Interview mit Grasi vom Projekt Kopfkino
von Ingo "Greifenklaue" Schulze
Das Projekt Kopfkino ist eines der aktivsten Fanprojekte in der Szene und David "Grasi" Grashoff einer der Köpfe dahinter. Grund genug also, sich mal mit ihm über das Projekt zu unterhalten.
Greifenklaue: Hallo David alias Grasi ‐ welcher Name ist Dir denn lieber?
Grasi: Hallo Ingo. Das eine ist mein Vorname, das andere mein Spitzname, von daher kann ich mit beiden gut leben.
Greifenklaue: Wir wollen heute ein wenig über Funky Colts und das Projekt Kopfkino sprechen. Trotzdem erstmal ein kurzer Rückblick in die Vergangenheit. Ich habe Deinen Namen erstmals unter kurzen Shadowrun-Szenarien im Envoyer gelesen. Aber auch bei Lodland und Unknown Armies konnte man später über Deinen Namen stolpern. Vielleicht umreißt Du mal kurz, was Du vor Funky Colts alles so gemacht hast in Sachen Rollenspiel?
Grasi: Schreiben tue ich eigentlich schon seit ich einen Stift halten kann, mal intensiver, mal wieder nicht. Im Rollenspielbereich wurde ich vor 5 Jahren aktiv (2003) als Rezensent für diverse Internetmagazine (X-Zine, Fantasyguide ...). Nachdem ich André Wiesler kennen und schätzen gelernt habe, wurde ich als Autor für den Envoyer und Lodland rekrutiert. Inzwischen habe ich für Unknown Armies und Shadowrun geschrieben, bin als Entwickler und Autor am "Quest - Zeit der Helden" Spiel beteiligt und habe neben meinen vielen eigenen Projekten noch die Zeit gefunden, um bei dem Cthulhu Amerika-Quellenbuch einen Kapitel beisteuern zu können.
Greifenklaue: Wie kam dann die Idee zu Funky Colts und um was dreht sich das Rollenspiel Funky Colts?
Grasi: Ich bin ein Kind der 80er Jahre, das mit Colt Seavers, dem A-Team und den ganzen coolen 70er und 80er Actionserien groß geworden ist. Schon damals wollte ich am liebsten in die Haut meiner Action-Helden schlüpfen, um Seite an Seite mit B.A. Leute zu verkloppen, oder in K.I.T.T. durch die Gegend zu rasen. Die Idee keimte also schon lange in mir.
Funky Colts ist ein schlankes Rollenspiel, das den Flair der 70er und 80er-Jahre-Actionserien einfängt, dabei aber sehr klassisch bleibt und somit auch für jeden Rollenspieler (aber auch für Anfänger) einen leichten Einstieg bietet. Es ist ein Spaß-Rollenspiel, das aufgrund seines einfachen Systems sehr flexibel ist und sich dadurch jedem Serientyp anpassen kann (Miami Vice fühlt sich halt anders an als das A-Team).
Und es ist orange, also so richtig knallig orange. Welches deutsche Rollenspiel kann das schon von sich behaupten?
Greifenklaue: Zugegeben, soviel orange, das ist really funky. Ich konnte mich gerade im gedruckten Exemplar davon überzeugen. Das bringt mich auch zu meiner nächsten Frage: Warum eigentlich als kostenloses Fan-Projekt zum Download? Es gibt ja dieses Sprichwort "Was nix kostet, ist nix wert." Und genug kleine Fanverlage haben ja Beispiele abgeliefert, dass man es auch gedruckt schaffen kann. Oder ist genau das der Grund für die Veröffentlichung über den Print-on-Demand-Verlag Lulu gewesen?
Grasi: Funky Colts war eigentlich niemals als Print-Produkt geplant. Es war vor vorne hinein klar, dass wir es als Gratis-Wownload anbieten würden. Es gab zwar mal ein Gespräch mit einem Verlag, der an Funky Colts interessiert war, aber es fiel uns schwer, unser Baby in fremde Hände zu geben, und wir haben uns dagegen entschieden. Als wir aber merkten, dass es da draußen Leute gibt, die unsere Spiele auch tatsächlich zocken, kam der Gedanke unsere beiden Babys (FuCo und Ratten!) auch als POD anzubieten, damit genau diese Spieler auch ein schönes Buch statt einer Blättersammlung beim Spielen in Händen halten können. Wir bieten die Bücher im übrigen fast zum Selbstkostenpreis an, weil es uns auch hier nicht darum geht damit Geld zu verdienen, sondern darum, dass möglichst viele Leute unsere Spiele auch spielen.
