Spielerhandbuch Sabbat (3te)
Klischees
"Sabbat" - Schimpfwort oder verlockender Ruf ? In der Welt der Dunkelheit sicherlich beides¸ wenn auch letzteres für den normal denkenden Menschen nur schwer zugänglich ist.
Wer sich als Rollenspielgruppe für eine reine Sabbat-Runde entscheidet hat sich entweder schon sehr lange mit der World of Darkness beschäftigt und hungert schlicht nach Abwechslung - oder hat den Sinn nach epischen Rollenspielen¸ in denen stets die Guten siegen¸ vollends verloren.
Der Sabbat ist für die 'normalen' Vampire - die sich in der Camarilla zusammengeschlossen haben und deren Sinn dem Erhalt ihrer Menschlichkeit und der Geheimhaltung ihres Unlebens gilt - sozusagen der Wolf im Schafspelz. Hier trifft man auf skrupellose Gegner¸ die in ihren vampirischen Fähigkeiten den eigenen ebenbürtig sind und sich darüber hinaus nur durch ihre Taten als Todfeind unterscheiden.
Für die Mitglieder des Sabbat ist die Camarilla nur ein Zusammenschluß ängstlicher und verstaubter Blutsauger¸ die sich vor den Menschen verkriechen und willenlos auf alles hören was ihnen die älteren Generationen auftragen.
Die meisten Sabbat-Anhänger bevorzugen es¸ ihr Unleben in vollen Zügen auszuleben und die erlangten Fähigkeiten zum eigenen Wohl zu nutzen - egal ob dabei Menschen zu schaden kommen¸ oder die meist schrecklichen Bluttaten größeres Aufsehen erregen. Auch beschreiten Sabbat-Anhänger in den seltensten Fällen den Pfad der Menschlichkeit¸ die die meisten Camarilla-Vampire¸ was ihnen erlaubt quasi ohne 'schlechtes Gewissen' die abscheulichsten Greueltaten zu begehen.
Darüber hinaus ist das große Ziel des Sabbat die Auslöschung der vorsintflutlichen Clansgründer.
Mit dem Sabbat-Quellenband liegt uns nun eine Sammlung von Geschichten und Informationen über diese Fraktion der Vampire vor¸ die mit den Spielfiguren aus dem Grundregelwerk und der Philosophie hinter Vampire: Die Maskerade (Dem Konflikt zwischen den Vorzügen des untoten Daseins und dem langsamen Schwinden der Menschlichkeit) eigentlich gar nichts mehr zu tun haben.
Daher gibt es zwei Wege diesen Band sinnvoll einzusetzen:
Zum einen eignet er sich natürlich für jeden Spielleiter¸ denn er stellt einen sehr guten Gegenspieler-Lieferanten dar. Oder man sieht 'Sabbat' als neue Facette in der Welt der Dunkelheit¸ quasi als eigenständiges Rollenspiel - schließlich werden sich die Ziele und Motivationen der Spieler ändern¸ auch wenn viele Begriffe und Begebenheiten gleich klingen. Wer sich für den zweiten Einsatzweg entscheidet¸ eröffnet sich damit einen neuen Weg Vampire: Die Maskerade zu erfahren. Doch vermutlich eignet sich nicht jede Spielgruppe für diese Art des 'härteren' Rollenspiels.
Wie man sich auch entscheiden mag¸ der Inhalt des Bandes bietet für beide Möglichkeiten genug Stoff. Der Aufbau ist analog zum Grundregelwerk¸ wobei aber auf die Wiederholung der Storyteller-Regeln verzichtet wurde¸ was sich zugunsten des Hintergrundes¸ bzw. der Sabbatgeschichte auswirkt.
Sicherlich am interessantesten ist der Hintergrund¸ warum und wie sich die Vampire überhaupt in die zwei Extreme Sabbat und Camarilla spalteten. Es wir die Geschichte der Lasombra erzählt¸ also der Gründer des Sabbat¸ denen sich dann die Tzimisce anschlossen¸ deren Erfolg bei der Vernichtung ihrer Ahnen ein Zeichen für die gesamte Vampirgesellschaft bildete. Später lockte der neue Kontinent auf den man den europäischen Konflikt ausweitete. Die Geschichte des Sabbat ist ein einziger Krieg¸ gegen alle und manchmal auch gegen sich selbst. Da die Konflikte auf Dauer für großen Substanzverlust sorgte¸ verwarf an das anarchische Grundprinzip in einigen Punkten und stellte Regeln und organisatorische Strukturen auf. Als Spott tragen die meisten Positionen Titel¸ die auch in der katholischen Kirche zu finden sind.
