefächertes Berufsfeld etwas?
Martin Sabel: Speziell dieser Hörspiel-Award bedeutet mir sehr viel, da er ein Fan‐Award ist. Als das Label Lausch im letzten Jahr damit begonnen hatten, mich in Ihren Produktionen zu besetzen, war ich im Hörspielsektor noch ein komplett unbeschriebenes Blatt. Den Erhalt des Bronze-Awards für die erste größere Nebenrolle, die ich jemals gesprochen habe und meine Anwesenheit auf der Award-Verleihung (zwischen so manchen Größen dieser Branche) empfinde ich auch heute noch vor allem deshalb als sehr wichtigen Punkt meiner bisherigen Laufbahn, weil es DIE HÖRER selbst waren, die mir diese Ehrung zugedacht hatten. Sie haben mir somit bestätigt, dass meine Arbeit sie unterhalten hat und die Unterhaltung meines Publikums ist letztendlich das wichtigste Ziel meines Berufes (egal ob auf der Bühne oder vor dem Mikrofon).
Greifenklaue: Deine Stimme ist vielen Hörspiel-Fans vor allem durch ihre Hochnäsigkeit und herablassende Art im Gedächtnis geblieben - sei es als Masoj Hun'ett bei "Die Saga des Dunkelelf", als Special Agent Joel Grady in der ebenfalls bei Lausch erschienenen "Caine"-Reihe oder als Kaskaras in dem kürzlich von weirdoz* erschienenden "Legend ‐ Hand of God". Was genau reizt Dich daran, gerade die Schurken zu mimen?
Martin Sabel: Schon auf der Schauspielschule hatte ich geäußert, dass ich am liebsten die fiesen Rollen übernehme (obwohl ich privat eigentlich ein ganz lieber Kerl bin ;-).
Es ist nicht so, dass ich niemals auch die Rolle des "Guten" übernehmen würde (in der aktuellen Hörspiel-Produktion "Dragonbound" spreche ich zum Beispiel so eine Art sympathischer Trottel, also das genaue Gegenteil des Fieslings), aber ich mag es, wenn die Figur Ecken und Kanten hat und auch gerne mal Gesetze und Regeln bricht, denn in den meisten Fällen ist die schauspielerische Arbeit an den negativen Antagonisten reichhaltiger, interessanter und nebenbei auch mit mehr Spaß verbunden.
Schauen wir uns zum Beispiel mal die sehr stereotypen Gegenspieler in dem aktuellen Hörspiel "Legend ‐ Hand of God" von weirdoz* an: Targon der Gute und Kaskaras der Böse.
Wir stellen fest, dass die schauspielerischen Möglichkeiten bei der Verkörperung von der Rolle des Targon in recht engen Grenzen liegen. Phillip Moog hat meiner Ansicht nach den Targon hervorragend gesprochen, aber würde der Schauspieler sich ein wenig zu weit aus de oben genannten Grenzen hervorwagen, so wäre Targon ganz plötzlich nicht mehr tapfer, sondern stattdessen arrogant, nicht mehr weichherzig, sondern stattdessen wehleidig, nicht mehr festen Willens, sondern stattdessen kaltherzig. Zu waghalsiges schauspielerisches Herumprobieren könnte die Rolle des "wahrhaft guten Helden" demontieren. Als Kaskaras hatte ich den Vorteil aller Freiheiten. Ich könnte Kaskaras mal höflich, mal cholerisch, mal mächtig, mal schwach darstellen. Er wird als Antagonist immer funktionieren und ich kann ihm jederzeit rücksichtslos jene Eigenschaften verleihen, die mir situativ als passend erscheinen. Dankenswerterweise ist man bei weirdoz* für alle meine Vorschläge der Interpretation dieser Rolle aufgeschlossen. Ich will nicht zu viel zu den beiden weiteren Folgen verraten, aber zunächst nur soviel: Die nächsten Folgen werden gut!
Greifenklaue: Computer- und Videospiele haben sich zu einem milliardenschweren Markt entwickelt. Ergo sind auch die Lokalisierungen und Vertonungen hochprofessionell geworden, so dass viele Schauspieler ein gutes Zubrot in diesem Bereich finden. Du selbst bist ebenfalls bereits in einer Menge Produktionen zu hören und arbeitest beispielsweise eng mit Toneworx zusammen. Als wie wichtig bezeichnest Du diesen Markt für Dich und Deine Arbeit?
Martin Sabel: Gerade den Computerspielbereich sehe ich weniger als "Zubrot", sondern fast schon als "wichtige Aufgabe". Die Lokalisierung von Computerspielen für den deutschen Markt war bis vor einigen Jahren ein sehr stiefmütterlich behandeltes Thema. Angesichts des in Deutschland sehr hohen Niveaus im Bereich der Filmsynchronisierung war ich früher häufig sehr negativ überrascht, wie schnell und "kostengünstig" im Gegenzug die Eindeutschung von Spielen in diesem Land gehandhabt wurde. Trotz einiger weniger positiver Ausnahmen, hatte ich mir nach Möglichkeit immer das englischsprachige Original eines Spieles besorgt - und das nicht wegen der für den deutschen Marks geschnittenen Gore-Effekte, sondern wegen der im Original einfach besseren Sprachausgabe.