Greifenklaue: Was war eigentlich zuerst da? Der Wunsch ein Rollenspiel zu machen, und dann wurde ein Genre gesucht, oder war erst das Genre da, bis einem aufgefallen ist, dass es dazu kein Rollenspiel gibt?
Grasi: Ich spiele seit 20 Jahren Rollenspiele und der Gedanke ein eigenes Spiel zu schreiben wandert einem da schon das eine oder andere mal durch den Kopf. Das Genre hat aber auch seinen teil an der Entscheidung beigetragen, weil es für mich (und auch für meine Kopfkino-Kollegen) wichtig ist Dinge zu erschaffen, die es nicht schon in zig Varianten und Färbungen gibt. Mit ist die Originalität eines Settings oder des Genres auch wichtiger als die Originalität der Regeln.
Greifenklaue: Obwohl Funky Colts wie Du schon schriebst ein schlankes Rollenspiel ist, gibt es doch einige ungewöhnliche SL-Techniken wie man sie aus Fernsehserien kennt: Splitscreens, Flashbacks oder Kameraführung. Vielleicht magst Du ein, zwei Techniken kurz vorstellen?
Grasi: Was mir beim Leiten von Funky Colts immer sehr viel Spaß gemacht hat, war es aus der Sicht einer imaginären Kamera zu erzählen. Man darf dabei auch ruhig bei Beschreibungen den Begriff Kamera benutzen, immerhin geht es ja um eine Fernsehserie.
Ein weiteres witziges Stilmittel sind die Feedbacks, in denen die (bisher ja geschichtslosen) Serienhelden ihre Vergangenheit beleuchten können. Es gibt sogar Feedbacks mit denen man den Plot verändern kann. (Der Held hat vor dem Besuch des Dons eine Waffe unter seinem Schreibtisch geklebt).
Greifenklaue: Benutzt Du die Techniken aus Funky Colts auch in anderen Rollenspielen?
Grasi: Gelegentlich, wobei sie halt schon speziell auf Funky Colts zugeschnitten sind.
Greifenklaue: Wir haben jetzt ne Menge zu den alten Fernsehserien, die Du magst, erfahren. Welche neue Serie bzw. Serien sagen Dir zu?
Grasi: An aktuellen Serien finde ich vor allem "Heroes" super. Ich bin quasi ein "Heroes"-Junkie, der jetzt zitternd darauf wartet, dass die zweite Staffel weitergeht.
Früher war ich ein großer Fan des "A-Teams" und der Serie "Die Spezialisten unterwegs", das war ja sozusagen das "Heroes" der 80er Jahre.
Greifenklaue: Bevor es dann zum nächsten Rollenspiel kam, wurde das Projekt Kopfkino gegründet. Was ist das Ziel des Projektes und wer steckt dahinter?
Grasi: Hinter dem Projekt Kopfkino stecken die Leute, die auch Funky Colts gemacht haben, wobei wir in allen Bereichen (Autoren, Zeichner, Lektoren ... ) das Team erweitert haben.
Unser Ziel ist es, originelle Produkte zu schaffen. Das können Rollenspiele sein, Kurzgeschichten-Anthologien, aber auch Karten- oder Brettspiele. Wichtig ist nur, dass wir neue Wege gehen und nicht einfach irgendetwas kopieren.
Greifenklaue: Du sagtest zu "Funky Colts" ja, dass es Euch schwerfiel, es einem anderen Verlag zu überlassen. Bei Eurem zweiten Baby "Ratten" habt ihr Euch ja dazu entschieden, es in die Freiheit zu entlassen, oder genauer, nach kurzer Zeit bei Lulu als Print-on-demand erscheint es jetzt bei Prometheus Games. Wie ist es denn zu der Entscheidung gekommen?
