Die Weihe (Kurzgeschichte)
von Frank Reiss
von Frank Reiss
"He Elandra! Denk daran, zur zwölften Stunde bist Du wieder hier! Seine Excellenz duldet keine Verspätungen!" hallte die Stimme der Priesterin durch den großen Eingangsraum des Rondratempels. Das mit Elandra angesprochene Mädchen verließ den alten Tempelbau, der heute besonders schön geschmückt war mit Girlanden und roten Schleiern, die in einem kräftigen Kontrast zu den weißen Wänden standen, an denen sie herabhingen. Alles sollte festlich sein, wenn der große Erzpraetor Fildan von Aldyra die ehrenvolle Weihung vollziehen wird. Sie alle hatten sich körperlich und geistig auf dieses bedeutende Ereignis vorbereitet, doch jetzt, wenige Stunden davor, spürte Elandra die große Aufregung, die sich bei ihr in Unruhe äußerte. Am Haus des Ingerimm vorbei, hastete Elandra den Tempelberg hinab durch das Tor, was diesen von den übrigen Stadtteilen Vinsalts trennte. Ihre dunkelblonden Haare flatterten im lauen Sommerwind. Ein kleiner Weg führte auf den reich besuchten Theaterplatz, auf dessen Freilichtbühne einmal mehr die Legende der Heiligen Thalionmel aufgeführt wurde. Als Elandra drängelnd den weiten Platz überquerte, fiel auf der Bühne ein novadischer Krieger auf die Bretter, als er vom heiligen Schwert der Thalionmel niedergestreckt wurde. Gespielt wurde die Heilige aus Neetha von einem flachsblonden, schlanken Mädchen, kaum älter als Elandra, die den Theaterplatz mit einem Seufzer der Erleichterung hinter sich lies. Die Straße, die zum Grangorer Tor führte und auf der die junge Dienerin Rondras gen Norden schritt, war menschenleer. Auf der rechten Seite erhob sich das geschätzte Hotel "Goldener Löwe", dessen Zimmer zur Zeit der Rondrafestspiele im Lieblichen Feld sicher ausgebucht waren. Nach einigen Schritten weichte die Häuserreihe einer Mauer aus weißem Marmor, kaum 10 Spann hoch, die von einem Tor unterbrochen wurde. Hinter diesen Mauern lag der Madamal-Park, einer von Elandras Lieblingsorten in Vinsalt. Er war Tag und Nacht geöffnet und zu beiden Zeiten besucht. Das Mädchen trat durch das Tor auf die grünen, saftigen Wiesen des Parks, auf denen verliebte Paare auf Decken saßen und Kinder spielten. Sie blieb für einen Moment stehen und sog die warme Luft genießerisch ein. Am liebsten würde sie den unbequemen Wappenrock ausziehen, doch das erlaubte ihre Ehre nicht. Die Wege, die unbefestigt durch den Park verliefen, teilten sich in verschiedene Richtungen. Elandras Weg führte jedoch auf den kleinen Hügel, der mit dichten Hecken umgeben war: Der Rahjahain. Links des Weges erhob sich der Sternenturm, auf dem ein Fernrohr aufgestellt worden war, mit dem man die Sterne beobachten konnte. Mit klopfendem Herzen betrat Elandra den Rahjahain, wo gemütliche Bänke zwischen Büschen um einen kleinen, sprudelnden Brunnen standen, die bereits fast alle von Liebespaaren belagert wurden, die zärtliche Liebkosungen austauschten. Auf einer Bank saß jedoch nur ein einzelner Junge, wie Elandra ungefähr siebzehn Sommer zählend, und starrte verträumt auf den Brunnen. Er war in eine hellrote Robe gekleidet und hatte sein braunes Haar im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden. Als er so dasaß, wirkte er wie ein sorgloses, kleines Kind.
"Hallo Jagon!" begrüßte Elandra den jungen Mann auf der Bank herzlich. Dieser schreckte auf, als wäre er bei etwas ertappt worden. Als er aber das breite Lächeln auf dem hübschen Gesicht des Mädchens sah, das ihn aus seinen Träumen riß, verwandelte sich der Schreck in Freude. Er stand auf und ging auf seine Freundin zu. Die beiden umarmten sich und begrüßten sich mit einem Kuß.
"Ich dachte, Du kommst gar nicht mehr, Elandra. Die Weihe findet doch heute statt!" sagte Jagon, während sich die beiden auf die freie Bank setzten.
