SR 046: Nachtstreife
Jörg wird dabei getötet¸ während Gerd wenig später irgendwo erwacht¸ sich an nichts erinnern kann und eine Art Odyssee durch die Nacht beginnt¸ auf der er die Straßenmagierin Vivien trifft. Im späteren Verlauf des Romans werden Vivien und Gerd¸ der zuerst Oblivion¸ dann John Doe hieß und jetzt den Straßennamen Phönix trägt¸ im Zuge eines Runs per Schwebepanzer in den Kirchenstaat Westphalen geschmuggelt¸ vonwoaus sie eine Person nach Nordrhein-Ruhr schmuggeln sollen. Bei der Grenzüberquerung erlebt man ein starkes Déjá-Vu¸ hat man doch tatsächlich als Leser das Gefühl¸ man hätte es nicht mit der Grenze zwischen zwei deutschen Staaten¸ sondern mit der zwischen Aztlan und der CAS zu tun und lese die deutsche Version einer Szene aus Tom Dowds Spielball der Nacht.
Wieder zurück im Hauptquartier ihres Auftraggebers¸ der ein Nosferatu ist¸ erfährt Gerd¸ daß ihr Auftraggeber Gerds Erschaffer getötet hat¸ weil dieser den Vampiren die unerwünschte Aufmerksamkeit des Gesetzes und einiger Konzerne beschert hat.
Shadowrun : Die Maskerade? Der Leser kann der Geschichte stellenweise nur sehr schwer folgen¸ da die Zusammenhänge unklar sind.
Manche Szenen¸ insbesondere Kampfszenen¸ sind dank langatmiger Sätze und unklarer Beschreibungen so unübersichtlich¸ daß man auch hier nur schwer - manchmal sogar überhaupt nicht - dem Geschehen folgen kann. Die langatmigen¸ durch Komma getrennten Satzkonstruktionen sind es schließlich auch¸ die eine Form von Spannung gar nicht erst aufkommen lassen. Die ganzen Grammatik-¸ Satzbau-¸ Wortwahl-¸ Kommata- und Tippfehler sind einfach nur grauenvoll und werfen die Frage auf¸ ob hier überhaupt ein ernsthaftes Lektorat stattgefunden hat.
Dazu gesellen sich ab und zu richtige Schoten-Sätze¸ Formulierungen oder Ausdrücke¸ bei denen man nur den Kopf schütteln kann. Wie folgendes Beispiel: Die Stimme seines Kollegen war nur noch ein entsetztes Stammeln¸ und noch bevor er das letzte Wort zuende gesprochen hatte¸ machte Jörg auf den Absätzen kehrt und war schon wieder zum Auto unterwegs. (aus: Lippold¸ Björn: Nachtstreife; Erkrath 1999). Jeder¸ der schon mal versucht hat¸ auf seinen Absätzen kehrt zu machen¸ wird wissen¸ worum es geht. Der Text hält noch viele andere Beispiele bereit. Die Charaktere reden viel und oft um die Dinge herum¸ um die es eigentlich geht. Anstatt die Charaktere durch ihre Worte und Taten darzustellen tauchen immer wieder Stellen auf¸ an denen auch der letzte Rest des Geschehens dem Leser praktisch vorgekaut wird. Derartige Stellen lesen sich mitunter wie der Versuch einer psychologischen Beurteilung der Charaktere und ihres Verhältnisses zueinander¸ ganz so als wäre man hier bei einer Familienberatung. Dem Leser wird nirgendwo Raum für eigene Gedanken zu den Charakteren oder der Handlung gegeben.