Grasi: Es gab auch bei "Funky Colts" schon den Gedanken, das Spiel einem Verlag zu überlassen, sogar Gespräche mit einem Verlag hat es gegeben. Letztlich aber haben wir uns im Team aus verschiedenen Gründen dagegen entschieden. Was "RATTEN!" angeht, so hat uns Prometheus die Entscheidung recht leicht gemacht. Einerseits haben wir das Gefühl, dass "RATTEN!" dort in guten Händen ist und man sich auch gut um das Spiel kümmern wird, andererseits hat der Verlag uns zugestanden, dass wir weiterhin die "RATTEN!" Produkte auch frei zum Download anbieten können, war für uns schon ein sehr wichtiger Punkt war.
Für die Kunden hat der Wechsel zum Verlag den Vorteil, dass die Bücher jetzt günstiger sind und schneller geliefert werden können, als noch bei Lulu-Bestellungen.
Greifenklaue: "Ratten!" ist ja das, was die Amerikaner als "Bier- & Brezel-Rollenspiel" bezeichnen. Also ein System, das gar nicht in jahrelangen Kampagnen bespielt werden soll, sondern welches eher zwischendurch zum Einsatz kommt. Was macht denn den Reiz von Ratten aus?
Grasi: "RATTEN!" ist ein sehr einfaches Spiel, in das man sich sehr schnell einlesen und einarbeiten kann. Neben dem simplen Regelsystem ist sicherlich auch das außergewöhnliche Setting reizvoll, das den Spielern erlaubt, die Welt mal mit anderen Augen zu sehen. Außerdem gibt es zwar eine Hintergrundwelt, die aber nur in ihren Grundzügen definiert ist und somit dem Spielleiter noch viele Möglichkeiten offen lässt, damit er sich kreativ einbringen kann.
Greifenklaue: Ratten ist ja räumlich auf ein verlassenes Kaufhaus und seine unmittelbare Umgebung beschränkt. Gibt es schon Adaptionen auf andere Schauplätze?
Grasi: Was mit den Erbauern passiert ist und was sich außerhalb der Rattenburg befindet, überlassen wir ganz der Phantasie der Spielleiter.
Greifenklaue: Eine Art Rattenkompendium ist wohl auch in Planung? Was wird da drinstehen und wird es das dann auch von Prometheus geben?
Grasi: Es wird neue Gegner geben, ein paar neue Tricks und Talente, neue Rotten, ein Abenteuer und ein alternativer Hintergrund für "RATTEN!" (Ratten im Weltraum).
Greifenklaue: Kommen wir zu Eurem weiteren Projekten. Zum ersten ist das Euer Buchprojekt "Disturbania". Was wird dem Leser geboten?
Grasi: "Disturbania" ist eine Kurzgeschichten Anthologie mit 17 Geschichten, die von etablierten Autoren (Christoph Hardebusch, Christoph Marzi, André Wiesler ... ) aber auch unbekannten Schriftstellern stammen. Alle Geschichten handeln von dem Zusammentreffen der Moderne mit phantastischen Elementen. Es bietet eine sehr interessante und spannende Mischung aus Horror, Science-Fiction und Geschichten, die sich jeder Genreeinordnung widersetzen.
Greifenklaue: Im Blutschwerterforum wird das Buch ja bei "Unknown Armies" vorgestellt. Warum sollten Spielleiter und Spieler des Systems bei dem Buch zuschlagen?
Grasi:Viele der Geschichten von "Disturbania" haben einen besonderen Flair, der auch sehr gut zu "Unknown Armies" passt. Der geneigte UA-Spielleiter dürfte sogar die eine oder andere Abenteueridee aus den Geschichten ziehen können.
Greifenklaue: Auf der RPC gibt es ja einige Aktionen Eurerseits: Lesungen, Autogrammstunden. Was ist denn wann wo geplant - lange hin ist es ja nicht mehr!
Grasi: Am Samstag den 26.04. um 15:00 Uhr gibt es am Prometheus Stand (Halle Nord, Stand N55) eine Autogrammstunde mit einigen der Disturbania Autoren (Christoph Hardebusch, André Wiesler, Torsten Sträter ...) und am gleichen Tag um 17:00 Uhr im Zelt 1 gibt es eine Disturbania-Lesung dieser drei Autoren und mir.
Greifenklaue: Kommen wir zu den kommenden Projekten. Zum einen fällt mir da das Stichwort Universalsystem ein. Was soll Euer System leisten und was soll es besser können als z.B. GURPS?
