Anarchen Handbuch
Mit dem vorliegenden Anarchen-Handbuch sind nun mehr Produkte zu den drei wichtigsten Gesellschaftsformen der Kainiten erschienen: Camarilla¸ Sabbat und eben Anarchen.
Während Camarilla und Sabbat sich hauptsächlich in ihrer Einstellung gegenüber den Sterblichen (Stichwort Maskerade) und dem Tier in sich unterscheiden¸ aber beide Sekten eine ganz klare Hierarchie aufweisen¸ die die älteren Vampire (meist mit niedrigerer Generation) bevorzugt¸ spielen die Anarchen nach anderen Regeln.
Ihr erklärtes Ziel ist es gerade mit jeder Art von Hierarchie zu brechen¸ die einen Vampir aufgrund nur seines Alters besondere Rechte zubilligt¸ die zu Lasten der jüngeren Vampire geht. Die Anarchenbewegung hat auch Führer¸ diese haben ihre Position jedoch durch Taten erarbeitet und eine Schar freiwilliger Gefolgsleute um sich gescharrt¸ statt mit Unterwerfung und Blutsband zu arbeiten.
Wie man sich leicht denken kann¸ stößt dieser Gedanke nicht überall auf Gegenliebe - und gerade die machtvollsten und damit auch gefährlichsten Gegner haben ein berechtigtes Interesse daran¸ die Anarachenbewegung nicht zu erfolgreich werden zu lassen. Das ist auch der Grund warum die meisten Anarchen gegenwärtig Teil der Camarilla sind - dort aber¸ je nach ihren Mitteln¸ ständig an der Änderung des Systems arbeiten.
Doch in den Anfängen der Anarchenbewegung (1381) war dies anders. In einer Zeit¸ als die Camarilla nur eine Idee war und kein Ahn daran dachte¸ daß seine Gefolgschaft revoltieren könnte¸ ging der Sensenmann in Form der Inquisition umher und nicht wenige Ahnen opferten ihre Kinder¸ um selbst der Verfolgung zu entgehen. In dieser Zeit erfolgte der erste erfolgreiche Angriff auf einen englischen Ventrue-Ahnen durch erzeugerlose Vampire. Und dieser für unmöglich gehaltene Akt hatte Signalwirkung an viele geknechteten Vampire in ganz Europa und sollte einen 100 Jahre schwelenden Konflikt auslösen.
Die nächsten Revoluzzer waren die spanischen Brujah¸ dann die italienischen Lasombra¸ Assamiten im Nahen Osten und schließlich die Tzimisce in Osteuropa. Hier wird auch das Ritual zum Brechen eines Blutsbandes gefunden.
Die Anarchenbewegung sorgte allerdings auch dafür das aus der Idee einer Camarilla Wirklichkeit wurde - aus der Furcht der noch machtvollen Ahnen wurde Kompromißbereitschaft. Die Camarilla schaffte es schließlich¸ das Wüten der Anarchen zu stoppen und die Freigeister einzuverleiben... einmal abgesehen von den Tzimisce und Lasombra die schließlich den Sabbat als Gegenpol zur Camarilla gründeten.
Doch der Anarchenband ist kein Geschichtsband¸ sonder stellt ein aktuelles Gesellschaftsmodell für einzelne Charaktere und Spielgruppen dar. Die Hochburgen der Anarchen sind bis in die Gegenwart (ca. 1998) Los Angeles¸ San Diego und San Francisco. Einzelne Anarchen oder Klüngel können aber problemlos - mit entsprechender Vorsicht der Charaktere - überall angesiedelt werden.
Neben dieser Historie der Anarchen stell der Großteil des Bandes Anarchen-Archetypen nahezu jedes Clans und ihre Sicht der Dinge vor¸ erklärt die Konzeptionierung eines Anarchen-Charakters (inkl. neuer Disziplinen-Ausprägungen und Wissen zum alltäglichen Überleben außerhalb einer Sekte)¸ beschreibt die weiterentwickelten Grundüberlegungen und modernen internen Strukturen der Anarchenbewegung vor. Der Spielleiter erhält Mechanismen für die gesellschaftliche Entwicklung eines Anarchen.
Natürlich darf auch eine Reihe von 12 exemplarischen Anarchen-Charaktere nicht fehlen¸ die als Portrait¸ in Spielwerten und Beschreibung aufgeführt sind.
Technisches
Die Illustrationen im Band sind durchwachsen und pendeln meinem Empfinden nach zwischen Durchschnitt und Gut. Text und Layout hingegen geben keinen Grund zur Klage und machen den inhaltlich interessanten Band leicht verdaulich.
Ein vierseitiger Charakterbogen und ein ausführlicher Index runden den Band ab.
Fazit:
Ein klares Urteil zu fällen finde ich hier nicht einfach. Während das Camarilla- und Sabbat-Handbuch jeweils einen hohen Nutzwert haben¸ weil sie eine bis in die Gegenwart existierende Gemeinschaft beschreiben¸ stellt der vorliegende Band eher ein Außenseiterkonzept vor¸ für dessen Gestaltung man den Band eigentlich nicht benötigt.
Auf der anderen Seite beschreiben die enthaltenen Informationen ein Puzzlestück¸ mit dem man sicherlich einige Zusammenhänge innerhalb der World of Darkness besser versteht.
Zusammenfassend möchte ich den Band den Spielleitern empfehlen¸ deren Spielgruppe sich z.B. permanent mit den "höheren Ebenen" der Camarilla anlegt. Hier kann die Anarchenbewegung vielleicht der Ansatz für eine sehr konstruktive Chronik sein - und als Erzähler kann man der Anarchenbewegung ja sowohl in Amerika wie auch in Europa durchaus mehr Potential zugestehen¸ als es in der offiziellen World of Darkness der Fall war/ist.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de