Die Geschichte der Piraterie
von Joachim Schmidt und Ulf Straßburger
"Krieg, Handel und Piraterie -
dreieinig sind sie, nicht zu trennen!"
Mephistopheles, Faust Teil II
Das goldene Zeitalter der Piraterie war zum einen durch Krieg, Hungersnot, Verfolgung Andersgläubiger und bittere Armut geprägt. Bildung war für einfache Menschen immer noch ein Fremdwort. Kaum eine Frau und nur jeder vierte Mann konnte lesen und schreiben.
Auf der anderen Seite wurden neue Länder entdeckt, die sich die Herrscher Europas untertan machten und deren unermeßliche Reichtümer sie ausbeuten konnten, oder mit denen lohnende Handelsbeziehungen geschlossen wurden.
Das einfache Volk hatte nichts davon außer harter Arbeit, ungenügender Bezahlung und dem Risiko, das eigene Leben zu verlieren.
Was lag also näher als das Wagnis einzugehen, sein Leben als Verbrecher an einem Galgen zu beenden - oder schnell zu Reichtum zu kommen, indem man es den Reichen stiehlt.
Aus der staatlich geförderten Freibeuterei und der Aussichtslosigkeit, den eigenen Lebensstandard legal zu verbessern, entwickelte sich die freie Piraterie, die keine religiösen oder politischen Grenzen kannte.
Doch die Anfänge der Piraterie liegen viel weiter zurück...
Die Antike
Zum ersten Mal wurde Seeräuberei gegen 1350 v.Chr. von den Ägyptern schriftlich erwähnt, obwohl es sie schon etwa seit 3000 v.Chr. gab.
Im Mittelmeer entwickelte sich mit dem ersten größeren Warenaustausch per Schiff auch die Piraterie.
Die Griechen und andere Reiche nutzten die Piraterie, die übrigens eine angesehene, da wagemutige Betätigung war, als zusätzliches rechtmäßiges Mittel der Kriegsführung.
Daß sich dieses Mittel, wie auch in den späteren Zeiten, schnell verselbstständigte, ist kein Wunder. War der Krieg vorüber, so gab es eine große Anzahl unbeschäftiger Männer, die ihre Familien zu ernähren hatten. Also übten sie ihr Handwerk weiter aus...
Eines der größten Piratenzentren im Mittelmeer war die Küste von Lykien und Kikilien auf dem Gebiet der jetzigen Türkei. Alle bedeutenden Handelsrouten führten an diesem Gebiet vorbei, so daß die Handelsschiffahrt so stark bedroht wurde, daß die ersten Begleitschiffe für den Schutz der Güter ausliefen und die Besatzungen stärker bewaffnet werden mußten.
Im Mittelmeer wurde es erst ruhiger, als die Römer in wenigen Schlachten die Piratenflotten vernichteten und, wie in ihrem gesamten Einzugsgebiet, die Herrschaft und Kontrolle übernahmen.
Jedoch gingen die Zeiten des römischen Reiches zu Ende und damit auch die Ruhe im Mittelmeer...
Die Nordmannen kommen!
Im 8. und 9. Jahrhundert wurde dieses zum prägenden Schreckensruf, wenn die Langboote der Wickinger mit ihren wilden, unbarmherzigen Kriegern an Bord Siedlungen und sogar Großstädte wie Rom und Paris plünderten und brandschatzten.
Als erste mußten christliche Stätten auf den britischen Inseln wie Iona und Lindisfarne dieses Los ertragen, doch mit dem Ruf nach großer und einfach zu erlangender Beute wurden die angreifenden Flotten der Nordmänner immer größer, die an allen Küsten Europas landeten oder die Flüsse hinauffuhren.
Irgendwann jedoch kam der erste Sieg der Verteidiger und der Bann gegenüber den bisher "Unbesiegbaren" war gebrochen.
Aufgrund des jetzt herrschenden Widerstandes ließen die Überfälle stark nach. Die Krieger wurden, weit verstreut, wieder zu seßhaften Bauern, den Normannen.
