Interview mit DungeonSlayer I (Kamingespräch)
von Ingo "Greifenklaue" Schulze
Nachdem ich im GK-Blog das Dungeonslayer-System rezensieren und mit M20 vergleichen lies, habe ich mich daran gemacht Christian Kennig, den Macher von Dungeonslayer, zu interviewen. Bei den Fragen unterstützte mich ClemLOR aus dem GK-Forum. Ich hoffe, es sind einige interessante Fragen und Antworten für Euch dabei! Das System sowie weiteres Material gibt es im übrigen hier zum kostenlosen Download!
Greifenklaue: Verrat doch erstmal was zu Deiner Person!
Christian Kennig: Geboren bin ich in Berlin, Jahrgang 72. Zum Rollenspiel kam ich 1984 über einen Schulfreund, er spielte damals mit einem Regelmix aus D&D und DSA. Seit dem bin ich auf Rollenspiele hängen geblieben und probierte in den folgenden Jahren alle möglichen Systeme und Welten. Relativ früh versuchte ich mich auch als Spielleiter (was anfangs ordentlich in die Hose ging) und jobbte als Schüler in einem Rollenspielladen. Es entstanden irgendwann erste, unbeholfene Regelwerke (besser Sammlungen) und Weltbeschreibungen, die dann in Copyshops zerschnippelt, geklebt und unnötig oft kopiert wurden. Mit meiner Stammgruppe ‐ in leicht wechselnder Besetzung ‐ spiele ich jetzt seit 1993 einmal wöchentlich, derzeit genießen wir eine spaßige, entspannte Dungeonslayerskampagne.
Greifenklaue: Was war der Anlass für das Schreiben von Dungeonslayers?
Christian Kennig: Hauptsächlich wohl meine eigene Faulheit. Ich hatte Lust, mal wieder was ganz Simples zu spielen (sowohl regel- als auch plottechnisch), "wie früher" und eigentlich kam da für mich nur OD&D in Frage. Allerdings war da wieder der THACO und diese ganze Ellenrechnerei, mit denen ich mich nie richtig anfreunden wollte. Na, und dann halt diese Faulheit. Da kam mir das Simpelsystem in Erinnerung, dass ich letzten Sommer bereits gebastelt hatte, rief die Datei nochmal auf und dachte: Damit geht das doch auch.
Also wurden die Regeln neu durchgesichtet, hier und da umgeschrieben bzw. erweitert und fertig war auf einmal ein kleines Rollenspiel, für dass ich nur noch einen Namen brauchte.
Greifenklaue: Welche Rollenspiele dienten als Inspiration oder Ideenlieferant?
Christian Kennig: Da Dungeoslayers noch settinglos ist und gerade mal durch seine drei Rassen und Klassen etwas die Richtung angibt, gibt es nicht wirklich Welten oder Hintergründe, zu denen ein offensichtlicher Bezug hergestellt werden könnte. Die ganze Aufmachung des Spiels und auch meine knappen Sätze im Spielleiterbereich, mit welchen Stilmitteln eine klassische Kampagne einfach aufgezogen werden kann, orientieren sich natürlich am alten Flair von Welten wie Greyhawk, Mystara & Co, doch das ist letztendlich nur eine reine Interpretationsfrage.
Rein von den Regelmechaniken her sieht es auch nicht besser aus: Klar bin ich durch jahrelanges Spiel mit unterschiedlichen Systemen geprägt, doch genauso muss ich auch die plumpen Massenadditionsmodelle gewisser MMORPGs nennen, die ich ebenfalls im Hinterkopf hatte, als ich die Regeln ursprünglich spaßeshalber entwarf.
Die im Netz durch den Abwehr-Wurf von Dungeoslayers gezogene Parallele zu DSA (welches ich 1986 zuletzt gespielt habe) ist wirklich sehr, sehr naheliegend, aber tatsächlich nur blanker Zufall.
Greifenklaue: Wie kam Dungeonslayer bisher an?