"Das dachte ich auch" entgegnete ihm Elandra. "Aber ich habe eine Stunde Ausgang bekommen. Die Weihe findet erst heute Abend statt."
Fast eine halbe Stunde saßen die beiden auf der Bank, lehnten sich an sich und redeten kein Wort.
"Und, wie geht es bei dir voran?" fragte schließlich Elandra ihren engen Freund.
"Ich werde noch in diesem Hesinde meine Magierwürde empfangen. Die Prüfungen werden sehr schwer sein, so daß ich vorher gehörig lernen muß..." "...und wir uns seltener sehen werden" führte Elandra den Satz mit einem traurigen Unterton weiter.
"Ich kann es nicht ändern. Es ist ebenso wichtig für mich, wie deine Weihe für dich" versuchte ihr Jagon zu erklären. Sie waren seit fast drei Jahren zusammen und trafen sich jeden Tag in den Pausen, so ihnen welche gewährt wurden. Kennengelernt haben sich Elandra und Jagon auf einem Fest im Traviamond des Jahres 2511 nach Horas Erscheinen. Sie trafen eher zufällig zusammen, doch auf Anhieb entwickelten sie tiefe Sympathie für einander. Aus der Sympathie wurde im Laufe der Jahre Liebe, und beide fürchten den Tag, an dem sie voneinander getrennt werden. Daß dieser Tag nicht fern lag, wußten sie beide, denn in Tobrien herrschte Krieg und seit dem Frieden zwischen Neuem und Altem Reich entsandte auch letzteres Kämpfer zur Unterstützung der Truppen im Osten. Man wird Elandra vielleicht noch ein paar Wochen geben, doch innerlich bereiteten sich die Liebenden bereits auf die Trennung vor. Jagon plante insgeheim seiner Liebe nach Tobrien zu folgen, sobald er die Magierwürde erhalten habe, denn ein Abgänger der Anatomischen Akademie zu Vinsalt wird auf dem Schlachtfeld ebenso gebraucht werden. Um Elandra jedoch nicht zu enttäuschen, verschwieg er seine Absichten, bis er Klarheit darüber hatte.
"Laß uns gehen" unterbrach Elandra einmal mehr die Gedanken des jungen Magierlehrlings. "Es ist schon spät. In einer Viertelstunde muß ich im Tempel sein."
Still erhoben sich die zwei und verließen den Rahjahain. Sie waren soeben am "Goldenen Löwen" vorbei gekommen, da blieb Elandra plötzlich stehen. Andere hatten sie oft um ihren feinen Gehörsinn beneidet. "Hörst Du das?" fragte sie leise mit einem Blick hoch zu einem Balkon, der aus dem zweiten Stock eines Hauses kam. "Es war wie ein Stöhnen." "Vielleicht sollten die Herrschaften die Tür zum Balkon beim Liebesspiel schließen" scherzte Jagon, doch er bemerkte den ernsten Blick Elandras, die immer noch starr zum Balkon hinauf sah.
"Glaub es mir, Jagon. Das war kein rahjagefälliges Stöhnen! Das war ein unterbundener Schmerzensschrei" beteuerte Elandra und Unruhe lag in ihrer Stimme.
Bevor Jagon etwas entgegnen konnte, traf mit einem lauten Klatschen ein männlicher Körper auf das Pflaster. Erschrocken sprangen beide zurück, dann kniete Jagon vor dem Körper nieder und tastete ihn ab. Als er die Hand vom Brustkorb des Mannes nahm, klebte frisches Blut daran. Jagon strich sich mit der sauberen Hand eine Strähne aus dem Haar und legte beide Hände auf die Herzgegend des Mannes, während er seine arkane Kraft fließen ließ.
Geistesgegenwärtig stürzte Elandra zur Haustür, die allerdings verschlossen war. Mit wütenden Tritten gelang es ihr, sich Eintritt zu verschaffen. Sie hechtete die Treppen ins zweite Stockwerk hinauf, stieß die Tür zu dem Zimmer auf, das ihrer Meinung nach direkt am Balkon lag und rannte hinein. Sie fand ein nobel eingerichtetes Wohnzimmer vor, mit bezogenen Sesseln und einem Marmortisch in der Mitte. Ihr Blick ging von Wand zu Wand, an den Edelholzschränken und einer Glasvitrine vorbei, doch nichts verdächtiges war zu sehen. Schnell wie Rondras Blitz wandte sie sich um und stürmte in das nächste Zimmer, das sich als Schlafzimmer mit zwei Betten erwies, aber auch keine besonderen Erkenntnisse bereithielt.
