Codex of Erde
Die nächsten 50 Seiten lesen sich wie ein kleiner Roman. Die Ankunft Unklars¸ des gehörnten Gottes und seiner tausendjährigen Herrschaft des Bösen über Erde. Der Teufel beschwor den Malstrom¸ die Erde von der Sonne abzuschneiden. Er sammelte Verbündete unter den Monstern und den gierigen Menschen und eroberte alle Länder. Auf der Höhe seiner Macht¸ saß er auf seinem Thron in Austrag und schuf seine furchtbarsten Diener¸ die Mogrl. Dann krümmte er die Welt - JAHA¸ hier ist es der Böse¸ der die Welt zur Kugel macht. (Was mit der unteren Welt geschah? HARHARHAR!)
Wie bereits erwähnt ist die Schöpfungsgeschichte und alte Geschichte von Erde sehr detailliert und doch in groben Pinselstrichen gezeichnet. Die Geschichte ist also nicht einschränkend gedacht¸ sondern soll dem Spielmeister einen groben Überblick geben - und das tut sie. Es gibt viele Lücken und Geheimnisse¸ die der Spielmeister mit seinen eigenen Ideen füllen kann und an die er anknüpfen kann. In diesem Sinne ist das Buch weniger ein Boss¸ der dem Leser sagt¸ wie es ist und was was ist¸ sondern ein Komplize für das Verbrechen¸ der einem hilft den Schauplatz für die Spieler zu bereiten. Aber die Geschichte ist auch für die Spieler gut¸ denn während in den Urzeiten¸ die Götter mit der noch jungen Erde gespielt haben¸ ist die Zeit vorangeschritten und hat das Zeitalter der Helden eingeläutet. Hier liest man über die Erlebnisse der großen Helden aus jener Zeit und bis in die heutige Zeit hinein. Diese Helden sind das Rückrat der Weltgeschichte. Ihre Erfolge¸ Niederlagen und Veränderungen durch große Taten und furchtbare Verate¸ die sogar über den Missbrauch göttlicher Macht hinausgehen¸ sind das was die Charaktere anspornen soll. Es gibt Organisationen¸ die auf die Lehren der Helden zurückgehen und deren Mitglieder nach ihrem Vorbild streben.
Jetzt ergeben sich Fragen nach dem Fall Unklars¸ nach den großen Kriegen¸ nach den Streitigkeiten der Völker und nach Inzae und dem Allvater. In dieser Rezension ist aber bei Weitem nicht genug Platz¸ um all diese und die vielen weiteren zu erläutern¸ denn dafür ist ja schließlich auch das Buch da.
Als nächstes folgen die Götter und der Kosmos. Der Leser erhält Einblicke in den Kalender und die Götter Erdes. Hier werden fragen Fragen nach der Natur des Malstrom¸ den Existenzebenen und der unteren Welt der Inzae beantwortet. Auch werden das Sonnensystem¸ die Kosmologie und die Götter¸ Unsterblichen¸ Geister und die verschiedenen Helden vorgestellt. Die Helden und Schurken Erdes gruppieren sich in verschiedene Machtstufen¸ die nicht nur eine Hierarchie der Götter aufstellt¸ sondern auch ihre Beziehungen untereinander¸ ihren Einfluss¸ ihre Anhängerschaft und ihre Einflussgebiete beeinflussen. Jede Beschreibung dieser Götter enthält ein Symbol und detaillierte Informationen über die eben genannten Gebiete¸ lässt aber gleichzeitig genug Platz für den Spielmeister¸ seine eigenen Ideen einzubringen und vielleicht noch einige eigene Götter hinzuzufügen.
Das größte Kapitel des Buches behandelt jedoch die Königreiche auf Erde. Es liefert die meisten Details¸ beschreibt jedes peinlich genau und nennt jedes Land und jeden Ort. Es wäre Unsinn¸ hier ein Beispiel vorzustellen. Stattdessen gibt es eine Übersicht über die Art der Präsentation.
Jedes Königreich hat hier zwei¸ drei oder sogar vier Seiten bekommen¸ auf denen das Land¸ seine Bewohner¸ sein Herrscher¸ seine Entstehungsgeschichte¸ seinen momentanen Zustand und wenn es solche gibt¸ dann auch die Besonderheiten¸ die es aufzuweisen hat. Außerdem wird allen Reichen ein EC Wert zugewiesen¸ der seine Wirtschaftsstärke ausdrückt und so die Möglichkeit gibt¸ es mit Hilfe des Anhangs etwas mehr zu beleben.
Das einzige was an diesem Punkt wirklich fehlt¸ ist eine Karte von Erde. Aus irgendeinem Grund wurde darauf verzichtet¸ so dass man sie nur extra kaufen kann. So schön also auch die Beschreibungen der Reiche und die danach angesiedelten Kapitel über die Geographie der Welt sind¸ leiden sie doch sehr unter dem Fehlen einer Karte.
Das Abenteuer Search for a Lost City von keinem Geringeren als Gary Gygax ist sowohl ein Einführungsabenteuer als auch ein Vorspiel zur verlorenen Stadt von Ernie und Luke Gygax¸ die sich in Planung befindet. Es ist für eine Gruppe von vier Spielercharakteren¸ die höchstens die achte Stufe erreicht haben sollten. Das Abenteuer trägt Gygax untrügliche Handschrift und es geht darum¸ dass die Charaktere das Geheimnis um eine Stadt ergründen sollen¸ die kürzlich in der Wildnis aus dem Nichts aufgetaucht ist. Die Gruppe wird auf ihrem Weg dorthin an einer einsam gelegenen Farm vorbeikommen und sie vor drohender Gefahr bewahren. Die Kartographie ist hier sehr gelungen¸ reichlich und sehr schön anzusehen. Und obwohl auch die Herausforderungen stimmig sind und die Atmosphäre hervorragend ist¸ hat das Abenteuer einen großen Nachteil: es ist einfach zu kurz.
