Saga of Ryzom - Ryzom Ring
Eine der schönen Seiten des journalistischen Werkens sind die Momente¸ in denen man eine Möglichkeit zum Test einer exklusiven Vorabversion von Spiele-Software kommt. Meist in Form einer Beta-Version und diesmal zudem in Form einer Präsentation im Mauritius-Hotel im Süden von Köln.
Präsentiert wurde die erste vollwertige Online-Rollenspiel-Erweiterung¸ die sich allein an Spielleiter richtet: Ryzom Ring (kurz R²) für das Online Rollenspiel Saga of Ryzom. Wer meine Rezensionen zum Thema Online-Rollenspiele regelmäßig liest¸ dem wird auch die Rezension zu Saga of Ryzom nicht entgangen sein.
Kurz zusammengefaßt handelt es sich bei SOR um ein reinrasiges MMORPG¸ ein Massive Multiplayer Online Roleplayinggame¸ bei dem man mit einer Vielzahl von anderen Spielern zusammen eine Spielwelt Ryzom erkunden kann¸ sich miteinander gegen Monster und andere Widersacher verbünden (PVM) oder gegeneinander Spieler gegen Spieler antreten kann (PVP). SOR konnte mich bereits beim Testen vor gut einem Jahr¸ durch seine ungewöhnliche Hintergrundgeschichte und die aufwendige Optik und akustische Untermalung überzeugen. Hier findet man in jedem Winkel des Spiels den hohen Anspruch der Softwareschiede Nevrax umgesetzt - sei es die lebendig wirkende Flora und Fauna¸ der Wechsel von Tages- und Jahreszeiten oder das oft nur schwer im voraus kalkulierbare Verhalten von Nichtspielerfiguren und Kreaturen.
Im letzten Jahr wurde das Spiel technisch perfektioniert¸ fehlende Features ergänzt¸ und neue Spielerweiterungen¸ wie zum Beispiel die Außenposten¸ die von Gilden erobert¸ zum eigenen Vorteil verwendet und gegen andere Eroberer verteidigt werden können¸ ins Spiel implementiert.
Einmal ein Gott sein...
Bei Ryzom Ring handelt es sich nicht um eine typische Erweiterung für ein Rollenspiel¸ in dem das Spiel z.B. um neue Features und Spielinhalte erweitert wird¸ sondern um eine Erweiterung des Spielkonzepts¸ das jedem der schon immer mal selbst als Designer eines Online-Rollenspiels tätig werden wollte¸ nun die Möglichkeit dazu gibt eigene Abenteuer zu erschaffen und diese nur für ausgewählte Spieler¸ die eigene Gilde oder die gesamte Spielerschaft von SOR zugänglich zu machen.
Zentraler Bestandteil des Ryzom Ring-Konzepts ist der Editor¸ der kostenlos heruntergeladen werden kann und nach der Installation knapp 6 Gigabyte Plattenplatz belegt. Nach dem Start des Editors geht das Programm online und erlaubt registrierten Spielern auf dem R²-Server eine eigene Spielwelt zu entwerfen. Während des Editierens und Testens muß man online sein¸ was aber in Zeiten weit verbreiteter Flatrates (gerade unter MMORPG-Spielern) kein KO-Kriterium mehr sein sollte.
Der Beginn jeder schöpferischen Tätigkeit besteht in der Wahl einer Landschaft¸ in der sich das erste Szenario abspielen wird. Ein Abenteuer kann aus mehreren Szaenarios bestehen¸ die von den Spielern durch Erfüllung von Aufgaben bzw. Erreichen von Zielpunkten nacheinander¸ oder in beliebiger Reihenfolge nach Wunsch des Spielleiters angesprungen werden können.
Als Landschaften stehen alle aus Saga of Ryzom bekannten Landschaftsformen zur Auswahl: Dschungel¸ Wüste¸ Wälder¸ Ebenen usw. Wer alles selbst bestimmen will¸ kann sich eine komplette Landschaft selbst gestalten. Ansonsten kann man auch "out of the box" auf eine Vielzahl bereits vordesignter Landschaften auswählen¸ die sich natürlich noch nach eigenem Willen erweitern lassen.
