State of the Art 2064.01D
Inhalt
"The Shadows Never Stop" heißt es auf dem Backcover der englischen Ausgabe. Ein wirklich passender Spruch für die neue Ausgabe vom State Of The Art¸ dass vor allem wegen der neuen Adeptenkräfte für Aufsehen sorgte¸ sind für diese Jungs doch seit dem Schattenzauber keine neuen Kräfte mehr erschienen.
Los geht es aber mit einem Kapitel über Spionage anno 2064. Wie hat sich die Welt von James Bond & Co. in Zeiten von Satelliten und Magie verändert? Nachdem die drei Felder der Spionage vorgestellt wurden¸ gibt es einen Überblick über die großen Spieler und Arbeitsmethoden. Tips zum Leiten einer Spionagekampagne runden das Kapitel ab.
Dann kommt das Kapitel¸ welches ich persönlich mit Spannung erwartet habe: ein Update für Adepten. Zu Beginn werden verschiedene Pfade vorgestellt¸ denen Adepten folgen können. Teilweise schon im Schattenzauber angerissen (Pfad des Kriegers)¸ gibt es auch neue interessante Pfade für Adepten. Und natürlich neue Kräfte¸ die Adepten noch vielseitiger machen und sicher für viel Diskussionsstoff sorgen werden. So können Adepten jetzt auch technische Fertigkeiten steigern und im sozialen Bereich jede Menge Boni sammeln.
Lone Star spielt eine wichtige Rolle in jeder SR-Runde¸ steht der Polizeikonzern doch stellvertretend für das Gesetz und ist meist einer der Hauptgegner von Runnern. Nachdem das Quellenbuch über Lone Star schon lange vergriffen ist¸ wurde es Zeit für ein Update über den Aufbau einer Polizei¸ ihrer Rechte und ihrer Aufgaben. Ein Ausblick zum Leben hinter Gittern rundet das Kapitel ab.
Als nächsten Thema ist die Magie dran und da vor allem die europäische¸ die sich vor allem dadurch von der amerikanischen unterscheidet¸ dass es deutlich weniger Schamanen gibt und dafür Druiden und Hexen eine größere Rolle spielen. Zu diesen Traditionen gibt es Hintergrundinfo¸ genau wie zu vielen anderen auch. Zusätzlich wird die Welt der Hermetiker noch durcheinander gebracht¸ denn auch sie können sich nun für eine hermetische Ausrichtung entscheiden¸ die ähnlich wie ein Totem Boni und Mali bringt.
Traditionell (so man bei zwei Büchern schon von Tradition sprechen kann) läutet der "Kulturschock" das Ende des Buches ein. Dieses Mal haben die Autoren in die Vollen gegriffen und eine Verbindung zu Earthdawn wieder aktiviert: die Orks haben dank Dunkelzahn ihre alte Sprache wieder entdeckt¸ das Or'zet. Somit sind die Elfen nicht mehr die Einzigen mit einer magischen Sprache. Wozu das führt¸ wird in diesem Kapitel angesprochen¸ wobei man deutlich merkt¸ dass sich die Autoren vom Rapper-Krieg Anfang der 90er Jahre inspirieren ließen. Dazu kommen noch die beliebten Top 10-listen (der Shadowruns¸ heißesten Plätze usw.)¸ ein Update über Sport¸ Konzern-Yuppies und ihre Probleme und vieles mehr.
Aufmachung
Shadowrun scheint wieder back to Basics zu gehen und die dunkleren Aspekte der Welt betonen zu wollen. Jedenfalls machen viele Illustrationen den Eindruck¸ angefangen beim Cover und den meisten Zeichnungen im Innenteil. Es gibt zwar auch einige comic-artige Ausreißer (wie das Backcover)¸ aber die passen auch noch. Das einzige Bild¸ das mir persönlich gar nicht gefällt¸ ist der falsch spielende Ork auf Seite 143. Das hat was von "Das 6. Element"¸ aber nichts von Shadowrun. Ein Aussetzer lässt sich aber verschmerzen¸ vor allem wenn der Rest der Illus einen so hohen Standard hat wie in diesem Buch.
