Inquisitor
Ich gebe zu dass das nicht unbedingt das ist was mir zusagt¸ aber aus Neugierde (und weil man es vielleicht irgendwann doch einmal brauchen kann) habe ich mir das Buch dann doch gekauft¸ und ich muss sagen es hat sich ganz gut gelesen. Es hat mich zwar nicht vom Hocker gerissen oder Begeisterungsstürme bei mir ausgelöst¸ aber auf seine Art und Weise war es durchaus kurzweilige Unterhaltung.
Ich weiss dass es irgendwo hier draussen Erzähler/Spieler gibt¸ die sich brennend für dieses Spiel interessieren würden.
Und wenn ich ehrlich bin¸ nicht nur für reine Inquisitor-Runden ist das Buch brauchbar¸ auch für Vampire lassen sich so interessante Antagonisten erschaffen¸ die den Stereotyp des fanatischen Kircheninquisitor beiseite lassen.
Inquisitor ist ein gutes Buch geworden¸ das steht ausser Frage¸ und es bieten sich zahlreiche Möglichkeiten dieses Buch mit Vampire oder Mage (die bisher erschienen sind) zu kombinieren oder einfach etwas eigenes daraus machen (wobei ich jetzt nicht von Crossovern rede¸ die Charaktere aus allen möglichen Linien beinhalten¸ das würde gegen Dark Ages: Inquisitor sprechen).
Final Absolution ist die nette Einleitungsgeschichte die Einblicke in den Aufgabenbereich zweier Inquisitoren gibt. Ich fand sie eigentlich ganz nett zu lesen¸ der Unterhaltungswert war sehr hoch.
Die Introduction gibt einen Einblick auf das was in Inquisitor zu erwarten ist¸ inklusive einiger weiterführender Quellen (auch Webseiten).
Das erste Kapitel Against all demons¸ bietet einen Einblick in die Hinterlassenschaften eines Inquisitors¸ der darin zum einen seine derzeitigen Erlebnisse niederschreibt (der Aufenthalt in einem seltsamen Kloster)¸ andererseits auch rückblickend das erzählt was er über die übernatürlichen Wesen der Welt weiss¸ und as ist teilweise erschreckend viel (sogar die Cainite Heresy findet als solche ihre Erwähnung).
Der Schreibstil ist sehr interessant und auch das hin- und herwechseln von Gegenwart und Vergangenheit tragen zum tragischen Flair des Inquisitors bei.
Call to Arms¸ das zweite Kapitel¸ bezieht sich auf mehrere Quellen verschiedener Inquisitoren¸ und beschreibt wie die Inquisition (oder wie sie eher bezeichnet wird¸ The Shadow Inquisition) im allgemeinen und ihre verschiedenen Orden gegründet wurden (oder sich der Inquisition angeschlossen haben). Natürlich wird auch die Gegenwart nicht vernachlässigt und man erfährt einiges über das Wirken der Orden im Jahre 1230¸ einschliesslich deren wichtigster Sitze. Dabei bieten sich zahlreiche Storys¸ welche man als Erzähler durchaus aufgreifen und verwenden kann¸ und bildet so Geschichten die sich mit den internen Problemen der Inquisition auseinandersetzt¸ so dass man nicht immer die Spieler auf 'Monsterjagd' schicken muss. Für Abwechslung sit also durchaus gesorgt.
Des weiteren beschäftigt sich das Kapitel aber auch mit den Dingen¸ gegen die sich die Inquisition (und die katholische Kirche im allgemeinen) stellt.
Man könnte dieses Kapitel wohl als Settingbeschreibung verstehen: Die Inquisition und die Welt in der sie wirkt.
Das dritte Kapitel wirft einen Blick auf den Aufbau der Inquisition. Dies beginnt mit der allgemeinen Hierarchie (Beginnend bei Grossinquisitor Kardinal Marzone¸ über verschiedene Räte bis zum einfachen Inquisitor) und endet in der Beschreibung der verschiedenen orden:
The Knights of Acre (Order of the Poor Knights of the Passion of the Cross of Acre) bilden die besten Kämpfer unter den Inquisitoren¸ die Sisters of St. John helfen den Schwachen¸ der Rote Orden¸ deren Mitglieder oft die Stigmata zeigen und die verbotene Texte lesen um den Gegner besser verstehen zu können und ihm entsprechend entgegenwirken¸ Oculi Dei¸ die versuchen den Gegner durch direktes Beobachten zu verstehen und zu bekämpfen und schliesslich die Murnau¸ ein Adelsgeschlecht welches sich zur Aufgabe gemacht hat satanische Machenschaften zu verhindern bzw. zu bekämpfen.
