Brennpunkt: Matrix
Rob Boyle¸ der Autor der auc wesentlich zum Matrix-Quellenband beigetragen hat¸ legt mit dem vorliegenden Brennpunkt: Matrix eine Reihe von Informationen nach¸ die sich eher an den Spielleiter denn an den Spieler wenden¸ da sie haufenweise Abenteuerideen liefern. Während sich der Matrix-Quellenband (bis auf Ausnahmen) zur Vorlage für die Spieler eignet¸ gehören die Bände der Brennpunkt-Serie eher unter Verschluß. Natürlich betonen die Autoren immer¸ wie ungenau die entahltenen Angaben bzw. Gerüchte sind¸ aber welcher Spielleiter will gerne den "Kennen wir schon..."-Blick eines Spielers sehen und gezwungen sein¸ sich wieder etwas Neues einfallen lassen zu müssen.
Nach den obligatorischen Dingen¸ wie dem Inhaltsverzeichnis und der Einleitung¸ folgen Kapitel zu den Themen Gitter¸ Data Havens¸ Seattle Online¸ Hosts¸ Personas¸ Organisationen¸ Forum: Matrix-Anomalien¸ Die Matrix in der ADL und extra separierten Spielleiterinformationen.
Kapitel 1: Gitter beschäftigt sich mit den offenen "Reichen" der Matrix¸ d.h. ein loser Verbund hunderter Hosts¸ der sich jedoch durch eine gemeinsame Cyberkultur auszeichnet. Jedes Element (Host) eines Gitters enthält wiederum ein eigenes kleines "Reich"¸ daß sich je nach Eigentümer (z.B. ein Konzern oder eine Privatperson) deutlich vom umgebenden Reich unterscheiden kann. Auch sind diese Unterreiche natürlich nicht immer offen zugänglich - auch wenn erfahrene Hacker da anders Denken...
Das Kapitel stellt neun verschiedene Gitter vor¸ die sich merklich unterscheiden und exemplarisch für ähnliche Gitte angesehen werden können. Neben reichlich "Schatten-Gequatsche"¸ gibt es allgemeine Informationen¸ eine Sicherheitseinstufung und eine Beschreibung des Zugangs und Informationen zur zugrunde liegenden Hardware bzw. Architektur. Die Autoren halten sich bei diesen Angaben jedoch nicht an festes Schema und definieren in jedem Gitter ihre eigenen Kernpunkte¸ was die Sache nicht eben übersichtlicher macht (15 S.).
Data Havens (Kapitel 2) sind oft hoch gesicherte Archive¸ die für ihre (meist anarchische) Zielgruppe relevante Informationen sammeln. Ein Beispiel dafür ist das in allen SR-Quellenbänden auftauchende "Shadowland Seattle" - ein beliebter Ort für brisante Informationen aus den Schatten¸ der vor allem von Runnern frequentiert wird. Anders als gewöhnliche Hosts führen DH eine möglichst verdeckte Existenz und wechseln häufig ihren Standort und ihre Zugangsdaten. Nur wer weiß wonach er suchen muß und entsprechende Fertigkeiten besitzt¸ wird einen DH finden und ihn betreten können.
Das Kapitel beschreibt exemplarisch 8 Data Havens¸ allen voran die Schattenmatrix "Shadowland". Die Infos gliedern sich in Interessenbereiche¸ Leistungen und Dienste¸ dem Aufbau¸ besonders wichtigen Informationen und natürlich dem Zugang (38).
Seattle ist der Hauptschauplatz des englischen Shadowrun-Originals. Keines sollte daher verwundert sein¸ daß dem virtuellen Pendant von Seattle ein eigenes¸ wenn auch kurzes¸ Kapitel (3) gewidmet wird (11 S.).
Neben einem allgemeinen Eindruck¸ den der gemeine Einwohner oder auch Durchreisende gewinnen mu߸ gibt es Infos zu den lokalen Gittern¸ den wichtigsten Hosts¸ samt Gerüchten über die Besitzer¸ deren Gebaren im Umgang mit "Besuchern" und möglichen Inhalten. Die hier gelieferten Informationen ähneln denen aus dem Kapitel Data Havens - verbinden also ungeniert offensichtliche Fakten mit in Frage gestellten Informationen und sehr subjektiven Shadowtalk.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit Hosts¸ also virtuellen Konstrukten. Ein Host entspricht einem einzelnen Rechner (oder mehreren im Hintergrund vernetzten Rechnern)¸ der ein mehr oder weniger öffentlich zugängliches Matrix-Angebot präsentiert. Dies kann z.B. eine (kostenpflichtige) Informationsquelle¸ ein Online-Shop¸ ein virtuelles Museum oder ähnliches sein.