In den vorgegebenen Landschaften findet man harmonisch gestaltete Umgebungen¸ in denen auschließlich die nicht-interaktive Pflanzenwelt vorgegeben wurde. Es liegt beim Spielleiter¸ dieser Landschaft Leben in Form von nicht-interaktiven Accessoires wie Schmetterlingen¸ Fröschen oder Vögeln¸ Artefakten der Naturgeistern oder Außerirdischen¸ funktionierende Ökosysteme (eine Kombinationen aus Pflanzenfressern und deren Jägern)¸ Monstern und Nichtspielerfiguren zu plazieren.
Dazu bewegt sich der Spielleiter mit einem Charakter durch die Spielwelt und kann Objekte per Klick in die 3d-Landschaft oder auf der Karte plazieren. Es gibt immer mehrere Wege ein Objekt auszuwählen¸ z.B. intuitiv durch Klicken in der 3D-Landschaft oder aus passenden Listen¸ die den Inhalt der momentan verwendeten Spielwelt enthalten.
Neue Objekte lassen sich per Mausklick aus umfangreichen Katalogen auswählen und einfach in die Spielwelt einfügen. Wer will kann die spielrelevanten Details jedes Objekts über reichhaltige Eigenschaften-Einstellungen bis ins letzte Detail festlegen¸ bzw. variieren. Wer z.B. schon mal bei der Charaktererschaffung eines SOR-CHarakters das Feintunig zum Aussehen eines Charakters erlebt hat¸ weiß wie detailverliebt die Macher sind - und dieser Umstand findet sich auch in R² wieder. Das gleiche gilt auch für die Stufe eines NSC oder einer Kreatur.
Dazu fällt mir ein Spruch ein¸ der auch zu Ryzom Ring gut paßt: "Leicht zu bedienen¸ schwer zu meistern".
Aber in welchem Grad man das Feintuning betreibt¸ hängt wirklich nur von einem selbst ab. Im Prinzip kann man auch wunderbar damit klarkommen¸ sich z.B. Nichtspielercharaktere vom Computer per Zufall zusammenstellen zu lassen und einfach in sein Szenario zu plazieren. Das gleiche gilt für Ausrüstungsgegenstände¸ Gebäude¸ Monster uvm. - eben alles was ein Spieler bereits aus SOR kennen könnte.
Let's move & Action!
Hat man die Elemente plaziert¸ kann man sich daran machen¸ Leben in die Spielwelt einzuhauchen¸ indem man "lebendigen" Objekten Patroullie-Routen zuweist¸ ihre Lebens- und Schlafbereiche definiert¸ und deren Emotionen und Reaktionen auf bestimmte Ereignisse festlegt. Natürlich ist das alles optional.
Die Bewegungswege bzw. Areale lassen sich sehr einfach als Linien oder Polygone auf den Boden der Spielwelt einzeichnen.
Man kann Ereignisse festlegen¸ wie zum Beispiel das Anklicken einer Person oder Betreten einer bestimmten Zone¸ um eine Nichtspielerfigur (NSC) nach einem vorgegebenen Rezept handeln zu lassen. Beispielsweise könnte ein NSC die Spieler-Charaktere bei Ihrer Ankunft im Dorf freudig begrüßen¸ sie Angreifen¸ Ihnen eine Mission anbieten¸ ihnen eine Geschichte erzählen¸ sie zu einem andern Ort führen oder eine Horde Monster auf sie Hetzen.
Das fanszinierende an der Sache ist¸ daß zur Definition von all dem keinerlei Programmierkenntnisse erforderlich sind! Wer sich ein Abenteuer ausdenken kann¸ kann auch durch simples Klicken in logisch strukturierten Menues sehr komplexe Zusammenhänge konstruieren¸ ohne das bei einer Vielzahl von eingesetzten Objekten die Übersicht verloren ginge.
Wie auch schon beim eigentlichen Online-Rollenspiel¸ merkt man auch beim Ryzom Ring Editor¸ wie wichtig den Machern eine gut durchdachte Benutzerführung ist: Optionen und Menues finden sich da¸ wo man sie intuitiv erwaretet.
Es ist nicht erforderlich¸ schon zu Beginn der schöpferischen Phase eine komplett ausgearbeitete Idee zu haben. Objekte und Handlungsstränge lassen sich nach und nach in das Szenarario einbauen¸ testen und auch nachträglich erweitern.
