Auftraggeber-Handbuch
Inhalt
Im "Auftraggeber-Handbuch" findet der Shadowrun-SL alles¸ was das Herz begehrt: vom Aufbau eines typischen Shadowruns über einen Haufen neuer Connections und Locations bis zu vielen Abenteuerideen. Alles Dinge¸ von denen man nicht genug haben kann.
Los geht's mit einem Kapitel¸ das sich ganz klar an Einsteiger in die sechste Welt richtet: der Aufbau und Ablauf eines Shadowruns¸ genauestens erklärt in allen Schritten. Also von der Motivation und Hintergrundgeschichte eines Johnsons über das Auswählen des Teams (= der Charaktere) bis zum Treffen mit der Gehaltsverhandlung wird der Bogen zum Ablauf des Runs geschlagen. Der Run selbst ist in Beinarbeit¸ Beobachtung und Action unterteilt¸ was ja eben der normale Verlauf ist. Nach dem Run kommt dann noch die Übergabe und fertig. Das mag für alte Hasen hinterm Spielleiterschirm nichts neues sein¸ aber ich denke dass grade Anfänger ein solches Beispiel gut gebrauchen können. Nur an den vorgeschlagenen Bezahlungen sollten sie nicht orientieren¸ die sind arg niedrig. Begleitet wird das Kapitel von einer netten In Charakter-Story¸ in der die einzelnen Phasen quasi In-Time umgesetzt wurden. So ein Kapitel hätte ich mir in meiner Anfangszeit auch gewünscht!
Im folgenden Kapitel werden mehr als 60 neue Connections vorgestellt¸ unterteilt in Bereiche wie Sicherheit¸ Medien¸ Straße etc. In jeder Kategorie werden drei Connections näher beleuchtet (Motivation¸ Zitate¸ Ausrüstung) und einige mehr kurz angerissen. Was soll man da groß sagen? Je mehr Anregungen man für Connections hat¸ desto besser. Da sind einige skurrille bei¸ wie der Ghul¸ die zwar in die Welt von Shadowrun passen¸ aber bisher kaum mit den Spielern in Interaktion treten. Und wer den dunklen Aspekt der sechsten Welt stärker betonen will¸ findet mit dem Strassen-Dealer¸ dem verrückten Squatter oder der Prostituierten einige Anregungen.
Ähnliches gilt für die Locations¸ die im nächsten Kapitel vorgestellt werden. Verschiedene Bereiche der Stadt wurden herausgepickt und mit je drei Beispielen versehen. Da gibt es Wohngegenden¸ eine typische Straße¸ Nachtclubs¸ Lagerhallen und vieles mehr. Diese Beispiele lassen sich ohne weiteres nutzen und mit ein wenig Modifikation immer wieder neu variieren und so immer wieder verwenden. Das einzige Manko ist das Fehlen von Bodenplänen¸ wie es sie mal im "Sprawl Sites" gab. Die gibt es aber auf der offiziellen deutschen Shadowrun-Seite.
Aller guten Dinge sind drei¸ also folgt auf Connections und Locations noch die Gelegenheit¸ diese auch in das Spiel einzubauen: Abenteuerideen. Wie schon in den beiden vorangegangenen Kapiteln werden hier eine Menge Ideen angerissen und dem Spielleiter so Denkanstöße gegeben¸ allerdings sind die Runs schon ziemlich ausgearbeitet und z.B. die NSCs genauer vorgestellt. Man kann (und sollte) diese Ideen aber nutzen und weiter ausbauen und in eine Kampagne einfügen (oder als Aufhänger für eine solche nutzen)¸ da so die Welt von Shadowrun realer wird als bei einer Folge loser Runs ohne wirklichen roten Faden.
Was fehlt noch? Richtig¸ die guten alten Zufallsbegegnungen. Hier kann der SL eben fix auswürfeln¸ auf was für schräge Vögel die Chars treffen können - vom SpecOp-Team eines Konzerns bis zu einem Prominenten ist alles dabei.
Die ultimative Tabelle kommt aber danach: Runs auswürfeln! Wem partout gar nichts einfällt¸ kann einen Run damit auswürfeln und die Würfel alles bestimmen lassen. Auftragsart¸ Zielort¸ Bezahlung¸ Verhalten des Johnsons und vieles weitere sind dem Zufall überlassen. Ob da so sinnvolle Aufträge rauskommen¸ sei mal dahingestellt¸ aber witzig ist die Idee auf jeden Fall.
Zum Schluss gibt es noch Regeln für Low- wie High-Power-Kampagnen¸ wobei erstere waren schon von der deutschen Shadowrun-Seite bekannt waren.
Dann gibt es die Seiten¸ auf die ich am meisten gespannt war: vereinfachte Regeln für Decker und Rigger. Mal ehrlich¸ mittlerweile sind beide ein echter Schmerz im Arsch oder auch die achte Plage Gottes. Das mal einfachere Regeln her mussten¸ war klar und wurde Zeit. Beim Decker wurde das gut gelöst und das Eindringen in fremde System meiner Meinung nach ziemlich flüssig gestaltet und die Würfelei deutlich reduziert (der Hackingpool dient z.B. jetzt dazu¸ IC zu unterdrücken oder sich Erfolge zu kaufen). Die neuen Rigger-Regeln beziehen sich nur auf den Kampf und sind ein echter Fortschritt - aber schlimmer konnte es ja eh nicht mehr werden. Wer schon mal versucht hat¸ nach den SR3-Regeln einen Kampf mit Fahrzeugen durchzuspielen¸ weiß was ich meine…
Aufmachung
Der Band kommt durchgehend s/w illustriert daher. Das Coverbild finde ich nicht so gelungen¸ da es mir viel zu computergeneriert aussieht¸ aber der Innenteil strotzt vor schönen und gelungenen Illustrationen. Erstaunlicherweise nimmt (in meinen Augen) die Qualität von vorne nach hinten ab. Sind in den ersten Kapiteln noch haufenweise schöne Bilder (sei es die Teambesprechung oder die Critter-Expertin)¸ verflacht das Niveau nach hinten deutlich. Aber wie gesagt¸ das ist Geschmackssache¸ insgesamt kann sich das Buch sehen lassen.
Fazit:
So ein Buch hätte ich mir am Anfang meiner Spielleiter-Phase gewünscht! Gerade das Auseinandernehmen eines typischen Runs bringt meiner Meinung Neueinsteigern eine Menge und vermittelt viel vom Flair des Systems. Alte Hasen können natürlich locker darüber hinwegblättern¸ für sie steht da nicht viel Neues drin.
Die Abschnitte mit neuen Connections¸ Locations und Run-Ideen sind naturgemäß sehr sinnvoll¸ da man davon einfach nicht genug haben kann und sie jede Menge Abwechslung rein bringen. Da zu jeder Connection auch noch kleine Abenteueraufhänger vorgeschlagen sind¸ kann man aus dem Buch locker Hundert Runs ziehen. Die Zufallstabelle für Begegnungen ist ganz nett¸ die für Runs auf die Schnelle eher mäßig brauchbar.
Mit den neuen¸ leichteren Decking-Regeln haben die Autoren gute Arbeit geleistet - ich denke¸ dass Decker (die ja ein integraler Teil der SR-Welt sind) nun spielbarer geworden sind. Bei den Rigger-Regeln weiß ich nicht so recht¸ das scheint mir nicht so gelungen wie beim Decker.
Unterm Strich ein lohnenswertes Buch¸ das viele Anregungen bietet und auch den Flair und die Atmosphäre des Shadowrun-Universums gut einfängt.
Eine Rezension von: Lars Heitmann