Der verletzte Mann atmete flach und rauh. Blut rann von seinen Lippen. Jagon lag erschöpft neben ihm auf den Straße. Er hatte getan, was in seiner Macht stand. Wenn der Mann jetzt zu Boron ging, kann ihn niemand dafür verurteilen. Jemand hatte dem Verletzten einen langen, spitzen Gegenstand in den Brustkorb getrieben und ihn fast getötet. Der Täter muß sein Handwerk verstanden haben, denn der Stich war präzise und genau durchgeführt worden.
Die nächste Tür flog auf. Elandra stolperte hinein. Es war ein Baderaum. In einer Ecke standen neben einer Wanne einige Fläschchen und ein Holzeinemer. Also wieder nichts! fluchte Elandra in Gedanken. Doch dann hörte sie ein Geräusch. Das Zerspringen von Glas kam aus dem Osten. Dort waren noch zwei oder drei Türen, die sie noch nicht geöffnet hatte. Wie von einer unbekannten Intuition geleitet, öffnete sie entschlossen eine der Türen und sah einen Raum, an dessen Wänden Bücherregale und in dessen Mitte ein wuchtiger Schreibtisch aus Mohagoniholz stand. Elandras Blick fiel auf die zerbrochene Weinkaraffe am Boden. Ein Fenster war geöffnet worden und ein roter Vorhang wehte im Wind. Die junge Dienerin Rondras sprintete zum Fenster und spähte hinaus. Unter ihr lagen die Baliiri-Wiesen, auf denen zur Zeit die Schauspieler für die Rondrafestspiele lagerten. Ratlos schweifte Elandras Blick über die Zelte, da sah sie einen Schatten, der sich flink in der Deckung eines Karrens bewegte. Schnell schätzte sie den Abstand vom Fenster bis zum Boden. Eigentlich zu hoch, um hinunter zu springen. Sie hatte gelernt, sich abzurollen, falls sie aus großer Höhe fiel und sie traute sich den Sprung aus dem zweiten Stock durchaus zu...
Hart traf sie auf den grasbewachsenen Boden auf. Schnell überprüfte sie, ob etwas verletzt oder gar gebrochen war. Als sie sich vom heilen Zustand ihrer Knochen überzeugt hatte, sprang sie auf und rannte in die Richtung, in der sie den Schatten gesehen hatte.
Jagon hatte sich soweit erholt, daß er den Schwindel, den er verspürte, als er sich aufraffte, abwenden konnte. Der werdende Magier nahm den Körper des Verletzten auf die Hände und ging die Straße hinauf. Er wollte den Mann zur Akademie bringen, wo man sich um ihn kümmern sollte. Um kein Aufsehen zu erregen, umging er den Theaterplatz und andere Orte, an denen sich viele Menschen aufhalten konnten, so gut es ging. In der Akademie nahm man Jagon den Verletzten ab und lobte ihn für sein schnelles und kluges Handeln. Jagon hatte jedoch keine Zeit und trat nicht einmal ein, sondern lief so schnell er konnte zum Nachbarhaus des "Goldenen Löwen" zurück, wo er Elandra erwartete.
Da war der Schatten wieder! Sie hatte ein gutes Stück aufgeholt. Er schien nicht damit zu rechnen, daß sie ihm gefolgt war. Er wiegte sich in Sicherheit hinter einem bunt bemalten Zelt und atmete tief durch, als ihn ein leises Knistern aufhorchen ließ.
Elandra schlich näher an das bunte Zelt, hinter dem sie die Person, den Mörder vermutete. Warte ab, mein Freund. Gleich habe ich dich! dachte sie, doch dann hielt sie inne. Wie sollte sie ihm gegenübertreten? Ihr Griff an den Gürtel bestätigte, daß sie nur einen einfachen Dolch mitführte. Was, wenn er mit einem Schwert bewaffnet war? In den Übungsstunden im Tempel wurde oft der Kampf mit ungleichen Waffen geübt und sie hatte nie schlecht abgeschnitten, aber dies war die Realität. So leise, wie es ihre zitternden Finger erlaubten, zog sie den Dolch aus der Scheide. Ich darf ihn nicht aufschrecken, redete sie sich zu. Sie hatte den Dolch bereits in der Hand, als er ihr ausglitt und zu Boden fiel. Trotz des Grasteppichs war es eine unverkennbare Warnung, die der Person, die sich hinter dem bunten Zelt versteckt hatte, ein deutliches Zeichen war. Elandra sah, wie ein ca. 9 Spann großer Körper hinter dem Zelt hervorsprang und zu rennen begann. Elandra hob ihren Dolch auf und lief hinter der Person, die in einen schwarzen Umhang gekleidet war, her.