Beispielhaft werden Hosts zu verschiedenen Themen vorgestellt¸ z.B. Hacker House (eher illegaler Tummelpunkt für Hacker)¸ Lone Star¸ Malaysian Independent Bank¸ People's University¸ Zürich-Orbital (was für eine Festung...)¸ Matrix-Clubs¸ -Spiele und -Bordelle (z.B. ein Edel-Club für Anime-Freaks). Ingesamt eine ansprechend breite Palette.
Um den ganzen Konstrukten ein wenig Leben einzuhauchen¸ werden auch Personas (Decker-NSCs) vorgestellt¸ denen ein Spielercharakter begegnen oder mit denen er kooperieren kann. Das Spektrum reicht vom Auftragskiller über Programmierer¸ Hacker¸ Hehler und Daten-Detektiv bis zum Sicherheits-Experten. Neben reichlich Shadowtalk gibt es - neben einer längeren Beschreibung - wage Informationen zur Nationalität¸ dem Operationsbereich und Psychologischen Merkmalen. Natürlich darf eine Illustration der Persona nicht fehlen.
Die vorgestellten Decker sind allesamt recht exotisch und verfügen meist über eine ebenso ausgefallene Lebensgeschichte.
Personen finden sich häufig in Organisationen zusammen - und denen ist das sechste Kapitel gewidmet. Unter den vorgestellten Vereinigungen sind die Corporate Court Matrix Authority¸ die Grid Overwatch Division¸ Dead Deckers Society¸ die Börse¸ die Schockwellenreiter und allgemeine Informationen über Matrix-Gangs. Infotexte und Shadowtalk beschäftigen sich mit der Gründung¸ den Aktivitäten und deren öffentliches Bild.
Das Forum: Anomalien besteht nur aus Shadowtalk. Entsprechend locker laufen hier Informationen zusammen¸ wie Gerüchte über verdammt außergewöhnliche Hosts¸ IC oder KI's.
Speziell für die deutsche Ausgabe wurden aktuelle Informationen über die Allianz Deutscher Länder (ADL) eingebettet. Der Rundumschlag behandelt die Matrix-Topographie¸ Provider und Betreiber¸ allgemeine Sicherheitsmaßnahmen (staatlich und privat) und Shadowtalk zum Thema Matrix-Religionen.
Am Ende des Bandes gibt es noch ein Kapitel mit komprimierten Spielleiterinformationen. Hier gibt es Hinweise zum Einsatz des Bandes im Spiel. Kampagnenrelevante Insiderinfos über die Ambitionen einiger Organisationen und Informationen öffentlich nicht ganz so bekannter Konstrukte. Auch zu den Persona gibt es spieltechnisch relevante Zusatzinfiormationen.
Den Abschluß bilden Tabellen mit den Schwellwerten der Sicherheitsmechanismen der besprochenen Gitter und Hosts.
Technisches
Der Band kann durch gute Illustrationen und spritzige Texte überzeugen. Ein großer Teil der Texte ist - dem Konzept des Shadowtalk gerecht - entsprechend flappsig¸ was die Vermittlung ansonsten vielleicht trockener Informationen wesentlich erleichtert.
Ein wenig nervig sind die "Experimente" mit Schriftgrößen und Breitestauchung der Buchstaben bei den verschiedenen Textsorten Kapitelsstart gro߸ Texte normal und Shadowtalk gestaucht).
Ansonsten kann ich FanPro nur raten¸ dem Lektor mal einen Tritt in den Allerwertesten zu geben und darauf hinzuweisen¸ daß man "wenn" mit zwei "n" schreibt. Außerdem soll er sich in Zukunft von etwas anderem Ernähren¸ als Leerzeichen aus dem Text zu klauen.
Fazit:
Für Spielrunden¸ die einen Decker in der Gruppe haben¸ ist der vorliegende Band in jedem Fall die Anschaffung wert. Die Texte sind lesenswert auch wenn man bei dem hohen Anteil an Shadowtalk (der für die Brennpunkte-Serie typisch ist) mit geringer Redundanz (Wiederholung von Informationen und Widersprüche) rechnen mu߸ können sowohl Organisationen wie auch die Persona¸ jeder Spielgruppe das Leben gewaltig erleichtern und bereichern - oder natürlich auch richtig zur Hölle machen. Der Band ist von vorn bis hinten eine einzige Sammlung von Anregungen und Abenteuerideen.
Für mich ein gelungener Band¸ dessen Eindruck nur durch das Rumgespiele mit den Schriftarten und die Rechtschreibfehler etwas gedämpft wird.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de