Red Star 1: Die Schlacht vor Kar Dathras Tor
Wie man wei߸ ist der Kalte Krieg vorbei. Mit dem Ende der UdSSR zerfiel ein Großreich¸ das über ein halbes Jahrhundert lang die Geschicke der Welt mitbestimmte. Solch ein Zusammenbruch kann nicht ohne Folgen bleiben. Auf künstlerischer Ebene darf man "The Red Star" als eine dieser Folgen betrachten¸ als ästhetische Auseinandersetzung mit der UdSSR und ihrem Untergang. Ein historischer Comic ist "The Red Star" jedoch nicht. Vielmehr spielen die Autoren mit Historie und Phantasie. Es bleibt dem Leser überlassen¸ wie er die Einzelteile deutet und zusammensetzt.
Statt der UdSSR begegnet man in "The Red Star" den VRRS¸ den Vereinigten Republiken des Roten Sterns. Das Großreich liegt in seinen letzten Zügen. Die Provinz Al"Istaan hat die Gunst der Stunde genutzt und sich für unabhängig erklärt. Doch noch hat die VRRS genug Kraft¸ um zurückzuschlagen. Der Ausreißer soll zurück ins Glied geprügelt werden. So macht sich eine gigantische Armada von futuristischen Luftschiffen (so genannten Wolkenbrütern) auf¸ um dem aufsässigen Bergvolk klarzumachen¸ wer in der Republik das Sagen hat. In einem engen Tal kommt es schließlich zur entscheidenden Schlacht.
Beschrieben wird das Kriegsspektakel von der Magierin Maya Antares. Sie sitzt in einer Schwebebahn und unterhält sich mit dem Veteranen Vanya über die Schlacht vor Kar Dathras Tor¸ die inzwischen neun Jahre zurückliegt. In einem Rückblick erfährt der Leser von dem Angriff des Flagschiffs RSS Konstantinov¸ zu dessen Besatzung Maya damals gehörte. Die Isolatoren-Kammern feuerten Energiestrahlen¸ danach schoss aus den Kielbrütern ein Inferno auf den Feind. Zu diesem Zeitpunkt sah es so aus¸ als wären die Separatisten besiegt und als hätten die Vereinigten Republiken noch einmal ihren Herrschaftsanspruch durchgesetzt. Doch es sollte anders kommen. Der Hohepriester Kar Dathra der Ewige erhob sich und holte zu einem vernichtenden Gegenschlag aus.
Während Maya in einem Wolkenbrüter das Spektakel erlebte¸ kämpfte ihr Ehemann Markus als Kapitän einer Infanterie-Einheit am Boden. Er gilt seitdem als tot¸ gefallen in der Schlacht. Seine Leiche wurde jedoch niemals gefunden. Möglich¸ dass ihm etwas anderes widerfahren ist¸ etwas Übernatürliches. Mit der Schwebebahn fährt Maya am Jahrestag der Schlacht zu einem Soldatenfriedhof¸ um ihrem Ehemann zu gedenken.
Die Geschichte¸ die Christian Gossett und sein Team dem Leser erzählen¸ präsentiert sich in einer fabelhaften Mischung aus 2D-Zeichnungen und 3D-Computerkunst. Nicht nur die bildgewaltigen Wolkenbrüter¸ auch Panzer¸ Flammen und das Innere der Schwebebahn fügen sich wunderbar mit den Zeichnungen zusammen¸ ohne dass ein Bruch entsteht. Mit ein Grund dafür sind sicherlich die Ausgewogenheit der beiden Techniken und die gelungene Gesamtkolorierung. Cross Cult veröffentlicht den ersten Teil von "The Red Star" in einem dicken Band¸ im Format irgendwo zwischen amerikanischem Heft und franko-belgischem Album angesiedelt. Zu den ersten vier Kapiteln der Geschichte gesellen sich der One-Shot A Worker"s Tale sowie eine Menge Zusatzmaterial (Lexikon¸ Skizzengalerie¸ Interviews).
Pompös in der Form¸ pompös im Inhalt. "The Red Star" ist als Saga geplant¸ als opulente Geschichte¸ die Größe will und Größe sucht. In den Bildern¸ in der Sprache und in der Thematik schlägt sich dieses Vorhaben nieder. Im Prinzip lässt sich der Inhalt von "The Red Star" reduzieren auf das schwierige Verhältnis zwischen Mensch und System. Maya Antares steht als einzelne Person einem Staats- und Gesellschaftssystem gegenüber¸ dem sie nur noch bedingt loyal gesonnen ist. Sie ist tief im Inneren zerrissen. Auf der einen Seite ist sie von Herzen Patriotin¸ auf der anderen Seite hat das System ihrem Mann den Tod gebracht. Hätte man Al"Istaan nicht auch einfach friedlich aus dem Staatenbund entlassen können? Ihr Ehemann würde dann sicherlich noch leben.
Noch ist "The Red Star" nicht abgeschlossen. Mayas Entscheidung steht noch aus¸ ebenso das Schicksal der Vereinigten Republiken. Im August 2007 kommt der zweite Band "Nokgorka" heraus. Dann erst lässt sich wirklich sagen¸ worauf die Geschichte mit ihren großen Gesten abhebt. So viel ist jedoch jetzt schon klar: Die Autoren haben neben künstlerischen Ambitionen ein politisches Sendebewusstsein¸ mit dem sie westliches Lesepublikum erreichen wollen. Insofern ist "The Red Star" nicht nur eine Auseinandersetzung mit der untergegangenen UdSSR¸ sondern auch mit der danach allein zurückgebliebenen USA. Und ein Kommentar zur Weltordnung nach dem Kalten Krieg. Christian Gossett formuliert seine These so: "Die größte Ironie des 20. Jahrhunderts ist¸ dass sich die USA durch das Überdauern der Sowjetunion nicht etwa von irgendeinem Kampf befreit hätten¸ sondern nur ihre eigene tyrannische Natur offenbart haben." Es scheint fast so¸ als hätte da ein amerikanischer Comic-Zeichner starke Gefühle für die untergegangene Sowjetunion entwickelt¸ was ihn dazu bringt¸ Kritik am eigenen Land zu üben. Diese politische Intention ist momentan natürlich in bestimmten Kreisen schwer angesagt. Aber nicht vergessen: Abseits dieser großen¸ ausufernden Themen kann "The Red Star" auch einfach nur als Action-Comic gelesen werden.
Eine Rezension von: Christopher Bünte