Wer möchte kann sich auch während des Basteln Mitspieler hinzuholen und diese zum Testen oder als Mitschaffende in den Bau des Szenarios einbinden. Als Spielleiter kann man jederzeit von der Rolle des Spielleiters in die Rolle eines normalen Charakter schlüpfen. Der Vorteil des Spielleiter-Modus¸ sind Unsichtbarkeit gegenüber Spielern¸ Kreaturen und allen Auslösern für Aktionen. Zudem kann man quer durch das Gelände Teleportieren und wesentlich schneller Laufen als normal.
In der Rolle eines Charakter kann man hingegen mit NSC¸ Monstern und Auslöse-Bereichen (Triggern) interagieren¸ ganz so¸ wie es später die Spieler tun würden. Als Spielleiter ist man natürlich unsterblich¸ auch wenn einen Monster durchaus kurzfristig zu Boden knüpeln können. Auch der Tod muß mal getestet werden...
Wer möchte¸ kann an das erste Szenario in der ersten Landschaft¸ weitere Landschaften mit neuen Teilabenteuern hinzufügen und so ganze Kampagnen mit mehreren Handlungsorten basteln.
Es ist nicht ganz einfach eine derart komplexe Anwendung in einfachen Worten zu beschreiben ohne sich in den beiden Extremen "simpel" und "komplex" zu verlieren. Der Einstieg in Ryzom Ring ist simpel und wenn man ein wenig experimentierfreude mitbringt¸ kann man sich ganz ohne dicke Anleitung durchhangeln. Es werden immer wieder Tooltips eingestreut¸ wenn man eine neue Option¸ das erste Mal öffnet.
Spielleiter bedeutet ein Spiel zu leiten...
Ryzom Ring ragt vor allem durch eine Besonderheit aus allem heraus¸ was bislang in Sachen Abenteuer-Editoren geboten wurde: Der Spielleiter kann während des Abenteuers jede Aufgabe übernehmen¸ die z.B. ein Spielleiter in einem Pen&Paper Rollenspiel übnernehmen würde: er kann alle spielrelevanten Faktoren des Abenteuers während des Spiels manipulieren¸ in die Rolle eines NSCs schlüpfen¸ ihn Lenken und durch seinen Mund mit den Spielern reden¸ er kann alle nicht von den Spielern gesteuerten Lebewesen verstärken¸ in den Kampf schicken und auf Befehl sterben lassen. Der Spielleiter kann Aktionen vorzeitig auslösen und die ganze Spielgruppe durch die einzelnen Szenarien seines Abenteuers hin- und herteleportieren.
Auch hier scheinen die Möglichkeiten allein durch die Phantasie des Spielleiters begrenzt... und natürlich durch die Geduld der Spieler - denn wie beim Pen&Paper sollte man nicht vergessen¸ daß die Spieler sich am Ende gut bedient fühlen wollen.
Aus diesem Grund - und sicherlich auch um den Spielern generell die Möglichkeit zu geben¸ die Qualität eines Abenteuers vor dem Spielen zu bestimmen - hat man bei Ryzom Ring eine Bewertungsfunktion eingebaut. Hier können Spieler nach dem Ende des Abenteuers eine Wertung abgeben¸ die dem Spielleiter als Feedback dienen soll und auch als Gesamtsumme beim der Auswahl der aktiven Abenteuer an den Teleportern angezeigt wird.
Wenn der Vorhang sich öffnet...
Wer sein Abenteuer endlich fertig gestellt hat und es zum Spielen anbieten möchte¸ kann es entweder öffentlich für alle SOR-Spieler zugänglich machen oder die Nutzung auf die eigene Gilde bzw. nur manuell ausgewählte Spielercharaktere beschränken.
Das Bereitstellen von Abenteuern ist grundsätzlich kostenlos möglich¸ so lange wie der Spielleiter selbst als Spielleiter online ist¸ um das Abenteuer zu leiten. Hat man sein Abenteuer so entworfen¸ daß die Anwesenheit des Spielleiters nicht unbedingt erforderlich ist¸ kann man seine Kreation auch gegen eine geringe Gebühr von 5 Euro pro Monat in ein sogenanntes "Outland" umwandeln und rund um die Uhr zur Nutzung freigeben.
Outlands werden auf ihre weise ein regulärer Bestandteil des Grundspiels. In allen Regionen werden Teleporter plaziert¸ über die Charaktere und Charaktergruppen in die Outlands überwechseln können.
