Das Lukeanische Reich
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
Obwohl es erst nach dem "Koloniehandbuch Aura" erschien, ist "Das Lukeanische Reich" quasi der grundlegende Settingüberblick auf 52 Seiten für knapp 13 Euro. Die Anzahl der Seiten macht schon deutlich, dass man hier nicht umfassend und bis ins letzte Detail umschreibt, sondern sich auf interessante Aspekte des Settings konzentriert - was mir sehr gut gefällt.
Die ersten sechs Seiten umreißen die Geschichte des Lukeanischen Reiches. Der Ursprung liegt in einer Flotte von Generationenschiffe, von der 20 nach einer ca. 700 Jahre langen Reise auf Lukea - benannt nach dem Flaggschiff der Flotte - ankommen und hier eine neue Heimat finden. Dabei treffen und vermischen sie sich mit dem heimischen Volk der Mari, während Krankheiten viele Leben fordern. Schon kurze Zeit später wird in der "Zeit der Pioniere" auch der Nachbarplanet Aura besiedelt (welcher dann im Vorgängerband beschrieben wird), dauert es rund 200 Jahre bis die nächsten Systeme erforscht werden. Nocheinmal 100 Jahre später - beim 5. System, welches kolonisiert wird - gerät man mit Insektoiden in Konflikt, von denen man erst zu spät erkennt, dass sie intelligent sind. Daraus entsteht "Der große Krieg", welcher den gesamten Themis Rho-Cluster erschüttert. Nach 43 Jahren Krieg kann ein Waffenstillstand ausgehandelt werden mit den Nishzrra zu einem Zeitpunkt, wo die meisten Kolonien zurückerobert werden konnten, aber das komplette 4. System bei den Insektoiden verblieb. Dies wiederum führt alsbald zum "Bürgerkrieg", weil die Kolonien die Zentralwelt übervorteilt sehen. Auda erklärt sich erst für unabhängig, dann erschüttert der Bürgerkrieg das Muttersystem. Erstmalig wird hier MUTTER erwähnt, eine künstliche Intelligenz, welche über die Bürger wacht und die gegnerische KI Audas mit gezielten Angriffen auf ihre Infrastruktur schachmatt setzt. Nach der Niederwerfung Audas gehen die Expansionen weiter, eine Weltenratstation mit Vetretetern aller intelligenter, weltraumfahrender Spezies wird gegründet, deren Sitz zwischen den Lukeanern und den Nishzrra alle 25 Jahre wechselt, und eine Periode wirtschaflichen Wohlstandes folgt. Nicht ohne allerdings diverse Verbrecher und Bürger 2. Klasse nach Auda abzuschieben.
Das Geschichtskapitel fasst kurz und knackig zusammen, wie man sich die Welt von Ultima Ratio vorstellen kann, wie sie sich entwickelt hat und welche Aspekte man aufgreifen will. Ich lese solche Kapitel oft ungern, dies hier hat mir aber gut gefallen.
Das wirtschaftlicher Wohlstand nicht auch ein glückliches Leben bedeutet, verdeutlicht das Kapitel "Mutter, Kind und Uniform" auf 5 Seiten, welche aufzeigt, dass es sich um einen Überwachungsstaat handelt, welcher zudem Bewohner der Zentralwelt übervorteilt und Kolonisten diskriminiert. MUTTER ist die zentrale KI Lukeas, welche die behördliche Verwaltung ersetzt, und der sich die Bürger mit ihrer KIND, implantierten Nanochips, ausweisen müssen. Über die Zeit wurden ihr immer mehr Kompetenzen zugesprochen, außerdem wurde zeitgleich das Datennetzwerk vereinheitlicht und gleichgeschaltet in UNIFORM, deren Zugriffe wiederum von MUTTER überwacht werden. Daneben gibt es noch Mentalisten, für die aber die KIND verboten ist, stattdessen bekommen diese eine Mentalistenkennkarte (MKK), orangefarbene, immer zu tragende Kennkarten. Der Rest des Kapitels zeigt auf, was legal, was geduldet und was verboten ist, sowie eine Seite mit künstlichen Lebensformen wie Androiden und Drohnen.
Auch das Kapitel gefällt mir, es schafft ein gutes Gefühl für die allgemeine, grundlegende Atmosphäre des Settimgs, die in Kürze vermittelt wird.
Es folgt auf 11 Seiten ein Schnitt quer durch die Lukeanische Gesellschaft, wie es um das Geld steht (eher ein Kreditsystem), stellt eine Art Kastensystem vor, welches auch definiert über wieviel Geld der einzelne verfügen kann, wer wo welchen Status hat, ein typisches Leben von Kindheit und Jugend über die "produktive Phase" bis zum Lebensabend, medizinische Versorgung, Ernährung, Politik, Religion, Medien und Sport. Weitere Punkte werden in eigenen Kapiteln behandelt wie die Wirtschaft mit 4 Seiten (hier werden neben einigen Unternehmen noch Rechtsformen sowie das Bankwesen umrissen) sowie Sicherheit, Recht & Justiz (7 Seiten) mit allen Punkten rund um diese Themen. Dazu noch Reisen (6 Seiten) und Staatsordnung & Weltenrat (2 Seiten). Hier werden in vielen kleinen und großen Details ein Gefühl für das Leben bei Ultima Ratio geschaffen, vermittelt ein gutes Settingbild, welches es das Leben dort recht plastisch macht, ohne eimem jedes Detail aufzudrängen. Gefällt mir gut im Stil.
In diesen Kapiteln sind in grünunterlegten Kästchen vermehrt Spieler- und Spielleiterhinweise zu finden, welche aufzeigen, wie eben diese das jeweilige in ihrem Spiel nutzen können, also z.B. um Charaktere damit zu machen oder als Abenteueraufhänger. Hier zeigt sich auch, dass die Autoren völlig unterschiedliche Kampagnen im Hinterkopf haben: vielleicht eine Gruppe PALADIN-Agenten (eine Spezialeinheit), vielleicht eine Wirtschafts- und Handelskampagne (das Thema Steuern hat gar einen besonders langen Eintrag... z.B. eine Kampagne als Steuerfahnder).
Auf 6 Seiten stellt Kolonien & Kolonisten insgesamt 5 Völker aus den Kolonien vor. Nach der einführenden Seite wird jedes Volk mit ganzseitigem Bild gezeigt und in einer max. halbseitigen Infobox, welche ein paar Eigenarten (komplett ohne Regeln) vorstellen. Die Bilder sind ausreichend fremdartig, so dass sie zwar menschlich, aber doch anders wirken - die Einzelbilder finden sich zudem gebündelt auf dem Cover. Apropos, einige Bilder an anderer Stelle sind von istock.com erworben, aber sie passen wirklich gut rein. Abschluß dann 2 Seiten Kontakte, 8 NSCs mit allgemeiner Beschreibung (Söldner, Steuerfahnder, Barkeeper) und Statblocks, eigentlich die einzige Seite mit Regelelementen.
Fazit:
Für einen Ersteindruck des Settings ist das Buch gut gelungen, mir gefällt diese Art der Beschreibung gut, genug Ansatzpunkte, aber nie zu detailliert, ausufernd. Da es nahezu komplett ohne Regeln auskommt, zwängt es sich geradezu auf, mal mit nem anderen RPG bespielt zu werden, z.B. mit den ebenfalls kurzknackigen Starslayers-Regeln des Schnellstarters. Da hat es jedenfalls gute Chancen bei mir zu.
Eine Rezension von: Ingo 'Greifenklaue' Schulze https://greifenklaue.wordpress.com/