Christian Kennig: Unerwartet gut. Um ehrlich zu sein, hat mich die Beachtung, die Dungeonslayers erfahren hat, anfangs ganz schön überrollt: Die Webseite war ja noch etwas buckliger zu der Zeit, die ZweiPunktNull-Regeln mehr als dürftig formuliert und dann noch die nicht gerade einladende Aufmachung. Dass das trotzdem nicht abschreckte, freut natürlich, doch erwartet hatte ich es nicht. Inzwischen hat sich in unserem Forum ein kleiner Kreis von Leuten gebildet und zusammen werkeln wir jetzt an neuen Inhalten für Dungeonslayers.
Greifenklaue: Ist das Spiel aus Deiner Sicht eher für Bier-& Bretzel-Rollenspiel geeignet oder auch für "vollwertige" Kampagnen?
Christian Kennig: Für beides, auch wenn Aufmachung und Titel nicht danach aussehen. Eine kleine, schnelle Runde ist ohne große Vorbereitung fix auf die Beine gestellt und da die Kämpfe zudem sehr schnell abgewickelt werden, schafft man dann in ein paar Stunden einen ganzen Dungeonrun.
Aber auch für vollwertige Kampagnen ist es absolut tauglich (das unterstelle ich ja selbst TWERPS) - seit einigen Wochen spielen wir in einem klassischen Fantasy-Setting, die Charaktere festigen ganz normal ihre Persönlichkeit und ihre Stellung, und der Plot selbst kam bislang sogar nur mit zwei Dungeons aus. Alles also ganz normal, wie mit anderen Systemen auch, der Name Dungeonslayers darf also nicht zu wörtlich genommen werden ;)
Greifenklaue: Im Netz ist in letzter Zeit häufig von einer Retro- oder Oldschoolwelle zu hören, zählst Du Dich dazu?
Christian Kennig: Jein. Ich selbst zähle mich auf Grund meines Werdegangs sicher dazu und auch Dungeonslayers trägt ja nicht ohne Grund den Untertitel "Ein altmodisches Rollenspiel". Aber Dungeonslayers ist nicht alt, sondern noch nicht mal ein Jahr alt. Zwar fördert es einen oldschooligen Spielstil und ist auch genau dafür gedacht, dennoch finde ich persönlich es etwas vermessen, zu behaupten, Dungeonslayers gehört mit den wahren Oldschoolern in eine Reihe, denn diese Bezeichnung gebührt den reinen Altsystemen oder ihren Klonen. Wenn wir die mal als Oldtimer bezeichnen, ist Dungeonslayers ein nachgebauter Oldtimer, der zwar genauso knattert, aber erst frisch aus der Fabrik rollt.
Greifenklaue: Konkrete Frage zum System: Das Angriff-Paradesystem liest sich in der Theorie in Ordnung. Ist das nicht aber ein Faktor, der das erklärte Ziel eines schnellen Spiels unter Umständen behindert, indem ständig erfolgreiche Angriff durch erfolgreiche Abwehraktionen wirkungslos verpuffen? Das Risiko ergibt sich vor allem bei sehr erfahrenen Helden und entsprechend erfahrenen Gegnern.
Christian Kennig: Das Problem trat bislang nicht auf, die Angriffe verpuffen ja auch nicht: Selbst ein Gegner, der in der Abwehr einen Wert von 20 oder höher hat, kann jederzeit eine ganz niedrige Zahl würfeln. Eine Abwehr von 20 bedeutet nicht, dass automatisch auch mit 20 abgewehrt wird, sondern mit einem Wert, der mit etwas Würfelglück auch mal 20 betragen kann, in 95 Prozent aller Fälle jedoch niedriger ausfällt.
Greifenklaue: Mittlerweile ist die dritte Version von Dungeonslayers erschienen. Was hat sich da gegenüber der Zweiten verändert?
Christian Kennig: Grundlegend hat sich am großen Ganzen nicht viel getan, die Regeln sind fast vollständig kompatibel zum Vorgänger 2.0 geblieben. Allerdings ist jetzt alles weitaus verständlicher verpackt und an vielen Kleinigkeiten wurde geschraubt: Beispielsweise wurden die Zaubersprüche nochmal ordentlich aufgestockt, die Charaktererschaffung ist durch variierbare Attribute jetzt viel freier in der Gestaltung, das Thema Heilung wird endlich angesprochen, die Ausrüstungslisten wurden angemessen erweitert (samt kleinen Festungsbaukasten für Slayerhelden) und ein Bestiarium mit über 20 Monstern ist dazugekommen ‐ man kann jetzt mehr als nur Ratten, Orks oder Skelette vertrimmen.
