Hort der Verborgenen (Vampire)
Mit "Hort der Verborgenen"¸ dem ersten Quellenband zur "Zeit der Abrechnung"¸ läuten Feder & Schwert das von vielen Fans ebenso ersehnte wie gefürchtete Ende der World of Darkness ein. Das Buch spielt in den Letzten Nächten und dreht sich laut Klappentext um einen vergessenen Kult von Inconnu¸ jene Gruppe von uralten¸ mächtigen Vampiren¸ deren Intention eigentlich niemand so genau kennt und um die White Wolf immer ein großes Geheimnis gemacht hat. Hier sind wir bereits beim ersten Knackpunkt¸ doch dazu später.
Erst einmal zum Inhalt:
Das Buch handelt von einer Gruppe von 12 mächtigen Methusalems und Ahnen¸ die sich seit fast einem Jahrtausend auf einer Burg in den Karpaten befinden. Warum sie dort sind¸ ist ein Kernpunkt des Abenteuers und wird deshalb an dieser Stelle nicht verraten. Diese NSCs sind eine bunte Mischung aus verschiedenen Clans mit teilweise recht ungewöhnlichen Charakterkonzepten¸ wie z.B. der Ventrue-Thaumaturge. Die Spielercharaktere besuchen aus unterschiedlichen Gründen diese Burg¸ abhängig von ihrem Hintergrund¸ decken dort das schreckliche Geheimnis der zwölf Vampire auf und werden das Ganze hoffentlich halbwegs glimpflich überstehen... natürlich nur wenn sie großes Geschick beweisen oder einfach unverschämtes Glück (und davon sehr viel) haben...
Das eigentliche Abenteuer¸ welches eigentlich eher eine Ansammlung von Ideen und möglichen Handlungssträngen als einen kompletten Plot darstellt¸ kommt mit einem der vier Kapitel aus. Die restlichen Kapitel beschreiben die Vorgeschichte¸ die Burg Hunedoara in den Karpaten¸ auf die sich die 12 Inconnu zurückgezogen haben¸ sowie die Hintergrundgeschichten und Werte der NSCs.
Auch auf die Vorgeschichte und die Geschehnisse¸ die zu der gegenwärtigen Situation auf Hunedoara führten und damit den Hintergrund des Abenteuers bilden¸ werde ich hier nicht näher eingehen¸ um niemandem dem Spielspaß zu verderben. Nur soviel dazu: Die Vorgeschichte ist eigentlich recht interessant¸ jedoch in sich nicht immer logisch. Als Idee ist sie aber in Ordnung und überarbeitet durchaus auch vom Spielleiter zu nutzen.
Die Schilderung des Schlosses ist äußerst gelungen. Bis ins Detail schildern die Autoren die Umgebung inklusive jedes einzelnen Raums. Übersichtliche Karten helfen dem Spielleiter und seiner Truppe¸ sich zurechtzufinden.
Auch bei der Beschreibung der NSCs haben die Autoren sich viel Mühe gegeben. Jeder der zwölf Inconnu hat eine lange¸ ausführliche Hintergrundgeschichte¸ in der auch seine Motivation und seine Einstellung gegenüber den anderen Bewohnern des Schlosses deutlich werden. Die Hintergrundgeschichten sind teilweise sehr interessant und mit kreativen Ideen gespickt¸ wenngleich auch nicht immer glaubwürdig.
Die Charakterzeichnungen sind leider weniger gelungen. Die Bilder im Comic-Stil wirken hauptsächlich eher grotesk als beeindruckend.
Der Schreibstil der Autoren wirkt gekonnt und flüssig und beschert dem geneigten Leser einen angenehm zu lesenden Text.
Soweit die positiven Seiten des Buches. Kommen wir nun zur leider etwas länger ausfallenden Negativkritik.
Zuerst einmal der Punkt¸ der bei mir anfangs Unglauben¸ dann heftige Verärgerung auslöste: Die Inconnu sind keine Inconnu. Das Geheimnis um die mysteriöse Gruppe wird mitnichten wie im Klappentext fälschlicherweise angekündigt endlich gelüftet. Laut Buch haben sich die zwölf alten Vampire nur zufällig Inconnu genannt¸ haben mit dieser Gruppierung in Wirklichkeit aber überhaupt nichts zu tun... Meiner Meinung nach einfach nur enttäuschend.