Die Spielleiterinformationen ans Ende eines jeden Kapitels zu packen war eine gute Entscheidung und trägt viel zur Übersichtlichkeit. Ich hätte mir aber noch einen Index am Ende des Buches gewünscht.
Was mir aber gar nicht gefallen hat¸ ist die schlampige Übersetzung. Durch das gesamte Buch zieht es sich wie ein roter Faden. Da werden Sätze wie "if they have a licence […] if they don't have a licence" mit "Wenn sie keine Lizenz haben […] wenn sie keine Lizenz haben" übersetzt¸ was dem Sinn schon ziemlich zuwider läuft (Seite 73). Der größte Klopper ist aber die Übersetzung von "Track & Field" mit "Bahn- und Feldrennen" (Seite 167). Da blieb mir echt die Spucke weg! Jedes billige Wörterbuch hat für "Track & Field" die Übersetzung "Leichtathletik" parat. Das sind nur zwei Beispiele in einem an solchen nicht armen Buch. Ganz schwaches Niveau und meiner Meinung nach einer der schlechtesten Übersetzungen¸ die für Shadowrun jemals rauskamen.
Fazit:
Inhaltlich ist SOTA: 2064 echt top. Das Kapitel über Spionage bietet eine Fülle von Kampagnenanregungen und beleuchtet einen Aspekt¸ der bisher im SR-Universum viel zu kurz gekommen ist. Die neue Adeptenkräfte sind teilweise gelungen¸ teilweise auch einfach überpowered. Adepten können nach Lektüre dieses Buches einfach alles - außer Decken. Da sind für meinen Geschmack ein paar Kräfte zuviel¸ vor allem die Rolle des "Face" wird nun um einiges besser von einem Adepten als von einem Mundanen übernommen werden können. Einige sehr stylische Kräfte wie Wandlauf bringen "Tiger & Dragon"-Feeling in die SR-Welt und lassen Adepten noch mystischer wirken. Die neuen Metatechniken und Wege (inklusive Regeln) sind gelungen und spielbar.
Das Update über Polizeikonzerne war ebenfalls schon lange fällig¸ vor allem seitdem das Lone Star-Sourcebook vergriffen ist. Das Kapitel gibt dem Spielleiter viel Material an die Hand¸ mit dem er die Cops nicht wie hirnlose Gegner agieren lässt¸ sondern die Polizei in all ihren Facetten lebendig werden lässt.
Mit der europäischen Magie stehe ich ein wenig auf Kriegsfu߸ ich kann weder mit Hexen/Wicca noch mit Druiden sonderlich viel anfangen. Das Kapitel gibt einen guten Einblick in die europäische Magie und gerade die verschiedenen Hermetiker-Schulen haben mir gut gefallen.
Kulturschock ist wie schon beim SOTA: 2063 das genialste Kapitel und kann mit der Orxploitation einen echten Knaller verbuchen. Orks aller Länder¸ vereinigt euch! Seit stolz auf euer Erbe! Endlich haben nicht nur die unsterblichen Nazi-Elfen ihre eigene Sprache¸ sondern auch die Ork-Massen. Sehr schön. Und die Verbindung zu Earthdawn gefällt mir als alter ED-Junkie natürlich besonders. Die diversen Top 10-Listen sind unterhaltsam und bieten eine Fülle an Runideen.
SOTA: 2064 lohnt sich meiner Meinung nach für jede SR-Spielrunde¸ allein schon wegen der Kapitel über die Polizei und die neuen Adeptenkräfte. Nur die Übersetzung ist ein echter Schmerz im Arsch. Wenn möglich¸ würde ich auf die englische Ausgabe zurückgreifen.
Eine Rezension von: Lars Heitmann