The Witcher 1 Enhanced Edition
Videospiel-Rezension: The Witcher 1 Enhanced Edition
2018-08-29
Mit dem ersten Teil der Witcher-Reihe begann 2007 eine Trilogie, die eine fantastische Welt voller Magie mit einer dreckig angehauchten Gesellschaft verband. Grundlage waren die Bücher von Andrzej Sapkowski. Ob sich noch heute ein Ausflug in das Spiel lohnt, lest ihr jetzt.
The Witcher 1 Enhanced Edition
Erscheinungsjahr: 2007
Studio: CD Projekt Red
Publischer: Atari SA
Plattformen: PC
Preis: 7,99 bei Steam, diverse Angebote im Internet
Optik
Der erste Eindruck bei einem Videospiel ist der optische. Und da merkt man Protagonist Geralt von Riva und der Welt ihr Alter an. Die Gebiete sind in Außen- und Innenräume unterteilt, Außengebiete haben oft mitten in der Karte Bereiche, die nicht betreten werden können und Umwege erfordern. Eine Open World kommt da weniger rüber. Die Texturen wirken eher detailarm, die Gesichtsanimationen etwas steif und die Gesten, die Figuren während Dialogen machen, passen nicht immer zum Inhalt.
Die übrigen Animationen sind besser gealtert. Viele Figuren verwenden dieselben Charaktermodelle, sodass stellenweise der Eindruck entsteht, die Bewohner der Welt seien geklont worden. Trotz Minimap ist es manchmal schwer, einen gesuchten Ein- oder Durchgang auch zu finden - auch da viele Wege und Teile der Gebiete sich zu stark ähneln. Auffällige Landmarken gibt es, die sind wegen begrenzter Weitsicht aber erst aus der Nähe auszumachen.
Dem gegenüber stehen die liebevoll gestalteten, abwechslungsreichen Gebiete. Mehrere Dörfer, Sumpfgebiete, die Stadt Wyzima mit unterschiedlichen Vierteln und deren Kanalisation stehen auf dem Reiseplan. Auch ein Ausflug in die Eiszeit kommt vor. Die Lichteffekte sind okay, ebenso die Effekte der Zauber, ohne mich aber noch vom Hocker zu reißen. Das gilt auch für die Zwischensequenzen als gezeichnete Bilder mit Voice Over, die bei Entscheidungen deren Konsequenz zeigen, oder in der Spielgrafik gemacht wurden. Gerade letztere wirken durch die etwas steifen Animationen ungelenk. Render-Szenen gibt es nur als Intro und Extro.
Wegen mittelguter Alterung gibt es 3 von 5 Sterne.
Akustik
Die Musik macht einen guten Job. Sie transportiert nicht nur in ruhigen Passagen die Stimmung, sondern sorgt in gefährlichen Gebieten auch für ein unterschwelliges Gefühl der Bedrohung. In Kämpfen trägt sie zum Tempo bei. Weniger gut fällt der Ton sonst aus. Zwar machen die deutschen Sprecher (in der Enhanced Edition) ihre Arbeit gut. Es gibt aber zu wenige davon, sodass selbst viele wichtige Personen sich dieselbe Stimme teilen. Das verwirrt streckenweise.
Auch beim Ton landet das Spiel im Mittelfeld bei 3 Sternen.
Welt und Geschichte
Die Welt von Geralt von Riva besteht aus zahlreichen, kleinen Königreichen, und dem Imperium von Nilfgaard. Eine gute oder böse Seite gibt es nicht. Vor langer Zeit kam Magie in die Welt. Einige Menschen mutierten zu Hexern: sterilen Wesen, besonders widerstandsfähig und in der Lage, einige einfache, aber effektive Zauber zu lernen. Damit verdingen sie sich als Jäger der zahlreichen Monster. Als Hexer beginnt Geralt sein Abenteuer in der Festung der Hexer. Dort werden mehrere geheime Aufzeichnungen der Gemeinschaft gestohlen. Geralt macht sich auf, diese wiederzubeschaffen und die Diebe zu bestrafen.
Dazu bereist er das Königreich Temerien. Neben mehreren Dörfern und einem Sumpf ist dabei besonders die Hauptstadt Wyzima Schauplatz der Ereignisse. Dabei wird Geralts Suche mit dem Konflikt zweier Fraktionen verquickt: Auf der einen Seite stehen die Scoia'tel, übersetzt "Eichhörnchen". Diese Elfen und Zwerge kämpfen für die Freiheit oder Gleichberechtigung ihrer oft unterdrückten Artgenossen. Die andere Seite nimmt der Ritterorden der Flammenrose ein. Auch hier gelingt den Autoren der Spagat, keine Seite als rein gut oder böse darzustellen.
Die Entscheidungen beeinflussen den Verlauf der Handlung, jedoch nicht Geralts Auftrag. Die unterschiedlichen Möglichkeiten, sich zu entscheiden, sind die große Stärke des Spiels, da hier die üblichen Gut-Böse-Schemas vermieden werden. Keine Option fühlt sich absolut richtig an. Zudem erhöhen die Entscheidungsmöglichkeiten den Wiederspielwert. Allerdings halten sich die Auswirkungen der Fraktionswahl auf die Welt in Grenzen. Ebenso wird die Hauptgeschichte nur gering verändert.