Ihre größte Niederlassung entstand in der Normandie.
Die Vitalienbrüder
Auch in nordeuropäischen Kriegen wurde Seeräuberei als politisches Druckmittel verwendet.
Als die Vitalienbrüder, wie sie sich nannten, um 1400 aus der Ostsee vertrieben wurden, machten sie den Handelsverkehr in der Nordsee unsicher.
Vor allem Störtebecker und Godeke Michels wurden berühmt.
Die zerstrittene Hanse hatte zuerst keinen großen Ehrgeiz an sicheren Handelsrouten. Erst, als sie später massiv gegen die Piraten vorgingen, wurde dieses Problem bald gelöst und die Rädelsführer gefaßt und hingerichtet.
Europa im Krieg
Piraterie und Freibeutertum wurden auch verwendet, um die Streitigkeiten der europäischen Reiche auf die See zu verlagern.
Die Kanalküstenregionen waren erbittert verfeindet, Strandraub war alltäglich und irische Fürsten wie Grace O´Malley wehrten sich auch mit Seeräubereien gegen die englische Übermacht und Blockade.
Das Goldene Zeitalter
Diese Epoche begann mit den spanischen Eroberungen in Mittel- und Südamerika um 1600.
Die englische Königin Elizabeth schickte die Kaperfahrer Drake und Hawkins aus, um den Spaniern einen Teil der aztekischen und anderen ausgepreßten Reichtümer abzunehmen.
Zudem wurden in den Kriegen zwischen England, Frankreich, Spanien und Holland immer wieder Kaperschiffe eingesetzt, um den Handelsverkehr und den Nachschub des Gegners zu stören.
Bukaniere und Piraten
So wurden die Männer der "Ehrenwerten Küstenbruderschaft" genannt. Die Bukaniere (oder Flibustiere) waren nichtspanische Europäer, vornehmlich französische Hugenotten, die es zu Beginn der Kolonialscharmützel gegen Spanien in die Karibik getrieben hat. Sie bauten Siedlungen auf Hispaniola und anderen Inseln und verdienten ihren Lebensunterhalt hauptsächlich mit Ackerbau und der Jagd auf wilde Tiere, später auch mit Freibeutertum und Piraterie.
Vor allem in der Karibik und im indischen Raum sowie bei Madagaskar waren die größten Zentren der Piraterie. Es gab dort regelrechte Festungen und Städte, in denen die Beute verkauft und das Geld unter die Leute gebracht wurde.
Port Royal, Tortuga und St. Augustin sind mit die bekanntesten Orte des bunten Piratentreibens, deren Zeiten in der Karibik gegen 1720 zu Ende ging, auf Madagaskar bis ins 19. Jahrhundert überdauerten.
Das Goldene Zeitalter war endgültig vorbei.
Andere Schauplätze
Auch im Mittelmeer gab es bis weit ins 19. Jahrhundert Piraten, vor allem von der nordafrikanischen Küste aus. Die Barbaresken mit ihren Rudergaleeren waren selbst für europäische Kriegsschiffe eine Gefahr.
Auch im asiatischen Raum gab es ein weitläufiges Seeräubergewerbe. Wie alle anderen Kauffahrer waren auch die japanischen und chinesischen durch Piraten gefährdet. Ebenso waren die Seeräuber in Russland und dem Balkan weit verbreitet.
Piraten heute?!
Obwohl es kaum vorstellbar ist, wird heutzutage nicht nur Kapitän Iglo von Kinderseeräubern bedroht.
In den indonesischen und phillipinischen Gewässern sowie vereinzelt in der Karibik gibt es immer noch Piraterie, wobei nicht nur Segeljachten, sondern auch größere Handelsschiffe gefährdet sind. Leider gibt es auch immer wieder Tote zu beklagen.
Es gibt sie also noch heute, und ein endgültiges Ende der Piraterie ist nicht absehbar...
[...]