Interne Strukturen
Der Band liefert eine gute Sicht¸ über die weltweiten Strukturen des Sabbat¸ wobei das Hauptaugenmerk auf den Metropolen liegt. Dann gibt es die üblichen informativen Kurzbeschreibungen der einzelnen Sabbat-Clans¸ wobei sich auch Vertreter der Camarilla-Clans befinden¸ die sich jedoch durch ein Antitribu deutlich von der Camarilla distanzieren. Und dieses Zusatzwort steht idR. für eine starke Verzerrung. Zum Beispiel erfreuen sich Troeador Antitribu auch an der Kunst... der Kunst Menschen zu quälen und Leid zu sähen. Außerdem gibt es eine ganze Reihe neuer interessanter Clans¸ die nichts mehr mit dem Grundregelwerk zu tun haben.
All diese Clans werden natürlich auch ausführlich in Wort und Bild beschrieben¸ wie man dies bereits aus dem Grundregelwerk kennt.
Geheimnisvoller gestaltet sich die Beschreibung der großen Fraktionen innerhalb des Sabbat¸ wie der Schwarzen Hand¸ der Sabbatinquisition usw. in der nur ausgewählte Sabbatanhänger vertreten sind.
Natürlich kann solch ein Werk nicht auf einen Life-Guide verzichten¸ der das Unleben der Anarchen näher erläutert. Allgemeine Verhaltens- und Vorgehensweisen¸ Treffpunkte¸ Riten (mit ausführlichen Beschreibungen der Praktiken - allein das bietet Stoff für etliche Spielabende)¸ typische Ausdrücke¸ etc. werden aufgeführt.
Hier beginnt der regellastige Teil des Quellenbandes. Die Hinweise zur Charaktererschaffung weisen vor allem auf die Unterschiede zu Camarilla-Vampiren hin und liefert neue und abgewandelte Fertigkeiten¸ Kenntnisse¸ Gaben - teils ziemlich abartige Disziplinen¸ geschmacklose Pfade und Dunkle Thaumaturgische Rituale. Feuermagie steht hier neben Fleischformen¸ Irrsinn¸ Nekromantie¸ Schattenspiele¸ etc. Viele der Sabbat-Disziplinen sind geeignet um abartige Effekte zu realisieren - und sind oft erschreckend effektiv... die Gaben von Bestien.
Das Kapitel 'Chroniken des Blutes' stellt einen Leitfaden für den Sabbat-geneigten Spielleiter dar. Teils Zeigefinder¸ daß nicht alle Sabbat-Anhänger Monster sind und zum anderen aber auch die 'Lizenz zum Töten'. Das Kapitel ist recht gut geschrieben¸ weist auf das Für und Wider hin¸ gibt Ratschläge für Extreme und motiviert die Strukturen und Riten des Sabbat in seine Chroniken einzuweben. Insgesamt sicherlich ein schmaler Grat und ebenso gefundenes Fressen für jeden Journalisten... wie der Großteil des Buchs. Natürlich darf auch die Beschreibung eines typischen 'Feldzugs' gegen eine Camarilla-Stadt nicht fehlen... sehr interessant zu lesen.
Den Anhang des Sabbat-Quellenbandes bilden knapp 20 Beispielcharaktere¸ einige Tzimisce-Familienbeschreibungen¸ Kreaturen und Gegenspieler¸ neue Waffen und Nahkampfmanöver (z.B. Kettensägenmassaker!).
Technisches
Der Band ist toll aufgemacht¸ Kompliment! Das Hardcover macht einen soliden Eindruck und wird die enthaltenen Seiten auch bei starker Benutzung lange im Zaum halten. Die silberne Schrift kommt bei dem vielfarbigen Cover nicht so recht zur Geltung.
Der Großteil der häufig makaberen Illustrationen ist SW-Lineart. Zwischen den Kapiteln gibt es sehr gelungene Graustufenbilder¸ die mir noch besser gefallen.
Insgesamt vermitteln die Illustrationen die kranke Aura sehr gut¸ die die meisten Sabbat-Vampire umgibt. Hier wurde viel Wahnsinn¸ Gewalt und Hack&Slay zeichnerisch umgesetzt.
Die Texte sind durchgehend sehr gut geschrieben¸ was sowohl Qualität als auch Atmosphäre anbelangt.
Fazit:
Wer nicht schon die englische Auflage sein eigen nennt¸ bekommt mit dem vorliegenden Werk einen geradezu überwältigenden Schub an Ideen für Gegenspieler und Kampagnen.
Besonders mutige oder schlicht abgedrehte Spielrunden werden sich in eine Sabbat-Kampagne begeben und vielleicht sogar dem alten Camarilla-Vampire abschwären.
Wer Vampire spielleitet und dieses Buch nicht kauft¸ ist meiner Ansicht selbst schuld ODER möchte seiner sensiblen Seele den Inhalt nicht antun¸ was ich auch noch verstehen könnte.
Spieler sollten sich diesen Band (auch wenn es wehtut) zugunsten des Spielspaßes¸ selbst vorenthalten und nur Bereiche lesen¸ die vom Spielleiter dafür freigegeben wurden - es wäre schade um die kleinen Geheimnisse und Überraschungen (v.a. bei einigen Ritualen und Disziplinen)..
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de