Diese Art der Bevormundung macht das Lesen nur noch langweiliger und nimmt auch noch den letzten Rest Spaß. Die Geschichte selbst hat bereits zur Mitte des Romans Lücken aufzuweisen¸ die das weitere Vorgehen der Charaktere sinnlos erscheinen lassen. So hat der Hauptcharakter Amnesie und versucht den ganzen Roman über verzweifelt¸ einen Hinweis auf seine Identität zu finden. Dabei wird der wichtige Hinweis¸ daß sein Bild (wahrscheinlich mit Name¸ da er offiziell vermißt wird) in den Medien zu sehen war¸ zuerst nur ganz kurz erwähnt. Obwohl der Hauptcharakter später in der Geschichte uneingeschränkten Zugang zu den Nachrichten und der Matrix hat¸ wird diese wichtige Spur¸ die jede weitere Suche überflüssig machen könnte¸ ignoriert¸ damit die Suche weitergehen kann. Auch kommt der Hauptcharakter¸ der seitenlang über seine Situation nachdenkt und nicht weiterkommt¸ nicht auf die Idee¸ sich einmal die offizielle Vermißtenliste anzusehen¸ auf der er als verschwundener Polizist wahrscheinlich auch auftauchen würde. Das Problem des Romans ist gewissermaßen¸ das das Problem des Hauptcharakters bei weitem nicht so unlösbar ist¸ wie der Autor es dem Leser zu erzählen versucht. Zu den Charakteren im allgemeinen sei noch angemerkt¸ daß man beim näheren Hinsehen keinem von ihnen den professionellen Schattenläufer abnimmt¸ auch wenn sie das offensichtlich sein sollen.
Tatsächlich jedoch verhalten sie sich oft alles andere als professionell. Die Geschichte insgesamt ist nur als dünn zu bezeichnen und die bereits oben kurz angesprochenen¸ seitenlangen und unerträglichen Abhandlungen im besten Wochentag-Vormittag-Talkshow-Stil vernichten geradezu jeglichen Lesespaß. Zudem hat Nachtstreife weder Spannung noch Humor. An manchen Stellen hingegen werden ganz einfach Dinge aus Vampire : Die Maskerade geklaut¸ leicht abgewandelt und eingebaut - auch wenn das Geklaute gar nicht in die Welt des Shadowrun paßt. So gibt es plötzlich auch für Shadowrun-Vampire einen Erschaffer (Vampire: Die Maskerade: einen Erzeuger)¸ eine Verbindung zwischen Vampir und Kind (wie das Blutsband) und eine Abneigung anderer Vampire gegen solche¸ die keinen Erzeuger - Pardon - Erschaffer haben. Das Tier im Inneren sowie diverse andere Dinge gibt es (natürlich) auch für Shadowrun-Vampire. Auch in Nachtstreife spielt der Autor mit Symbolen¸ um sie auf dann auf eine Weise zu interpretieren¸ die man nur als suspekt bezeichnen kann. Die guten Ansätze sind verschwindend gering. Viele Dinge in "Nachtstreife" stimmen genau mit der Fanpro Linie überein¸ obwohl es dem Roman sicherlich gut getan hätte¸ wenn der Autor ein bißchen Eigeninitiative gezeigt und es dem Leser erspart hätte¸ etwas über Schmuggler in Schwebepanzern lesen zu müssen¸ die zwischen Nordrhein-Ruhr und Westphalen herumdüsen¸ was bei der dichten Besiedlung und dem unauffälligen und vor allem leisen DÜSENANTRIEB eines VECTOR-SCHUBPANZERS wohl ungefähr so unauffällig sein dürfte wie ein Taxifahrer¸ der seine Fahrgäste mit einem 60 Tonnen Leopard II Kampfpanzer durch die Innenstadt von Düsseldorf befördert (Taxischild drauf und fertig ?). Von den insgesamt sieben amerikanischen Schmugglerrouten¸ die in Target: Smuggler Havens ausführlich beschrieben werden (alle spin-offs mitgerechnet)¸ sind nur ganze drei für Vectorschubmaschinen geeignet. Allen drei Routen ist gemein¸ daß sie durch dünn besiedelte Gebiete und Wüsten führen. Man sollte vielleicht doch besser die amerikanischen Quellenbücher lesen¸ bevor man aus ihnen klaut¸ denn LAVs eignen sich nun einmal nicht für dichtbesiedeltes Gebiet. Punkt.
Nachtstreife ist eine Enttäuschung auf der ganzen Linie und daher nicht empfehlenswert. Wie ein solches "Werk" für Shadowrun veröffentlicht werden konnte¸ ist unbegreiflich und wahrscheinlich nur auf Björn Lippolds Freunde bei Fanpro zurückzuführen. Schade.
Eine Rezension von: Christian Boisten http://www.merkur-spiele.de