Ulldart 2: Flucht aus Rogogard
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
Mit Flucht aus Rogogard gibt es von Pegasus nun das zweite Abenteuerspielbuch über die Ulldart-Reihe von Markus Heitz, welche in diesem Jahr den Deutschen Phantastik Preis als beste Serie gewann. Stellte man im ersten Band "Todesbote" noch einen Assassinen des Schwarzen Ordens dar, ist man im zweiten Band ein Gefangener aus Rogogart.
In Abenteuerspielbüchern oder auch sogenannten Solo-Abenteuern schlüpft der Leser selbst in die Rolle des Protagonisten und kann sich dann ‐ in begrenztem Umfang ‐ entscheiden, wie er handeln möchte. Er ist dabei natürlich auf die Möglichkeiten des Buches beschränkt: kämpfen, fliehen, täuschen ‐ aber eben nur, wenn das Buch dies vorschlägt. So ist dieses Buch in 400 Abschnitte unterteilt und am Ende eines Abschnitts werden dann die Auswahlmöglichkeiten genannt. Ein Beispiel: Du bist aus Deinem Gefängnis entkommen, erreichst eine T-Kreuzung. Links hörst Du die Stimmen der Wächter, willst Du dort lauschen (gehe zu 212), Dich dem Kampf stellen (364), Dich vorbeischleichen (23) oder willst Du lieber in den rechten Gang, aus dem Du keine Geräusche hörst (184)? Nun aber zur eigentlichen Geschichte.
Das Königreich Rogogard wurde erobert, und du (die Spielfigur) wurdest als Spion ins Gefängnis geworfen. Du weißt von Frau und Kind in der Stadt, jedoch nicht, wer Dich verraten hat. Ein Dolch ist dir verblieben in der modrigen Zelle, und nur ein alter, zerlumpter Mann ist dein Zellengefährte. Das Abenteuer dreht sich dann darum, dem Gefängnis und dann aus der Stadt zu entkommen ‐ und möglicherweise zu erfahren, wer dich verraten hat.
Das verwendete System ist dabei äußerst simpel, vier Eigenschaften bestimmen den Charakter: Geschicklichkeit, Konstitution, Karma und Lebensenergie. In jedem Wert hat man 15 Punkte, dazu kann man 5 Punkte frei aufteilen und den Wert für Lebensenergie darf man anschließend verdoppeln. Geschicklichkeit beeinflußt den Nahkampfwert, aber auch etwaige Schleichenproben. Konstitution bestimmt die Tragkraft. Karma ist der Beistand der Götter, das z.B. bei der Flucht hilft. Muss man eine Probe ablegen, etwa gegen 19, zählt man auf seinen Wert das Ergebnis eines W6 dazu. Alternativ lassen sich auch sechs Geldmünzen nehmen, auf die veränderte Wahrscheinlichkeit wird hingewiesen. Oder über eine Seite mit Würfelergebnissen kann mit geschlossenen Augen ein Stift geführt und so ein Ergebnis bestimmt werden. Für Proben ist es praktikabel, für einen Kampf jedoch anstrengend, da dieser aus zehn, zwanzig oder auch dreizig Würfen besteht. Aber so ist das Buch in jedem Fall einsatzbereit, auch wenn man im Bus sein Würfel vergessen hat, ein Stift wird aber in jedem Fall benötigt. Bei manchen Proben gibt es nicht nur gelungen, sondern auch außergewöhnlich gelungen, nämlich immer bei einer "6". So läßt sich z.B. beim Entdecken dann nicht nur ein Schwert in der Waffenkammer finden, sondern eben ein gutes Schwert mit besseren Eigenschaften.
Und an genau solchen Stellen muss man die unterschiedlichen Spielmechanismen kritisieren. Während die W6-Methode eine 1/6-Chance hat, ist die des Münzsystems 1/36, also sechsmal so unwahrscheinlich. Mit einer einfachen Änderung, nämlich "5 und 6" im Münzsystem als außergewöhnlichen Erfolg zu definieren, wäre die Wahrscheinlichkeiten zumindest annähernd gleich (7/36 zu 6/36) und auch nicht viel komplizierter. Schließlich findet doch jeder gerne ein besseres Schwert in der besagten Waffenkammer.
Das Abenteuer bietet einen spannenden, soliden Plot, auch wenn es an einigen Stellen Unstimmigkeiten gibt. Einmal wurde ich tatsächlich an eine falsche Stelle geführt, sprich zu einem falschen Abschnitt, an anderer Stellen ist plötzlich eine zweite Frau in der Zelle. Und der Wärter weiß, dass man in der Zelle ist, obwohl man gerade erst durch die Rückwand eingebrochen ist. Aber gut, dies kann passieren, wenn Handlungsstränge zusammengeführt werden.
Trotzdem kommt insgesamt nicht ganz das Gefühl alter Klassiker wie Einsamer Wolf oder Hexenmeister von Flammenden Berg auf, das mag vielleicht auch daran liegen, dass man keine fortgeführte Handlung über mehrere Bücher hat, vielleicht aber auch am zugenommenen Alter und einem nostalgisch-verklärten Rückblick.
Fazit: Man erhält ein gutes Abenteuerspielbuch und ein bis zwei Stunden Spielspaß, der insbesondere Einsteiger in unser Hobby genauso wie Soloabenteuerliebhaber begeistern sollte.
Eine Rezension von: Ingo 'Greifenklaue' Schulze https://greifenklaue.wordpress.com/