My home is my Castle
Outlands können vor allem auch dann sinnvoll sein¸ wenn man die neue Erweiterung gar nicht zum Erschaffen eines Abenteuers nutzen möchte¸ sondern zum Beispiel einen exklusiven Treffpunkt für seine Gildenmitglieder im Sinn hat. Wer hätte nicht gern eine eindrucksvolle Festung¸ um die herum die übelsten Kreaturen patroullieren... oder eine idylische Insel mitten im weiten Meer mit ein paar bequemen Sitzgelegenheiten für aufregende Gildentreffen... die Phantasie scheint hier der einzige limitierende Faktor.
Wie gewonnen¸ so zerronnen...
Alle Powergamer die sich gerade dem siebten Cheater-Himmel nahe fühlen¸ muß man wohl noch einen kleinen Dämpfer mit auf den Weg geben. Ryzom Ring wird kein Selbstbedienungsladen werden¸ in dem man beliebige Monster-Herden plazieren und als endlosen Quell von Rohstoffen mit kalkulierbarem Risiko abernten kann. Auch kann man die NSC und Schatzkisten zwar mit beliebigen Gegenständen befüllen und auch von den Spielern plündern lassen kann¸ so wird dies nicht zu einer Inflation im Grundspiel führen.
Die Entwickler haben vorgesorgt und eingerichtet¸ daß alle im Abenteuer gefundenen Gegenstände beim Verlassen des Spiels im Abenteuer zurückbleiben.
Allein das¸ was die Spieler bereits beim Betreten des Szenarios besessen haben¸ kann zwischen den Spielern getauscht werden und bleibt auch beim Verlassen erhalten. Auch ein Spielleiter kann auf diese Weise für "permanente" Belohnungen für seine Spielgruppe sorgen¸ indem er nach erfolgreichem Lösen seines Abenteuers selbst mitgebrachte Gegenstände verteilt.
Technisches
Nevrax hat mit seinem Online-Rollenspiel Saga of Ryzom bereits gute Vorarbeit geleistet und so verwundert es nicht¸ dass der Spielleiter mit dem Ryzom Ring Editor ebenfalls auf ein großes Repertoire an perfekt gestylten Elementen zugreifen kann. Es ist nicht schwer die NSC mit Leben zu füllen¸ weil die Emotionen bereits vortrefflich ins Spiel integriert wurden. Es ist nicht aufwendig komplexe Ökosysteme zu erzeugen¸ weil diese sich mit wenigen Mausklicks in der Landschaft plazieren lassen. Auch die Natürlichkeit aller Lebensformen in den selbst erschaffenen Abenteuern¸ wird vom Spielleiter keine Aufwendigen Definitionen erfordern¸ sondern mit wenigen Klicks definieren.
Der Spielleiter soll sich völlig auf seine Hauptaufgabe konzentrieren können: ein Abenteuer zu entwerfen und seine Spielerschaft gut zu unterhalten.
Fazit:
Technisch gesehen kann die Erweiterung Ryzom Ring genauso hervorragend punkten wie das eigentliche MMORPG Saga of Ryzom. Selten wurde dem Spieler so viel Macht in die Hand gelegt¸ wie bei dieser Erweiterung - und gleichzeitig darauf geachtet¸ daß sich diese Macht nicht auf das Grundspiel auswirkt. Doch wie es bei MMORPGs generell ist¸ kommt es bei Ryzom Ring vor allem darauf an¸ was die Spieler am Ende daraus machen werden.
Die Entwickler erhoffen sich natürlich¸ daß Ryzom Ring ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist¸ das es schafft¸ ein paar der gelangweilten Spieler¸ die der WOW-Hype scheinbar aus dem nichts erschaffen hat¸ zu Saga of Ryzom herüber zu locken und auch als Spieler zu begeistern und dauerhaft zu binden.
Saga of Ryzom kann übrigens dauerhaft kostenfrei und ohne Angabe von Kreditkartendaten etc. ausprobiert werden¸ wobei die einzige Einschränkung die Begrenzung des Spiels auf die Anfängerzone ist.
Ich für meinen Teil¸ hoffe sehr¸ daß Nevrax mit seinem Vorhaben erfolg hat¸ denn sieben Jahre Entwicklungszeit mit einem solch hochwertigen Ergebnis¸ sind es wert beachtet und gespielt zu werden.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de