Es folgt dann das Spielerhandbuch für Erde¸ in dem die Spieler Informationen darüber finden können¸ wie sich die einzelnen Völker mit bestimmten Hintergründen in die Welt passen¸ welche Religionen¸ Sprachen¸ Abenteuer¸ Namen¸ Eigenschaften und Fertigkeiten sie haben. Außerdem finden sich Tabellen über Alter¸ Größe und Gewichte¸ ebenso wie eine große Liste von Sprachen¸ die in den Ländern gesprochen werden. Natürlich finden sich hier auch die Charakterklassen. Das System ist eines jener¸ das zum Beispiel den Hochelben als seine volle Charakterklasse behandelt und nicht als Prestigeklasse oder gar als Volk. Die Wahl erklärt sich hier in den besonderen Fertigkeiten und Sprüchen¸ die ein Angehöriger hat.
Es werden noch weitere Prestigeklassen wie der Heilige Verteidiger der Flamme und der Wächter des Waldes eingeführt¸ die allesamt gute Spielbarkeit zeigen und der Welt weitere interessante Eigenheiten gibt.
Danach werden Gilden und Organisationen beschrieben¸ denen die Charaktere beitreten oder gegen die sie sich wenden können. Auch hier zeigt sich das in sich geschlossene System der Welt¸ denn die Gilden sind allesamt gut in den historischen Kontext eingefügt und fest mit Herkunft und Ideologie verknüpft.
Außerdem finden sich in dieser Sektion des Buches natürlich die Sprüche und die Ausrüstung. Der bereits erwähnte Wirtschaftsfaktor wird hier wieder aufgegriffen und es wird erklärt¸ wie man ihn im Spiel sinnvoll einsetzten kann. Damit verbunden findet auch das Elektrumstück wieder seinen Eingang in die Zahlungsmittelwelt.
Was fehlt noch? Das Spielmeisterhandbuch¸ was sonst. Es werden magische Gegenstände vorgestellt und selten wurde seit Relics & Rituals so viel Mühe und Liebe in die Erschaffung und Erklärung von Artefakten gesteckt. Sie alle fügen sich in die Geschichte der Welt ein und besitzen besondere¸ herausragende Eigenschaften. Alles in Allem sind es 40 Gegenstände¸ die in großen Detail vorgestellt werden.
Als wichtiges nächstes folgen die Monster¸ ohne die ein Spielmeister etwas alleine gelassen ware. Auch sie sind wunderbar ausgearbeitet und lassen ein böses Grinsen auf dem Gesicht fast jeden Lesers erscheinen. Es gibt die Chimeren¸ die dunklen Feen¸ die Traumkrieger¸ die Erde Hobgoblins¸ die Hunde der Finsternis und natürlich die bösen Mogrl. Jede Kreatur hat¸ wie wir es gewohnt sind¸ ein Bild¸ eine Hintergrundbeschreibung und alle nötigen Werte für das d20 System.
Danach finden sich dann noch eine Chronologie¸ ein Index und weitere Notizen über die Wirtschaft der Welt. In der Chronologie werden noch einmal die wichtigsten Ereignisse dargestellt und die wirkliche epische Landschaft für die Helden bereiten.
Der Index ist gut gelungen¸ wenn auch leider einige Dinge nicht zu finden waren - warum das so ist¸ blieb mir leider auch verborgen. Dennoch erledigt es seine Aufgabe gut und man kann eigentlich alle wichtigen Dinge finden.
Die Wirtschaftsnotizen gehen nun wirklich ins Detail und erlauben es durch einfache Paragraphen einem Spielmeister tiefer in das Thema einzusteigen.
Fazit:
The Codex of Erde ist eine Spielwelt für die dritte Edition. Was macht Erde besonders? Ich würde sagen¸ die innere Schlüssigkeit¸ denn sie gibt dem ganzen einen Rhythmus und begründet warum es so manche Verliese¸ versunkene Städte und alte imperielle Gräber gibt. Der Hintergrund ist¸ meiner Meinung nach¸ genug¸ um darauf etliche Abenteuer aufbauen zu können. Schön sind auch die Namen¸ obgleich sie einen deutschen Leser seltsam vorkommen mögen. So finden sich Orte wie Aufstrag¸ Eisenheim¸ Grundliche Hohle¸ Norgorod- Kam¸ die fast immer deutsch klingen¸ es aber doch nicht immer sind. So hat man oft eine Idee¸ aber doch immer noch genug Geheimnis bei einem Namen¸ um die Spieler interessieren zu können. Die Illustrationen sind sehr schön¸ wenn auch etwas düster¸ aber auch das passt zum Gesamtbild. Sie untermalen den stimmungsvollen Aufbau der Welt. Auch stimmen der Preis und die gebotene Leistung¸ sprich die Informationen durchaus überein. Zwar ist es nicht gerade günstig¸ aber dafür bekommt man auch eine Menge geboten und ärgert sich an keiner Stelle über Lückenfüller. Das Buch lohnt sich für jeden¸ der mal eine andere¸ gut ausgearbeitete¸ Kampagnenwelt für sein D&D Spiel nutzen möchte. Auch hat Erde den Vorteil¸ dass Troll Lord Games nicht vorhat¸ weiteres Material zu veröffentlichen¸ so dass man mit diesem einen Buch alles hat¸ was man braucht bzw. was man kriegen kann¸ um mit der Welt zu spielen.
Eine Rezension von: munchy