Dank solcher großen Studios wie Toneworx oder auch Translocacell hat sich das inzwischen geändert. Die deutsche Synchronisation von Spielen, wird hier jetzt endlich ebenfalls mit hohem Aufwand betrieben und die Ergebnisse können sich hören lassen ‐ eine Entwicklung die ich als leidenschaftlicher Gamer sehr begrüße.
Meine ersten Buchungen im Computerspielvoiceoverbereich ließen damals einen lang gehegten Wunsch wahr werden. Meine aktuellen Buchungen der großen Studios (teilweise für solche "Blockbuster der Gamerszene" wie "Crysis" oder "Hellgate London") bedeuten für mich nicht nur jede Menge Spaß, sondern haben für mich als Gamer in gewisser Weise auch ideologischen Wert, und die nicht zu verachtenden Gagen sind ein netter Nebeneffekt.
Greifenklaue: Apropos Computer- und Videospiele: Spielst Du selber gerne?
Martin Sabel: Aber hallo! Ich war praktisch von Anfang an dabei. Angefangen hatte ich mit dem ATARI Telespiel. Danach folgte der ATARI 800 XL und der Commodore 64. Mit den Rollenspielen der ULTIMA Serie habe ich als Jugendlicher Monate verbracht. Auch heute beschäftige ich mich noch ausgiebig mit Spielen, soweit es meine Zeit zulässt. In erster Linie mit Shootern im Survival-Horror Bereich und Adventures.
Greifenklaue: Das Internet und seine Möglichkeiten der Verbreitung sind nach wie vor der Ton- und Bildträger-Industrie ein Dorn im Auge. Gleichzeitig zeigen Beispiele wie iTunes, musicload oder gamesload aber auch sehr deutlich, dass das entsprechende Klientel bereit ist, für Downloads Geld auszugeben. Wie siehst Du als betroffener Künstler die derzeitige Entwicklung?
Martin Sabel: Als Schauspieler bin ich selbst nur sehr indirekt davon betroffen. Wenn ich als Sprecher für ein Hörspiel, ein Computerspiel, oder was auch immer gebucht werde, so richtet sich meine Gage nach der Takeanzahl. Wieviele Exemplare des Produktes danach verkauft oder schwarz gedownloaded werden, ist für mich in finanzieller Hinsicht nicht mehr relevant (es kann allenfalls passieren, dass durch die Schwarzverbreitung die Produktionskosten im Verhältnis zu den Einspielergebnissen steigen und das wiederum Auswirkungen auf Gage und Besetzung hat).
Anders sehe ich es natürlich als "Produzent". Ich stelle ja zusammen mit dem Musiker und Drehbuchschreiber Peter Lerf unter dem Namen Gigaphon GBR selber (noch in verhältnismäßig kleinem Rahmen) Hörspiele her (aktuell die oben erwähnte Serie "Dragonbound"), und begrüße in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, unsere Produktionen neben dem CD-Versand auch als Downloads anzubieten, da es einfach die Streuung erhöht (also ich begrüße in diesem Zusammenhang natürlich nur die legalen Downloads :-).
Greifenklaue: Körperbetontes Schauspiel auf der Bühne oder stimmorientiertes Schauspiel vor dem Mikrofon - welches bietet Dir die größere künstlerische Herausforderung?
Martin Sabel: Also die größere HERAUSFORDERUNG finde ich auf der Bühne. Meine berufliche Stärke liegt auf jeden Fall eher in der Sprache, als in der Körperlichkeit. Die Arbeit vor dem Mikrophon, also die Reduzierung auf die reine Nutzung der Sprache beim Kreieren einer Figur fällt mir leichter als die gleichzeitige Nutzung von Sprache und Körperlichkeit auf der Bühne. Auch wenn ich schon seit acht Jahren auf der Bühne stehe (unter anderem auch schon bei Tanztheaterprojekten) erfordert die Bühnenarbeit mehr Vorbereitungszeit und Konzentration, als die Sprachaufnahme. Dennoch werde ich die Theaterarbeit niemals missen wollen.
Greifenklaue: Hörspiele und -bücher erfreuen sich seit einigen Jahren wieder großer Beliebtheit, die Zahl der veröffentlichten - und vor allem sehr aufwändig gestalteten - Produktionen, wie zum Beispiel "Gabriel Burns", steigt stetig an. Warum glaubst Du, ist das so?
Martin Sabel: Schwer zu sagen. Ich beobachte diese Tendenz natürlich mit großer Freude, aber was den Grund betrifft, warum Hörspiele mehr und mehr auch die Erwachsenenwelt erobern, so kann ich nur Vermutungen anstellen.
