Wraith: The Oblivion (2e)
Ein Horror/Fantasy System¸ in dem die Spieler in die Rolle von Geistern¸ die einfach keine Ruhe finden¸ schlüpfen. Gehört zur World of Darkness
Wraith für nicht Wraith Spieler
Für die meisten Rollenspiele ist der Tod des Charakters das stets befürchtete Ende. Bei Wraith allerdings ist das erst der Anfang¸ denn hier spielt man einen Geist. Normalerweise gehen die Seelen der Verstorbenen entweder in die Transzendenz über¸ oder sie lösen sich in die sogenannte Oblivion auf. Bei einigen allerdings ist die emotionale Bindung an unsere Welt so stark¸ daß sie in der Unterwelt bleiben¸ bis sie entweder ebenfalls in die Transzendenz aufsteigen oder vom Bösen zerfressen werden und in die Oblivion eintreten.
Zwei Arten von Bindungen halten diese Wraith fest: Die 'Fetters' und die 'Passions'¸ also die Gegenstände¸ die einem am meisten bedeutet haben¸ und die Emotionen¸ die einen am stärksten kontrolliert haben. Bei einem Schriftsteller beispielsweise wären das sein unvollendetes Manuskript und sein Wille¸ dieses Manuskript zu Ende zu schreiben. Bei einem Verliebten ist der 'Fetter' seine Freundin und seine 'Passion' die Liebe. Die Wraith hängen verständlicherweise an diesen Dingen und versuchen alles¸ um sie zu behalten¸ denn ohne sie können sie nicht in die Welt der Sterblichen zurückkehren. Sollte also jemals das Mauskript verbrennen oder die Freundin sterben¸ ist der Wraith ab sofort nur noch auf die Unterwelt begrenzt und kann nicht mehr zu den Menschen zurück.
Aber auch so ist sein Einfluß auf die Lebenden sehr begrenzt. Früher war es leicht¸ etwas in unserer Welt zu bewegen¸ aber mit der fortschreitenden Trennung zwischen der magischen Welt (Umbra) und der 'richtigen' Welt ist der Übergang immer schwerer zu überbrücken. Eine Barriere verhindert manchmal¸ daß die Sterblichen die Untoten wahrnehmen können¸ und selbst¸ wenn normale Menschen etwas sehen¸ vergessen sie die Ereignisse sehr schnell. Es ist für einen Wraith um ein vielfaches leichter¸ durch Türen zu wandern¸ als sie zu öffnen. Grundsätzlich gilt: Je unheimlicher ein Ort von Natur aus ist¸ desto leichter können die Wraith etwas erreichen. Es ist nahezu unmöglich¸ in einem Forschungslabor zu erscheinen¸ aber auf düsteren Friedhöfen oder verlassenen Ruinen kann man sogar Blut die Wände herunterlaufen lassen oder den Sterblichen direkten Schaden zufügen.
Je nachdem¸ für welche Gilde man in der Unterwelt arbeitet¸ spezialisiert man sich auf eine bestimmte Form der Einflußnahme. Einige konzentrieren sich dabei völlig auf die Welt der Lebenden¸ indem sie z.B. ihre Fähigkeiten im Spuken oder Erschrecken vertiefen oder versuchen¸ mit den Menschen Kontakt aufzunehmen; sei es durch Manifestation in einer Schreibfeder oder als Pixel im Computer.
Andere konzentriern sich auf ihre eigene Psyche und versuchen¸ durch Meditation ihren bösen Gedanken habhaft zu werden und erhoffen sich dadurch den Aufstieg in die Transzendenz.
Wieder andere schließlich konzentrieren ihr Wirken auf die Unterwelt selber¸ trainieren in der Kunst des 'Soulforge' oder versuchen¸ den mysteriösen Stürmen¸ die die Unterwelt umgeben¸ habhaft zu werden.
Das sogenannte 'Soulforge' ist übrigens eine Methode¸ um in der Unterwelt Materie herzustellen. Diese ist sehr schwer zu beschaffen: Nur das¸ was in der Welt der Lebenden eine emotionale Bedeutung besitzt¸ hat auch in der Unterwelt eine feste Form. (So kommt es¸ daß wesentlich mehr Teddybären oder ähnlicher Schnickschnack erscheinen als Töpfe oder Münzen). Die meisten Sachen lösen sich auch nach einiger Zeit wieder auf - je nachdem¸ wieviel sie seinem früheren Besitzer bedeutet haben.
