Schattenjäger
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
"Dark Heresy" ist das erste von drei geplanten Rollenspielen im Warhammer-40.000-Universum. Feder & Schwert legt das 432-seitige Hardcover unter dem deutschen Titel "Schattenjäger" vor. Entgegen vielen Rollenspielen, bei denen man in alle möglichen Rollen schlüpfen kann, legt Schattenjäger seinen Fokus auf einen jungen Trupp Akolythen, die im Dienst der Inquisition des 41. Jahrhunderts steht.
Das System kennt neun Attribute von Kampfgeschick über Widerstand bis Charisma, die im Normalfall mit 2W10 + 20 erwürfelt und dem W100 unterwürfelt werden. Die rund 50 Fertigkeiten unterteilen sich in Grund- und Ausbaufertigkeiten. Grundfertigkeiten werden automatisch mit halben Attributswert beherrscht, während der einmalige Erwerb einer Fertigkeit ein Probe zum Attributswert erlaubt. Ein zwei- oder dreifacher Erwerb, die Meisterschaft, gibt einen Bonus von zehn bzw. 20 Punkten auf den Wurf. Spielt die Qualität des Wurfs eine Rolle, gibt es für je zehn Punkte unter oder über dem Zielwert einen (Miss-)Erfolgsgrad. Ähnlich wie Warhammer Fantasy kennt auch Warhammer 40k keine Klassen, sondern (kombinierbare) Karrieren, von denen acht - von Abschaum über Arbitratoren (eine Art Richter, der als einfacher Beamter anfängt) bis hin zum Techpriester - im Buch beschrieben sind. Die Karrieren bestimmen, was man zu welchem (EP-)Preis erwerben kann und jede Stufe, hier Steigerung genannt, bedeutet eine neue Sprosse auf der Karriereleiter. Die Karriere Adept beginnt beispielsweise als Archivar, Kopist und Schreiber, bevor man sich zwischen Inditor oder Medicus entscheiden kann. Insgesamt sind acht Steigerungen je Karriere beschrieben inklusive alternativer Wege. Zur zusätzlichen Individualisierung dienen die Herkunftswelten die in vier Klassen unterteilt werden, beispielsweise Urzeit- oder Makropolwelten. Je nach Welt eignet man sich für die ein oder andere Karriere besser und ist in einigen Attributen stärker oder schwächer als der durchschnittliche imperiale Bürger.
Kybernetische Ausrüstung, Psikräfte und Schicksalspunkte verfeinern das System, Wahnsinns- und Verderbnispunkte regeln die geistige Gesundheit und das Risiko zu Metastasierung und Mutationen. Geistesstörungen sind Nachteile, darunter die Angst vor Insekten oder Kleptomanie, während Metastasen Nachteile wie Hass, Hautkrankheiten oder Blackouts mit sich bringen.
Als Spielhintergrund dient nicht das ganze Warhammer 40k-Universum, sondern der Calixissektor steht im Blickpunkt und wird auf gut 50 Seiten abgehandelt. Die allgemeine Vorstellung des Imperiums und die Lebensverhältnisse dort nimmt etwa 20 Seiten ein, derselbe Platz wird der Inquisition eingeräumt. Je rund 35 Seiten beschreiben die Feinde der Inquisition und enthalten das Abenteuer "Erleuchtung".
Das Inquisitionskapitel stellt die Organisation dieser Institution vor, angefangen vom Gott-Imperator über Großinquisitatoren und Akolythen (hier finden sich die SC wieder) bis hin zum imperialen Bürger, die unterschiedlichen (großen) Ordos sowie Konklaven (regionale Gruppierungen) und Fraktionen (persönliche Philosophie) angehören, so dass ein künftiger Akolyth sich auch durch den Hintergrund individualisieren kann. Insbesondere wird noch auf das Vorgehen eines Inquisitors und das Verhältnis zu seinem Gefolge eingegangen, den dort finden sich ja die SC wieder. Die Pflichten eines Akolythen werden ebenso dargestellt wie auch typische Gebräuche und Heilige des Calixis-Sektors. Gelungen sind die Kurzeinschübe, die kurz verwandte Themen aufgreifen und zusätzliche Ansätze einstreuen. So wird auf einer halben Seite auf eine weitere Aufgabe der Inquisition hingewiesen, den Unterhalt der "Schwarzen Schiffe", die ungelehrnte Psioniker zur Ausbildung nach Terra befördern, oft ein Zehnt als Abgabe an den Imperator.
Im Abenteuer "Erlösung" begleiten die Spielercharaktere Aristarchus, den Seher, der Vorfälle auf Iocanthos untersuchen soll. Auf dem Planeten, der innerhalb des Imperiums als Lieferant für den Grundstoff verschiedener Kampfdrogen bekannt ist, wird der Bau einer Kathedrale zu Ehren des Gott-Imperators sabotiert. Der Trupp um die Charaktere soll die psi- oder warpverdächtigen Vorfälle aufklären.
Das Abenteuer ist zum Einstieg konzipiert, verläuft relativ stringent, bietet aber viele Interaktionsmöglichkeiten. Gelungen ist die Ausstattung mit Karten und Handouts. Ein kleiner Gassenkampf ist mit Battlemap und einigen Kisten, Treppenaufgängen und Containern aufgewertet. Auch an Anschlussideen an das mehrere Session dauernde Abenteuer wurde gedacht. Insgesamt gelungen, wobei sich für absolute Einsteiger ein Blick in das XXX-Heft lohnt, da es fast komplett ohne Vorwissen auskommt.
Die Aufmachung des Hardcovers ist rundum gelungen, angefangen vom thematisch stimmigen Coverillu von Clint Langley über vollfarbiges Layout bei dezenten Farbeinsatz bis hin zu den meist gelungenen Illustrationen des Innenteils.
Fazit: Letztlich kann der Fokus überzeugen, den eine vollständige Beschreibung des Warhammer 40k-Universums mit allen Fraktionen, die man aus dem Tabletop kennt, hätte wohl nicht auf 400 Seiten gepasst. Bedenkt man außerdem, dass eine Karriere locker mindestens vier Seiten braucht, wäre das wohl ein ziemlich fetter Schinken. Das System setzt auf Bekanntes aus dem Warhammer-Fantasy-RPG und ergänzt es sinnvoll. Insgesamt ist ein gutes, stimmungsvolles, düsteres Scifi-Rollenspiel zur bekannten Tabletopvorlage gelungen, das auch eine belastbare Regelbasis hat.
Eine Rezension von: Ingo 'Greifenklaue' Schulze https://greifenklaue.wordpress.com/