Ich denke, es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass Hörspiele (im Gegensatz zu Büchern oder Filmen) in unserer auf Hektik und Tempo ausgelegten Zeit auch ganz bequem beim Arbeiten/Autofahren/der Hausarbeit, etc. konsumiert werden können. So ein gut gemachtes Hörspiel steht einem guten Film oder einem spannenden Buch in Sachen "Erlebnisqualität" in nichts nach ‐ und beim Konsumieren kann man noch Zeit sparen. :-)
Ich höre mir zum Beispiel derzeit noch mal alle "Gabriel Burns"-Folgen beim Zug- oder Autofahren an.
Nachdem das Verkaufsobjekt "Hörspiel" nun also einen großen und teilweise zahlungskräftigen Kundenkreis zu bedienen hat, greifen die in allen anderen Bereichen üblichen marktwirtschaftlichen Kriterien und verschiedene Label versuchen potentielle Kunden mit Qualität zu überzeugen.
Greifenklaue: Bei "Legend ‐ Hand of God ‐ Die Chroniken von Aris 1" trittst Du sowohl als Erzähler an als auch als der böse Hexer Kaskaras. Wie reizvoll ist diese Doppelrolle und gibt es generelle Unterschiede für Dich als Sprecher zwischen dem Erzähler und einer Sprechrolle?
Martin Sabel: Gleich eins vorweg: Der Erzähler IST Kaskaras und Kaskaras IST der Erzähler. Es ist gewollt, dass der Hörer über diesen Umstand etwas im Unklaren gelassen wird ‐ am Ende der Dritten Folge wird alles aufgeklärt.
Wäre der Erzähler nicht Kaskaras, so hätte ich ihn anders gesprochen, oder (was wahrscheinlicher ist) weirdoz* hätte einen weiteren Sprecher engagiert :-)
Also, um auch die Frage zurückzukommen: Der Erzähler in "Legend - Hand of God" ist kein Erzähler im eigentlichen Sinn sondern er ist personifiziert ‐ hat eine mal mehr, mal weniger subtil vorgetragene Meinung zu den Geschehnissen, die er vorträgt, eine Einstellung gegenüber den Figuren, über die er berichtet und einen eigenen Charakter.
WÄRE ich ein Off-Erzähler im klassischen Sinn, so hätte ich meine Sprechweise von allen oben genannten Einfärbungen befreit und meine Grundeinstellung wäre neutral - also natürlich nicht so neutral, dass alles monoton und langweilig klingt (gerade "Actionszenen" gilt es durch eine entsprechende Sprechweise zu unterstützen), aber ich hätte keine persönliche Einstellung gegenüber den anderen Figuren und keine eigene Gesinnung (wäre weder böse, noch gut).
Greifenklaue: Ebenfalls dürftest Du bei "Legend ‐ Hand of God" einen direkten Vergleich zwischen einer Computerproduktion und ‐ Hörspielproduktion gehabt haben? Wo liegen da die Unterschiede, wo die Gemeinsamkeiten, bezogen auf die Sprecherrollen?
Martin Sabel: Die Unterschiede waren eigentlich minimal, allerdings war in diesem konkreten Fall das Pensum für das Hörspiel logischer Weise um einiges größer, da die Rolle des Kaskaras für eben dieses Hörspiel noch mal in hohem Maße ausgebaut wurde.
Dennoch war die Arbeit sehr ähnlich. Wir gingen sowohl bei der Computerspielproduktion, als auch bei der Hörspielproduktion Take für Take vor, bis wir zufrieden waren. Allerdings hatte ich die Gelegenheit bei den Hörspielaufnahmen, die Naeria-Dialoge live mit der Kollegin Christine Pappert vor dem Mikrophon einzusprechen.
Greifenklaue: Seit dem Herr der Ringe-Film und den Harry Potter-Büchern und -Filmen ist Fantasy wieder absolut im Trend. Egal ob man sich die Hollywoodfilme zu diesem Winter anguckt oder quer über den Belletristik- und Hörspielsektor geht, zahlreiche neue Romane und Hörspiele kommen auf dem Markt. Wie stehst Du zu diesem Genre?
Martin Sabel: In meiner Jugend war ich ein großer Fantasy-Fan ‐ nicht zuletzt wegen meiner Leidenschaft zu Fantasy-Rollenspielen. Auch wenn meine Interesse sich mittlerweile auf andere Genres ausgeweitet haben (im Computerspiel und Rollenspielsektor konzentriere ich mich privat mittlerweile auch auf den Bereich "Survival-Horror"), so habe ich in beruflicher Hinsicht noch immer im Fantasysektor zu tun, nicht zuletzt aufgrund meiner Arbeit für "Dragonbound", "Legend ‐ Hand of God", etc.
Greifenklaue: Vielen Dank und viel Erfolg weiterhin!
Martin Sabel: Danke sehr, es war mir ein Vergnügen!
Mittlerweile ist Martin Sabel erneut in einer gelungenen Rolle zu hören:
In Teil V und VI der Reihe Die Schwarze Sonne als Aleister Crowley. Wann genau Legend - Hand of god 2 und 3 erscheinen, stand beim Interview noch nicht fest, wir halten Euch im Newsbereich aber auf dem Laufenden.