Vorsichtig stieg Jagon die Stufen zum zweiten Stock hinauf. Er lauschte, konnte jedoch nichts hören. Schleichend betrat er Wohnzimmer, Schlaf- und Badezimmer, wo er jedoch keine Spuren außer teils gewaltsam geöffneter Türen entdecken konnte. In der Ostwand gab es noch drei weitere Türen, von denen aber nur eine geöffnet war. Jagon sah die zerbrochene Weinkaraffe und das geöffnete Fenster, doch auch hier war keine Spur von Elandra zu finden. Vielleicht ist sie aus dem Fenster geklettert! schoß es ihm durch den Kopf. Er blickte auf die Baliiri-Wiesen, auf denen zahlreiche Zelte aufgebaut waren. Sein Blick glitt zwischen die Zelte, wo er eine schwarze Gestalt ausmachen konnte, die nach Osten rannte und dicht von einem blonden Mädchen in einem Wappenrock verfolgt wurde. Jagon hastete zurück in den Flur und fiel beinahe die Treppe hinab.
Sie hatte ihn verloren! Verflixt! fluchte sie. Er kann doch nicht verschwunden sein. Andererseits, wenn es ein Magier war - Jagon hatte ihr ein wenig von den bekanntesten Zaubern erzählt - konnte er sich unsichtbar machen und sie austricksen. Ein harter Schlag traf sie im Nacken und sie fiel vornüber. Als es ihr gelang, sich auf den Rücken zu rollen, sah sie in das Gesicht eines Jünglings von vielleicht zwanzig Sommern. Sein helles, blondes Haar war unter dem schwarzen Kapuzenumhang versteckt. Auf seinen Gesichtszügen machte sich ein Grinsen breit.
"So, jetzt habe ich dich! Du hättest mir nicht folgen sollen. Das wäre besser für dich gewesen" trug er regelrecht vor, als hätte man ihm diese Floskel eingepaukt.
Elandra war starr vor Entsetzen, als der Mann einen armlangen, spitzen Dolch unter dem Mantel hervorzog und fest umschlungen über ihrem Gesicht hielt. Ihren Dolch hatte sie beim Fall verloren, er mußte irgendwo im Gras liegen. Ihre Handgelenke hielt der außerordentlich kräftige junge Mann mit seiner linken Hand umschlungen, während er das rechte Knie auf ihren Brustkorb drückte.
"Es tut mir wirklich leid, dir das antun zu müssen, aber Du hast zuviel gesehen!" Mit diesen Worten ließ der Unbekannte den Dolch auf Elandras Gesicht herabsausen und durchbohrte ihr linkes Auge. Elandra schrie vor Schmerz und versuchte sich zu wehren, als der Fremde erneut ausholte. Sie schrie ihre Göttin um Hilfe an, doch es schien nicht zu helfen. Fast genüßlich war das Lachen ihres Gegners, als er mit dem Dolch starr auf ihr rechtes Auge zielte. Was dann passierte ging beinahe so schnell, daß Elandra sich später kaum daran erinnern konnte. Sie hörte eine vertraute Stimme in nie gespürtem Zorn beben und rufen: "Fulminictus Donnerkeil!". Kaum waren die Worte der Macht gesprochen, wurde der Unbekannte im schwarzen Umhang in einer Welle von Schmerz zurück geschleudert und landete neben Elandra.
Als der Schreck von ihr fiel, sah sie Jagons besorgte Miene über ihr. Eine Spur von Haß stand noch immer in seinen blauen Augen. Sie war nicht mehr auf den Baliiri-Wiesen, sondern lag auf einem weichen Lager in einem hohen Raum.
"Mach Dir keine Sorgen. Es wird alles gut. Die besten Heiler der Akademie haben sich um Dich gekümmert. Durch Heilmagie konnten wir Dein Auge soweit heilen, daß Du damit bald wieder sehen kannst."
