Vertigo Select: Fountain (2)
Story
Tomas' Dasein ist vom ständigen Kampf gegen den Tod bezeichnet. In drei Leben zu drei völlig unterschiedlichen Zeiten sucht er nach dem Quell des ewigen Lebens und der Erlösung vor dem Tod. Bereits im Jahre 1535 kämpft er an der Spitze einer spanischen Armee gegen das unbarmherzige Volk der Maya. Im Auftrag seiner Königin und Geliebten Isabel sucht er nach dem Schlüssel der Unsterblichkeit und widersetzt sich jeglicher christlicher Moral¸ erblickt jedoch in einer erbitterten Schlacht wieder den Weg in die unbarmherzige Realität.
Auch die Gegenwart hält für Tommy nichts als Schrecken bereit. Als angesehener Wissenschaftler sucht er vergeblich ein Mittel¸ um den Krebs seiner Gattin Izzi zu besiegen. Kurz vor ihrem Dahinscheiden offenbart sich ihm ein Durchbruch¸ doch Tommy muss sich damit abfinden¸ dass er die Gesetze des Lebens nicht über Nacht verändern kann.
Selbst in der Zukunft beherrscht der Tod Toms Denken. Er flüchtet vor den Geschehnissen der vergangenen tausend Jahre und sucht am Ende seiner Odyssee nach Frieden. Eng verknüpft mit dem Baum des Lebens¸ wartet er auf die Blüte dieser Pflanze und sinnt vergeblich nach einzelnen Momenten der Hoffnung. Doch der Tod kennt kein Erbarmen. Tom kommt verzweifelt zu der Erkenntnis¸ dass er trotz mehrfacher Wiedergeburt keine Macht über das Unaufhaltsame haben kann. Doch nach all den Jahren des Flehens und Forschens kann er nur schwer akzeptieren¸ dass alle Hoffnung einmal ein Ende haben muss.
Meine Meinung
Die Vorgeschichte zu dieser Graphic Novel ist selbst bereits ergreifend und deckt sich sehr gut mit dem Inhalt von "The Fountain". Schon im Jahre 2002 plante der erfolgreiche Independent-Regisseur Darren Aronofsky (u. a. "Requiem for a Dream" und "Pi")¸ das Drehbuch zu "The Fountain" zu verfilmen. Die Arbeiten waren bereits in vollem Gange¸ als Dritte plötzlich das Projekt für unbestimmte Zeit auf Eis legten und Darrens Visionen damit bis auf weiteres ausschalteten. Für den Regisseur und Autor begann eine krisenreiche Zeit voller privater Schicksalsschläge¸ die sich jedoch allesamt zum Positiven wendeten - ganz so wie das Fortbestehen des Skripts zu "The Fountain". Unabhängig aller Partner plante Aronofsky¸ den Film als Low-Budget-Version trotzdem abzudrehen und gleichzeitig an einem Comic zu arbeiten¸ um dadurch zu gewährleisten¸ dass seine epische Liebesgeschichte auf jeden Fall in irgendeiner Form veröffentlicht wird. Im renommierten Künstler Kent Williams fand er alsbald den richtigen Mann für die graphische Umsetzung seiner Ideen und trat schließlich mit Vertigo in Kontakt¸ wo man von Aronofskys Idee völlig begeistert war. Während die Entwicklung des Comics relativ zügig konkrete Formen annahm¸ wuchs im Hintergrund auch wieder das Interesse der Filmemacher. Parallel wurden beide Projekte ausgearbeitet¸ so dass dieser Comic nun eine Art Prequel zum großen Kinoereignis ist¸ welches bereits in Kürze mit prominenter Besetzung (Hugh Jackman¸ Rachel Weisz) anlaufen wird. Das lange Ringen hat sich also gelohnt¸ denn wie es auf dem Backcover schon richtig geschrieben steht: "The Fountain" ist so gewaltig¸ dass ein Medium alleine nicht reichte¸ um diese Geschichte zu erzählen. Wahre Worte¸ die ich nur deutlich unterstreichen kann!