Was sich dagegen nochmal ordentlich geändert hat, ist das Talentsystem, was unter 2.0 ziemlich jämmerlich behandelt wurde. Die neuen Talentregeln ergaben sich in einer für mich sehr aufschlussreichen Forumsdiskussion und sind jetzt richtig nett geworden.
Greifenklaue: Welche herausragenden Merkmale besitzt aus Deiner Sicht Dungeonslayers?
Christian Kennig: Schnell und billig ;)
Dungeonslayer ist wirklich fix gelernt und leicht erklärt. Es kommt mit nur wenigen Seiten an Regeln aus, kann aber trotzdem alle möglichen Spielfacetten abbilden, nicht nur reines Dungeongekloppe.
Vor allem aber ist es ungemein zeitsparend, erstmal natürlich für den Spielleiter während der Vorbereitung, da er sich nicht groß mit Regelkram rumschlagen muss und einen Stufe-10-Schwarzmagier schnell aus dem Ärmel schütteln kann, um sich danach wieder dem Plot zu widmen. Aber auch die Gruppe hat was davon:
Gerade die oftmals sehr viel Zeit fressenden Kämpfe dauern bei Dungeonslayer überhaupt nicht lange (unser "Rekord" liegt bei 38 Kampfrunden in einer Stunde), wodurch man ziemlich viel schafft. In der Tat mosern meine Spieler fast jedesmal, dass man gar nicht mehr die Zeit findet, zwischen seinen Kampfaktionen mal eben schnell aufs Klo zu flitzen.
Wer wie ich also nicht mehr über soviel Zeit wie früher verfügt, bekommt mit Dungeoslayers ein schnelles System, was nichts kostet und Dank Creative Commons für alles offen ist.
Greifenklaue: Wirkt sich das bloggen über rsp-blogs merkbar auf Euer Projekt aus?
Christian Kennig: In der Tat ‐ die Besucherzahlen sind ordentlich und vor allem kommt auch das richtige Publikum. RSP-Blogs ist in sehr kurzer Zeit ein richtig schöne Sache geworden, die nicht nur Dungeonslayers, sondern der ganzen Szene zu Gute kommt.
Greifenklaue: Nutzt Du spezielle Materialien für Dungeons ‐ Stichwort: Tiles, Battlemaps, Karten oder DwarfenForge?
Christian Kennig: "Früher" hatte ich diese fleckige, mit einem Raster bemalte und laminierte Pappe, heute benutze ich stattdessen eine Battlemat oder (wenn 's passt) FlipMats. Aber wenn das Aufbauen sich eigentlich noch nicht richtig lohnt und zu viele Chips und Colas noch den Tisch bevölkern, greife ich auch mal zu 'nem DinA4-Blatt und male die Szene kurz auf oder lege LEGO-Einreiher als Wände noch dazu.
Greifenklaue: Was motiviert Dich dazu, ein weiteres Fantasy-Rollenspiel zu schreiben?
Christian Kennig: Der Spaß an der Sache. Ich bin ein Spielekind, Schreiben und Entwicklen für das eigene Hobby topt das für mich noch. Und dank der Technik und dem Internet kann man die Sachen heutzutage nett verpacken (davon hätte ich zu Copyshopzeiten nicht zu träumen gewagt) und andere Spieler erreichen, ohne gleich einen Verlag hinter sich haben zu müssen.
Greifenklaue: Gibt es neben Dungeonslayers weitere Projekte von Dir?
Christian Kennig: Auf Grund von Dungeonslayers liegt bei mir momentan alles Andere auf Eis, jetzt wird erstmal die Dungeonslayerspalette noch weiter wachsen, da ist schon einiges in Planung. Neue Abenteuer und Dungeons werden benötigt (von Herr der Ratten und Zantalus mal abgesehen), mir schwirren auch bereits zwei Settings im Kopf herum, die ich gerne als Download anbieten würde und dann ist da ja auch noch das DS Kompendium, an dem wir im Forum schustern.