Um feste Stoffe - und vor allem eine gültige Währung - zu erschaffen¸ hat man die ekelige Methode entwickelt¸ die Masse¸ die die Seelen in der Unterwelt besitzen¸ in andere Formen zu bringen. In riesigen Schmieden werden aufgegabelte Wraith gefesselt¸ zerschmolzen und zu allen möglichen Gebrauchgegenständen gemacht: Ziegelsteinen (Um die wichtigsten Gebäude der Stadt stabiler zu machen¸ denn der oben erwähnte Sturm¸ der dort sein Unwesen treibt¸ fegt von Zeit zu Zeit über die Stadt und fordert dort unzählige Opfer)¸ Münzen (eine Seelenmünze ist die einzige akzeptierte Währung) oder Messer und Waffen (obwohl die Wraith gegen Waffen aus der Oberwelt immun sind¸ sind sie keineswegs in der Unterwelt unverwundbar). Obwohl die Otto-Normal-Geister davon ausgehen¸ daß das arme Opfer während des Prozesses das Bewußtsein verliert¸ ist dies wahrscheinlich nicht der Fall. Viele fürchten das 'Soulforge' mehr als die Oblivion selber.
Die Stadt selber setzt sich aus all denjenigen Stadtteilen zusammen¸ die von den normalen Bewohnern der Oberwelt normalerweise gemieden werden; wann immer ein Mensch zu einem anderen sagt: 'Das ist eine Gegend¸ in die du besser nicht gehst'¸ erscheint ein Teil dieser 'Gegend' auch in der Unterwelt und fügt sich nahtlos an die dort existierende Stadt an. Der einstige Herrscher der Stadt¸ Charon¸ ist aber seit dem letzten Sturm verschwunden und seither nicht mehr gesehen worden; man vermutet¸ daß er ebenfalls in die Oblivion eingegangen ist. Die jetzigen Herrscher der Stadt verlieren indess mehr und mehr Kontrolle über die 'Bürger'¸ und die sowieso schon stark angegriffenen Stadtteile verfallen noch weiter. Die Oblivion wird immer stärker und fordert mehr und mehr Opfer¸ und der nächste große Sturm wird bald befürchtet. Ob die Stadt auch dieses Mal noch standhalten kann¸ ist fraglich...
Die Charakter sind einerseits durch ihre Gildenzugehörigkeit und ihre WoD-Attribute definiert¸ andererseits durch ihr vorheriges Leben¸ ihre Passions und Fetters¸ ihre einstigen Ziele und Wünsche. Jeder Wraith hat außerdem einen sehr unangenehmen Gefährten bekommen¸ den sogenannten Schatten. Ein Schatten ist das¸ was im richtigen Leben alle bösen Wünsche und Ideen hervorgerufen hat. In der Unterwelt allerdings bekommt er einen eigenen Willen und einen eigenen Charakter und versucht von da an¸ den Wraith zu demoralisieren und unter Kontrolle zu bekommen. Niemand kann die Stimme¸ die fast ständig im Hinterkopf murmelt und flüstert abstellen¸ und die wenigsten können sich auf Dauer diesem üblen Einfluß erwehren.
Der Schatten kann beispielsweise dem Spieler in schwierigen Situationen anbieten¸ ihm zu helfen. Dadurch bekommt er aber mehr Macht über den Wraith und kann irgendwann sogar für kurze Momente die Kontrolle übernehmen - üblicherweise nutzt er sie dazu¸ den Spieler in noch viel gefährlichere Situationen zu bringen¸ wo er erst recht auf die Hilfe des Schatten angewiesen ist. Freundschaften und die Bindungen zur Oberwelt werden versucht zu zerstören¸ wo es nur geht.
Spieltechnisch wird das so umgesetzt: Jeder Spieler spielt sowohl seinen Wraith als auch den Schatten eines anderen Mitspielers¸ inklusive zweitem Charakterblatt¸ Erfahrungspunkten und Steigerungsmöglichkeiten.
Fazit:
Als Geist muß man versuchen¸ so lange wie möglich seine Emotionen zu bewahren¸ der eigenen bösen Stimme standzuhalten und der totalen Auflösung zu entgehen. Vielleicht kann man eines Tages in die Transzendenz aufsteigen.