Aronofskys Geschichte spielt sich auf drei verschiedenen Ebenen ab¸ wobei der Löwenanteil der Story in der Gegenwart stattfindet. Dort kämpft der rastlose Wissenschaftler Tommy gerade um das Leben eines jungen Affen namens Donovan¸ der ebenso wie Tommys Frau von einem Tumor befallen und nahezu chancenlos dem Tod ausgesetzt ist. Der verzweifelte Forscher versucht mit allen Mitteln¸ Seren und Medikamente zu entwickeln¸ die das Dilemma verlangsamen oder gar ganz beenden können¸ vergisst dabei jedoch¸ dass seiner Geliebten nicht damit geholfen ist¸ dass er ständig in seinem Labor Ursachenforschung betreibt. Während Izzi ihren letzten Roman verfasst und kurz vor der Vollendung ihres Lebenswerks steht¸ arbeitet Tommy Tag und Nacht an einer Lösung. Doch Izzis Zustand verschlechtert sich permanent¸ und ohne dass Tommy noch dazu kommt¸ sich gebührend zu verabschieden¸ scheidet die wichtigste Person in seinem Leben dahin. Ähnliche Ereignisse spielten sich bereits in der Vergangenheit ab¸ als Tommy alias Tomas als spanischer Hauptmann ein verborgenes Relikt der Maya in seinen Besitz bringen wollte¸ welches das ewige Leben versprach. Doch der Preis dafür ist hoch¸ und sein Ringen um die Liebe zur Königin wird ebenfalls von einigen fürchterlichen Umständen begleitet. In der letzten Dimension ist Tom schier hilflos vor Verzweiflung. Er nährt sich von den Früchten des Lebensbaums¸ doch dessen Blüte ist vorüber. Lediglich die Explosion eines Sterns¸ den bereits die Maya anbeteten¸ könnte noch ein Wunder bewirken. Aber nach alldem¸ was Tom in den vergangenen tausend Jahren erlebt hat¸ sind Wunder und damit verbundene Hoffnungsschimmer nur noch stärker mit Verzweiflung und Kummer verbunden ‐ und letztendlich auch pure Utopie. Erst als er sich mit dem Gedanken abfindet¸ dass das Streben nach ewigem Leben unvernünftig und unrealistisch ist¸ bekommt sein Leben nach Wiedergeburt¸ Tod und Verlusten eine neue¸ akzeptable Bedeutung.
Die Geschichte um die drei Inkarnationen eines jungen Mannes sind von Aronofsky sehr bewegend dargestellt. Ein Mann¸ der seine Liebe mit allen Mitteln retten will und gleich mehrfach dem Tod und der Hilflosigkeit ausgesetzt ist¸ das ist der Protagonist Tomas¸ eine Gestalt¸ wie sie sowohl in der Film- als auch in der Comicbranche bislang einzigartig ist. Und einzigartig ist auch die grundlegende Idee¸ der Inhalt¸ der einen von Beginn an fesselt¸ unter anderem auch wegen der kunstvollen Illustrationen des mehrfach ausgezeichneten Kent Williams. Seine Bilder verleihen den traurigen Ereignissen der parallel erzählten Storys dennoch eine letzte Spur von Optimismus¸ untermalen ansonsten aber ebenfalls die bedrückte Stimmung der Erzählstränge. Die Aufgabe¸ Verzweiflung jenseits wahnhafter Verhaltensmuster darzustellen¸ war dabei aber sicherlich ein ziemlich hartes¸ schwer lösbares Unterfangen¸ welches Williams jedoch geschickt umgeht. Er beharrt nämlich auf ständigen Mysterien und lässt die Charaktere in einem allzu geheimnisvollen Licht erscheinen. So sind selbst traurigste Gesichtszüge nur Schemen¸ die den Leser nie zu sehr zu den Protagonisten durchdringen lassen¸ was der Handlung insofern zuträglich ist¸ als jede geringfügige Wendung zu einer deutlichen Überraschung avanciert.
Im Großen und Ganzen harmonieren Williams und Aronofsky wahrhaftig prächtig miteinander. Der eine versteht die Visionen des jeweils anderen und trägt jeweils maßgeblich dazu bei¸ dass dieses vollkommen fiktive Stück die erforderliche Glaubwürdigkeit erhält. Abgesehen davon¸ dass die Story phänomenal ist¸ kann man somit auch die Umsetzung in jedweder Hinsicht nur mit höchsten Tönen loben und dieses Meisterwerk auch nur jedem Anhänger anspruchsvoller¸ kunstfertiger Comic-Literatur ans Herz legen. Perfekter können Lyrik¸ Poesie und Kunst kaum miteinander verschmelzen als in "The Fountain".
Eine Rezension von: Björn Backes http://www.buchwurm.info/