Erst jetzt nahm Elandra die anderen Männer und Frauen in ihren Roben war, die an ihrem Lager saßen. Intuitiv faßte sie zu ihrem linken Auge. Ein Verband war darüber gespannt. Sehr langsam rekonstruierten sich die vergangenen Ereignisse in Elandras Kopf. Dann erschrak sie.
"Ich muß zur Weihe!" rief sie verzweifelt. "Sie werden nicht auf mich warten. Wenn ich nicht erscheine, dann war alles umsonst!"
"Elandra! Du wirst zur Weihe gehen. Heute Abend findet sie statt. Es ist erst die fünfzehnte Stunde. Erhol Dich noch ein wenig" beruhigte sie Jagon.
Am Abend standen die Novizinnen und Novizen der Vinsalter Rondrageweihten-schaft in der heiligen Halle des Tempels. Stolz stand in den Gesichtern aller Anwesenden, als die doppelflügelige Eingangstür von zwei Geweihten in Kettenhemd um Wappenrock geöffnet wurde und der Erzpraetor Fildan von Aldyra die Halle betrat. Der Erzpraetor war ein grauhaariger Hüne, der seine Perfektion im Umgang mit den rondrianischen Waffen schon oft unter Beweis gestellt hatte. Er war ein sehr mächtiger Mann und wurde vom Großteil der Geweihtenschaft respektiert. Als Erzpraetor fiel ihm die Ehre zu, die Weihung der Novizinnen und Novizen zu vollziehen. Fildan von Aldyra nahm seinen Platz an einem Pult ein und richtete sich an die anwesende Geweihtenschaft:
"Brüder und Schwestern! Es erfüllt mich mit Stolz, euch alle an diesem fünften Rondra des Jahres 2514 Horas in der heiligen Halle der Rondra zu begrüßen. Heute Abend werden elf junge Novizen in den Stand des Geweihten erhoben und empfangen die Weihe der Göttin. Es sind schwere Zeiten für Aventurien angebrochen und der Frieden mit dem Neuen Reich verpflichtet uns zur Unterstützung der mittelreichschen Truppen gegen den Schwarzen. Einige von euch werden am ersten Tag des nächsten Mondes zu den Truppen stoßen, die gen Osten ziehen und es wird eine große Ehre für Euch sein. Doch genug der düstren Worte, laßt uns mit der ehrwürdigen Zeremonie der Weihung beginnen!" Diese Worte waren zugleich das Kommando für Kurin, den ersten Novizen, der voll Ehrfurcht seine Weihe entgegennahm. Elandra kam fast als letzte an die Reihe. Als sie sich nach den Worten der Weihung von den Knien erhob, fürchtete sie, ob ihrer schwindenden Kraft zusammenzubrechen, doch eine seltsame Zuversicht stärkte die junge Geweihte und ließ neuen Mut in ihr wachsen.
Am Ende der Zeremonie wurden die Namen derer verlesen, die am 1.Efferd zur kaiserlichen Truppe stoßen sollten. Elandra war auch unter ihnen, doch anstatt Trauer ließ der Gedanke an die Zukunft Stolz in ihr aufkommen.
Die letzten Tage mit Jagon im Rahjahain waren die schönsten, die sie gemeinsam hatten und der Abschied fiel ihnen beiden schwer. Jagon war es nicht gestattet worden, nach Tobrien zu ziehen, doch er wollte seiner Liebe heimlich folgen. Am Tag ihrer Abreise schenkte er ihr einen Ring, der mit einem Opal, dem Stein der Tsa, versehen war. Er verschwieg Elandra, daß er den Ring von einem reisenden Magus für fast sein gesamtes Ersparnis gekauft hatte. Er verschwieg ihr auch die Wirkung des Ringes.
Im Kerker Vinsalts saß ein blonder Jüngling. Er bereute nichts, was er getan hatte. Es war seine Aufgabe. Er hatte den Auftrag angenommen und ausgeführt, doch alles lief nicht so, wie er es geplant hatte. Der Mann, dessen Leben er beenden sollte, hatte vor drei Tagen gegen ihn gesprochen. Die Geweihtenschaft des Praios hatte einstimmig entschieden: Er sollte am 1.Efferd dem Gott übergeben werden, dem er diente. Was hätte ihm die Freiheit gebracht? Er hatte seine Arbeit nicht zufriedenstellend erledigt. Die Hand Borons braucht keine Unfähigen!
- Ende