Grasi: Bisher steckt dieses Projekt noch in den Kinderschuhen, in einer sehr frühen Entwicklungsphase. Es geht uns eigentlich auch nicht darum ein System zu schaffen, dass besser ist, als GURPS oder Savage World, sondern darum ein einfaches, dynamisches System, in das man sich ähnlich schnell einarbeiten und einfinden kann, wie unsere "RATTEN!" System.
Greifenklaue: Sind zu dem System auch Settings geplant, die zeitgleich oder zeitnah rauskommen?
Grasi: Sollte dieses Projekt verwirklicht werden, wird es zeitnah zwei Settings geben. Was das für Settings sein werden, kann ich aber noch nicht sagen.
Greifenklaue: Dann durfte man schon ein bißchen was von "Kobushi!" lesen, einem Beat-Them-Up-Spiel ganz im Stile von Streetfighter. Wird das ein Bier- & Brezel-Rollenspieler oder geht das mehr in Richtung Tabletop / Brettspiel?
Grasi: Kobushi!, das zu 100% aus der Feder unseres Kopfkino-Kollegen Daniel Mayer stammt, ist eine actionreiche Mischung aus Karten-, Brett- und Rollenspiel, in der man im Stile der Beat-Them-Up Klassiker (Double Dragon, Final Fight ... ) kampfintensive Abenteuer erleben kann. Eine der vielen Stärken des Systems ist, dass man es in verschiedenen Modi spielen kann, halt wie ein Videospiel. Es gibt ein Story-Modus, der mehr in Richtung Rollenspiel geht, ein Duell und ein Beat-Them-Up Modus, bei dem es verstärkt darum geht seine Gegner mit Schlägen, Tritten und ähnlichem zu malträtieren. Es ist ein sehr spannendes und innovatives Konzept, das sich gerade in der Spieltestphase befindet und mit ein bisschen Glück am Ende des Jahres als Download auf www.projekt-kopfkino.de angeboten wird.
Greifenklaue: Im Interview mit dem Rollenspielradio habt ihr viel über ein Shadowrun-Quellenbuch gesprochen, eine Art inoffizielles deutsches Monsterkompendium. Ist schon abzusehen, wann das fertig wird?
Grasi: Das "Wilde Lande" ist an sich schon relativ weit fortgeschritten. Da die Lizenzvergabe der deutschen Shadowrun Rechte aber immer noch nicht zu 100% geklärt ist, bleibt das Projekt auf Eis, weil wir mit dem neuen deutschen Shadowrun-Verlag die Veröffentlichung unseres Projektes absprechen möchten, bevor es hinterher deswegenzu Ärger kommt.
Greifenklaue:Das ist ja schon eine ganze Menge an Projekten, habt ihr denn noch was konkretes in der Pipeline?
Grasi:Ich glaube mit "RATTEN!!", Kobushi! und Wilde Lande haben wir 2008 erst einmal genug zu tun. Was danach kommt steht noch in den Sternen.
Wir halten aber auch immer die Augen auf und es kann sein, dass uns mal ein freies Rollenspiel-Projekt so anspricht, dass wir es gerne in unser Programm aufnehmen wollen. Deswegen einfach immer mal wieder auf unserer Website nach News schauen.
Greifenklaue: Stichwort Rollenspieltheorie. Kannst Du daraus was zum Design Eurer Systeme rausziehen?
Grasi: Rollenspiel-Theorie ist ein nützliches Instrument für Spiele-Designer ... wenn sie denn in einer verständlichen Form dargeboten wird. Auf das theoretisieren zu Selbstdarstellungszwecken kann ich aber verzichten.
Greifenklaue: Zuguterletzt noch eine Frage zu einem interessanten Projekt, welches aber nix mit Kopfkino zu tun hat, sondern welches bei Pegasus erscheint. "Quest - Zeit der Helden", eine Mischung aus HeroQuest und Rollenspieleinsteigerset? Oder mache ich mir da zu viel Hoffnung?
Grasi: Zumindest war er unsere Absicht ein spannendes Spiel zu konzipieren, das neue Leute ins Hobby holt. Ob das klappt wird die Zukunft zeigen. Ich hoffe es.