Für die Mühe der Autoren sind 4 Sterne angemessen.
Gameplay
Geralt besitzt zwei Schwerter: Ein Silberschwert gegen Monster und ein Stahlschwert gegen Menschen. Für jedes Schwert gibt es drei Kampfstile. Der starke Stil eignet sich gegen starke, einzelne Monster oder Menschen, der schnelle Stil gegen agilere Gegner und der Gruppenstil kommt zum Einsatz, wenn mehrere Feinde auf einmal angreifen.
Zudem lernt Geralt im Spielverlauf fünf Zaubersprüche. Damit kann er Gegner zurückstoßen, einen magischen Schutzschild um sich zaubern, eine Zauberfalle auf dem Boden platzieren, die Gegner beim Drüberlaufen sticht, eine Feuerwelle direkt vor sich auf kurze Entfernung herbeiführen oder Feinde vorübergehend zu Verbündeten machen. Allerdings kosten Zauber Ausdauer, die sich langsam regeneriert. Und Geralt besitzt auch im späteren Spiel noch eine überschaubare Ausdauer. Zaubereinsatz muss also mit Bedacht gewählt werden.
Ebenso wie die Attribute lassen sich die Fertigkeiten ausbauen. Dazu gibt es unterschiedliche Fähigkeitspunke. Bronzepunkte werden in die schwächeren unteren Punkte der jeweiligen Fertigkeitsbäume investiert. Später kommen mit höheren Stufen auch Silber- und Goldpunkte dazu. Die Fertigkeitsbäume sind halbwegs übersichtlich, obwohl ähnliche Fertigkeiten wie besseres Parieren teilweise auf mehrere Bäume verteilt ist. Zudem hatte ich später gerade die Bronzepunkte schon in alles gesteckt, was für meinen eigenen Spielstil interessant ist. Da fällt es mitunter schwer, noch sinnvolle Verwendungsmöglichkeiten für sie zu finden.
Mehr Punkte in einem Kampfstil ermöglichen es, beim Kämpfen mehrere Angriffe zu Kombinationen zu verbinden. Die auszulösen ist etwas umständlich: Gegen Ende eines Angriffs leuchtet der Mauscursor kurz gelb. Dann klicken lässt einen weiteren, stärkeren Angriff folgen. Parieren tut Geralt automatisch, und zwar desto besser, je mehr Punkte in entsprechende Steigerungen gesteckt werden. Ausweichen muss der Spieler dagegen automatisch. Die Gegner verlangen durchaus Aufmerksamkeit. Besondere Effekte, wie Schaden in einem bestimmten Gebiet, gibt es aber zu selten, um die ganze taktische Tiefe des Systems zu fordern. Dafür macht die Kombination aus Ausweichen, Angreifen und zwischendurch Zaubern Spaß und spielt sich (abgesehen von den Kombos) flott und eingänglich.
Besondere Wirkungen geben vorübergehend Tränke. Damit kann Geralt zum Beispiel im Dunkeln sehen - praktisch, da die Fackel sonst die Waffenhand beansprucht. Allerdings kann man mit etwas Übersicht auch Gegner im Dunkeln ausmachen. Heilung funktioniert langsam über Zeit, schneller oder sofort mit Tränken. Allerdings sorgen zu viele Tränke gleichzeitig dafür, dass Geralt durch die Toxizität beeinträchtigt wird. Alternativ kann Geralt meditieren, was aber nur an wenigen, geschützten Stellen möglich ist.
Für Freunde der Aufrüstung ihres Charakters über Ausrüstung ist das Spiel weniger geeignet. So gibt es neben den beiden Schwertern, die später durch etwas stärkere Varianten ersetzt werden, nicht mal ein halbes Dutzend Rüstungen. Und selbst in vielen Dungeons steht am Ende eine Truhe, in der gerade mal ein paar Goldstücke und Obst drin sind. Zudem gibt es manchmal sehr schwierige Kämpfe, die sofort beginnen, wenn Geralt eine neue Zone betritt. Da bleibt nicht mal Zeit, um vor dem Kampf das richtige Schwert zu ziehen.
Zudem muss Geralt, da er sein Gedächtnis verloren hat, ganz bei Null anfangen. Selbst Zutaten kann er nur sammeln, wenn er vorher aus Büchern oder über Fertigkeitspunkte das entsprechende Wissen wieder gelernt hat.
Das nicht ganz ausgereichte Gameplay kommt nur auf eine 3.
Fazit
Gerade in der altbackenen 3D-Grafik ist Geralt das Alter seines ersten Abenteuers in Spielform anzusehen. Wer sich damit und dem etwas unintuitiven Kampfsystem arrangieren kann, findet mit guten Dialogen voller Wahlmöglichkeiten und einer glaubwürdigen Welt (inklusive Bewohnern mit Tag-Nacht-Rhythmus) aber viele innere Werte.
Die Endwertung steht bei 13 von 20 Sternen.
Fantasy-Kritik beim Sternenwanderer
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