Und wie es bei den meisten WoD-Spielen ist so kommt man auch hier nicht mit besonderen Vor-und Nachteilen aus¸ was an sich aber viel zur Stimmung des Spiels beiträgt (so haben beispielsweise die Knights of Acre eine grosse Anzahl an religiösen Relikten¸ die ihrer Aufgabe nutzen können¸ der Rote Orden hat Zugriff auf dunkle Texte und dergleichen)
Das vierte Kapitel befasst sich dann stereotypisch mit der Erschaffung eines Inquisitorencharakters. Nachdem es sich hierbei um normale Menschen handelt werden sie auch wie normale Menschen erschaffen (sprich sie bekommen weniger Punkte für ihre Verteilung¸ dafür mehr freie Zusatzpunkte). Interessant wird der Inquisitor durch das zahlreiche Beiwerk welches er erhält:
Orisons sind kleine Gaben Gottes¸ die den Inquisitor bei seiner Aufgabe unterstützen. Jeder Anfangscharakter bekommt eines¸ aber im Laufe längerer Spiele können mehrere dazukommen (wobei diese erspielt werden und nicht über Erfahrunsgpunkte erlangt werden)
Order Benefit oder Blessings sind Hilfen gegen das Übernatürliche¸ doch ziehen diese auch Nachteile mit sich (Order Drawbacks oder Curses). Durch die zahlreichen Möglichkeiten die sich bieten können sehr unterschiedliche Charaktere zustandekommen¸ so dass ein Mitglied des Roten Ordens sich stark von anderen unterscheiden kann¸ was natürlich für alle anderen Orden auch zutrifft. Nur die Murnaus sind vielleicht etwas stereotyp¸ aber auch aus ihnen lassen sich interessante Charaktere machen (und wenn ich ehrlich bin sagt mir dieser 'Orden' mehr zu als die anderen¸ vielleicht wegen der sehr interessanten Hintergrundsgeschichte).
Und wer jetzt erwartet Inquisitoren würden mit True Faith aufwarten bis zum Umfallen¸ der mag enttäuscht werden. Die Hingabe zu Gott wird durch Piety festgelegt¸ vergleichbar mit den Wegen der Vampire¸ einschliesslich einer eigenen Hierarchy der Sünden (gegen Gott). Stärkere/Schwächere Inquisitoren lassen scih anhand einer Extraseite erstellen.
Den rest des Kapitels nehmen die Beschreibungen der verschiedenen Traits ein. Und es gibt viele für einen Inquisitor¸ und ich habe den Eindruck dass man doch ein bisschen überfordert wird. Und es gibt einiges worauf man auch als Erzähler achten muss¸ aber für erfahrenere Spieler/Erzähler dürften Inquisitoren durchaus ihren Reiz besitzen.
The Word of God beschreibt die Fähigkeiten welche ein Inquisitor von Gott erhält.
Dies beginnt bei den kleinen Orizions (die abhängig vom höchsten Virtue des Inquisitors sind)¸ die es beispielsweise erlauben Tiere zu beruhigen (Noahs favor)¸ oder das Erkennen von sündigen Personen (Moral Compass). Dies mögen teilweise nicht sehr mächtige Fähigkeiten sein¸ aber sie bieten zahlreiche interessante Möglichkeiten und sind bei richtiger Anwendung durchaus sinnvoll.
Endowments sind die verschiedenen Fähigkeiten der Inquisitoren¸ ihre 'Übernatürlichen' Fähigkeiten sozusagen. Jeder Orden hat seine eigene Spezialität¸ was natürlich nicht bedeutet dass Mitglieder anderer Orden nicht auch darauf Zugriff haben. Darunter fällt auch The Holy Art¸ die 'Magie' der Inquisitoren¸ die sich in verschiedene Pfade aufspaltet.
Zahlreiche Effekte sind möglich die helfen das Übernatürliche zu vertreiben oder Einsichten in ihre Motive zu erhalten.
Holy Ground und Holy Relicts werden auch beschrieben¸ ebenso wie die Nachteile die das Inquisitorendasein mit sich zieht (den Curses¸ die abhängig vom Orden sind und durchaus sehr zur Stimmung beitragen. Beispiele dafür wären beispielsweise die Stigmata des Roten Orden oder die dunklen Visionen der Sisters of St John).
Den Abschluss bildet das übliche Storytellerkapitel welches dem Erzähler helfen soll eine interessante und abwechslungsreiche Geschichte/Chronik zu leiten. An sich bieten die vorangegangenen Seiten (vor allem die einseitigen Einleitungsgeschichten) schon genügend Material¸ so dass ein Grossteil dieses Kapitels fast schon als uninspierierend zu bezeichnen ist¸ aber wenn man sich durch die verschiedenen themen und Stimmungen durchgelesen hat erhält man als Erzähler einige durchaus interessante Plotideen¸ die es wert sind ausgearbeitet und verwendet zu werden.
Vielleicht mag Inquisitor am Anfang etwas verwirrend scheinen und es wird dauern bis man den Überblick tatsächlich erhält¸ aber es ist eine interessante Abwechslung zu den doch so mächtigen Vampiren¸ Zaubereren und Werwölfen¸ und vielleicht kann man hier doch Parallelen zu den Hunter der Neuzeit ziehen¸ denn auch bei diesen sind Wahnsinn und Berufung nahe beieinander.
Inquisitor bietet also eine erfrischende Abwechslung¸ die viel mit Glauben zusammenhängt¸ aber doch leichter umzusetzen ist als ich angenommen habe.
Eine Rezension von: Martin