SR 069: Feuerzauber
Wenn Kyron auf eine Sache stolz ist¸ dann darauf¸ daß er ein waschechter und knallharter Shadowrunner ist. Zwischen Alkoholexzessen und One-Night-Stands¸ versucht er sein Stück vom Glück im Wettbüro zu ergattern - oder treibt sich für zwielichtige Auftraggeber in den Schatten herum¸ um notgedrungen das Geld für seine Hobbies zu verdienen.
In Feuerzauber lernt der Leser Kyron nicht gerade von seiner besten Seite kennen: mit seinen 30 Jahren gehört er schon zum Seniorenstamm in den Schatten. Seine Begeisterung für todesmutige Aktionen ist stark gesunken¸ doch hohe Schulden und reichlich vorhandene Feinde halten ihn in Bewegung.
Das Kyron noch keiner den Garaus gemacht hat¸ liegt an seiner zynischen Art¸ mit der er sich Leute emotional auf Distanz hält¸ seiner Paranoia¸ die auf reichlich Erfahrung in den Schatten beruht und nicht zuletzt auf einem Arsenal an Bioimplantaten¸ die seinem unscheinbaren Körper den entscheidenden Vorteil im Kampf verschaffen.
Da Kyron kein festes Team hat aber einen lästigen Schuldner im Rücken¸ läßt er sich von seinem Kontakt in einen Run mit hohem Risiko und hoher Bezahlung vermitteln. Die Extraktion von Daten aus einem Hochsicherheits-Archiv verläuft trotz vieler Hindernisse und einem nur wenig aufeinander abgestimmten Team relativ reibungslos.
Doch einer der Runner beginnt¸ sein eigenes Spiel zu spielen und verschwindet mit den Daten - nicht ohne den Versuch das Team auszulöschen und einen der Runner zu töten.
Zusammen mit der Hexe Marie und dem Decker KI macht sich Kyron auf die Jagd nach den Daten und wird immer tiefer in einen Konflikt verwickelt¸ der schließlich in einem "Feuerzauber" enden soll.
Ich glaube man kann Andre Wiesler langsam als meisterlichen Autor des True Cyberpunks einordnen. Viele Autoren neigen dazu (Shadow-)Runner zu altruistischen Superhelden zu stilisieren¸ die Runs planen und mit einem Selbstverständnis durchziehen¸ wie normale Leute ihre Aktiengeschäfte oder den Einkauf im Supermarkt.
Wer allerdings Romane/Filme wie Neuromancer und Bladerunner verschlungen hat¸ wei߸ daß der Wahre Cyberpunk dreckig und lebensverneinend ist und von einer Gesellschaft und den Menschen darin handelt¸ die permanent ganz nah am Abgrund wandeln.
Schon wegen einiger Kampfsequenzen und Dialoge würde ich Feuerzauber erst Lesern ab 16 Jahren empfehlen¸ denn der Autor nimmt selten ein Blatt vor den Mund oder romantisiert Szenen¸ die man auch im knallharten Licht einer Leuchtstoffröhre darstellen kann.
Technisches
Wie so oft ist das Lektorat auch bei Feuerzauber gut aber nicht ohne Tadel.
Vom Handlungsfaden her ist der Roman sehr abwechslungsreich und nicht unbedingt vorhersehbar. Leider sorgen die Hakenschläge in der Geschichte aber auch dafür¸ daß der Spannungsbogen nicht ganz so optimal verläuft und so sollte sich der Leser statt auf einen "Big Bang" lieber auf mehrere kleinere Spitzen einstellen.
Fazit:
Der erste Teil des Romans hat mir handlungstechnisch wesentlich besser gefallen als der Rest¸ wo Kyron viel von seinem anfänglichen kranken Charme verliert¸ den er als Ausgestoßener unter Ausgestoßenen mühsam aufrecht erhält und dabei den Tanz auf der Klippe geradezu zelebriert. Man darf dem Autor hoch anrechnen¸ daß er den Hintergrund seiner Akteure scheinbar detailreich ausgearbeitet hat - bzw. man als Leser den Eindruck hat¸ daß die Figuren mehr zu bieten haben¸ als ihnen der kurze Auftritt in der Geschichte zu zeigen erlaubt.
Insgesamt ein überdurchschnittlicher Roman mit einem durchschnittlichen Ende. In jedem Fall aber eine Kaufempfehlung für alle Fans des unpolierten Cyberpunk-Genres.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de