Historischer Abriß der Epoche
1492 Kolumbus entdeckt Amerika; zuerst die Bahamas, Kuba und Haiti
1497-99 Vasco da Gama segelt nach Indien
1517 Luthers Thesenanschlag
1519-1522 Magellan umsegelt die Welt
1519 Cortes erobert das Aztekenreich
1534 Heinrich VIII. wird Oberhaupt der englischen Kirche; die anglikanische Kirche wird Staatskirche
1603 Elisabeth I. stirbt
1608 Teleskop eingeführt
1640-1660 Hochzeit der Hexenprozesse in Europa
1641 Kaffee in Europa eingeführt
1642 Tod Richelieus
1648 Der Dreißigjährige Krieg endet
1648 Die vereinigten Niederlande werden entgültig unabhängig von Spanien, nachdem schon 1640 Portugal wieder eigenständig wurde
1648 Paris erhebt sich erfolglos gegen die Monarchie
1649-1650 Irland wird durch Cromwell blutig unterworfen, viele Iren als Sklaven in die Karibik verschleppt
1650 Juden kehren nach jahrhundertelanger Verbannung nach England zurück
1651 Englische Navigationsakte: nur englische Schiffe dürfen Güter zwischen den Kolonien und dem Mutterland transportieren
1652-1674 Englisch-holländische Seekriege
1653 Cromwell besiegt den englischen König Karl I.
1655 Jamaika wird, von Spanien bestätigt englischer Besitz
1657 Füllfederhalter eingeführt
1665 Französische Freibeuter setzten sich im Westen Hispaniolas fest
1665 Pestepedemie in London
1666 Feuersbrunst wütet in London
1669 Erprobung der ersten Taucherglocke
1670 Faltregenschirm eingeführt
1672-1678 Holländischer Krieg gegen Frankreich
1680 Holland wird Kolonialreich und verdrängt die Portugiesen im Gewürzhandel
1682 Quaker William Penn gründet Pennsylvania
1683 Die Türken werden entgültig vor Wien geschlagen
1685 Den französischen Prostestanten wird ihre Religion verboten
1685 Signalflaggen in England vereinheitlicht
1688-1697 Frankreich im Krieg mit Österreich, Spanien, England, Holland und Schweden
1692 Ein Erdbeben zerstört Port Royal. Die Stadt versinkt fast vollständig im Meer
1695 Katholikenverfolgung in Irland
1697 West-Hispaniola wird offiziell Saint-Dominigue unter französischem Besitz
1701-1714 Spanischer Erbfolgekrieg nach dem Tod Karl II.
1702 erste englische Tageszeitung
1703 starke Herbst-Unwetter in Europa; 40.000 Tote
1704 erster Lauf einer Dampfmaschine
1707 England und Schottland schließen sich zu Großbritannien zusammen
1709 Piano eingeführt
1713 Holländischen Kriege gegen Frankreich
1768-1777 Cooks Reisen
Berühmte Persönlichkeiten aus Politik und Kultur
1564-1616 William Shakespeare, Schriftsteller
1564-1642 Galileo Galilei, Künstler, Wissenschaftler
1599-1658 Oliver Cromwell, Revolutionär, Politiker
1606-1669 Rembrandt, Künstler und Maler
1643-1727 Isaak Newton, Physiker
1661-1731 Daniel Defoe, französischer Novellist
1649-1737 Antonio Stradivari, Violinenbauer
1645-17?? A. O. Exquemelin, holländ. Schrifsteller
1656-1742 Edmund Halley, Astronom
1680-1743 Antonio Vivaldi, Komponist und Geiger
1685-1759 Georg Friedrich Händel, Komponist
Europäische Herrscher der Epoche
England
1650-1685 Charles II
1685-1689 James II
1689-1702 William III
1702-1714 Anne
Frankreich
1643-1715 Louis XIV
Spanien
1665-1700 Karl II
1700-1746 Philip V (von der Allianz bestritten)
Holland
1672-1702 William III
1702-1747 John William