Auch der Zusammenhang mit Gehenna¸ den ein Quellenbuch zur "Zeit der Abrechnung" eigentlich aufweisen sollte¸ erschließt sich mir nicht¸ wenn man mal von der zeitlichen Einordnung sowie dem Auftauchen eines eigentlich reichlich überflüssigen "Special Guest" absieht und davon¸ dass ab und zu einige für die Plotline völlig irrelevante Gimmicks wie das Sichten des Roten Sterns eingeschoben werden können.
Zu diesen größeren Ärgernissen kommen noch einige Kleinigkeiten wie Schilderungen von Handlungen der NSCs¸ wie sie unpassender und alberner nicht sein könnten. Diese sind teilweise so blöd¸ dass sie schon wieder lustig sind... mittlerweile Gesprächsstoff zahlreicher langweiliger Abende unter Rollenspielern. Nach einigen dieser Beschreibungen kam mir eine böse Idee: Die Ursache für den Untergang der World of Darkness könnte eine riesige Flutwelle sein - alle Koldunen und Thaumaturgen der Welt haben gleichzeitig in einem riesigen Ritual versucht¸ ihre Wasserbetten aufzufüllen! (Oder haben sie doch nur ihre Haartrockner benutzt?...)
Das Abenteuer an sich ist ebenfalls nicht sonderlich gelungen. Es hat ein Machtlevel jenseits von Gut und Böse - schließlich handelt es sich bei den NSCs auch um 9 uralte Methusalems und 3 Ahnen von mindestens 500 Jahren - und lässt jeden Spielercharakter aussehen wie ein unfähiges Kind. Die SCs werden sich sehr schwer tun¸ diese Begegnung auch nur zu überleben¸ geschweige denn noch irgendeinen Vorteil für sich daraus zu ziehen. Die einzige Alternativlösung¸ die angeboten wird¸ wenn die Spieler (was wirklich sehr wahrscheinlich ist) völlig versagen und der Spielleiter nicht die gesamte Gruppe auf einmal verlieren möchte¸ läuft auf eine Art Deus ex machina hinaus. So etwas ist eigentlich immer äußerst unbefriedigend für die Spieler. Davon abgesehen ist der Plot wie oben schon angedeutet kein richtiger Plot¸ sondern eher eine Ansammlung von losen Fäden und bedarf einer Menge Arbeit von Seiten des Spielleiters¸ um überhaupt spielbar gemacht zu werden. Und selbst wenn dies geschehen ist - für einen unerfahrenen Spielleiter eigentlich fast schon ein Ding der Unmöglichkeit- ist der Plot immer noch dünn. Außer der Interaktion mit den übermächtigen NSCs bietet dieses Abenteuer äußert wenig für die Spieler. Hier kommt zumindest bei mir der starke Verdacht auf¸ dass die Autoren sich doch arg in ihre eigenen Charaktere verliebt haben und die Spieler eher als schmückendes Beiwerk in diesem Spiel sehen¸ anstatt ihnen wirklich spannende und wichtige Rollen zuzugestehen.
Insgesamt kann man sagen¸ dass "Hort der Verborgenen" einigermaßen zu gebrauchen ist¸ wenn man es nicht als Abenteuer¸ sondern als "Burgbuch" sieht. Damit meine ich einen Quellenband im Sinne eines Städtebuchs¸ nur dass hier eben lediglich eine einzelne Burg mit Bewohnern und nicht eine gesamte Stadt beschrieben wird. Als reine Ansammlung von Ort-Beschreibungen und NSCs ist dieses Buch in Ordnung¸ gesetzt den Fall der Spielleiter fährt ein High-Power-Spiel mit sehr mächtigen SCs oder aber die Spieler können sich damit abfinden¸ gegen keinen der NSCs etwas ausrichten zu können (letzteres bezweifle ich jetzt mal)
Als Abenteuer und Quellenmaterial zur "Zeit der Abrechnung" ist "Hort der Verborgenen" jedoch leider äußerst schwach und lässt hoffen¸ dass die weiteren Quellenbände würdigere letzte Publikationen der WoD sein werden
Eine Rezension von: Maja