Serials - Ein Dark Reality Rollenspiel
In und um Serials wurde seinerzeit vom WDR eine riesen Welle auf der SPIEL95 gemacht. WDR¸ das sind diejenigen¸ die zur Waffenmesse in Dortmund einige "Handgranaten" gekauft haben (Bw-Übhandgranatenkörper¸ außer dem Aussehen ohne Zündkörper nur als Wurfobjekt gefährlich - mit Zündkörper kann das Trommelfell bei kritischem Treffer Schadenspunkte verlieren) und bei der Polizei vorgeführt haben. Kenner kennen das als §145d StGB - nichts neues also. Wenn der WDR zu euch auf'n Con kommt: liefert ihnen einen Skandal¸ sie machen sich sonst selbst einen!!!
Was ist Serials jetzt wirklich? Ein Eigenverlags-Rollenspiel von Franziska Valena Holz¸ das sie als "Dark-Reality-RSP" herausgegeben hat. Franziska hat auch an Berlin by Night mitgemacht¸ ist aber leider Ende der 90er (so um '97-'98) bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Als Gimmick ist auf dem Buchrücken ein Spiegel angebracht - sie erzählte mir¸ sie habe es bei Vampire und anderen "Dark Fantasy"-RSPs gestört¸ daß die Spieler prinzipiell Serien- und Massenmörder spielen¸ ohne sich dessen bewußt zu sein und "es sind ja Vampire¸ da ist das doch romantisch". (Mann¸ habe ich gefeiert¸ als John Carpenter's Vampires rauskam.) Serienmörder sind nun mal "der gute Junge/Mädchen von nebenan"¸ und schwarze Hüte¸ lange Zähne und bestimmte Parteibücher helfen nur sehr begrenzt¸ sie zu erkennen.
In Serials (der Name stammt von der "Cereals-Convention" aus Neil Gaimans Sandman-Serie) spielen die Spieler also einen Serienmörder. Im Gegensatz zur Realität und entsprechend dem Namensgeber¸ tun sie sich zu Gruppen zusammen. Sie wissen¸ daß sie wieder töten werden; der Spieler weiß aufgrund des sehr gut recherchierten Regelwerkes auch¸ wie. Sie kennen auch den "Auslöser"¸ der sie dazu bringt¸ zu töten. Ach ja - und jeder Polizist und sein Hund sind hinter ihnen her. Da spart man 'ne Menge Geld für den Abenteuerurlaub!
Ist Serials "öde"? Naja¸ das Adjektiv fiele mir eher zu anderen RSPs ein¸ bzw. die Art und Weise¸ wie andere RSPs gespielt werden. Ist Serials als "Wald- und- Wiesen- RSP" wie Shadowrun¸ World of Darkness¸ AD&D nutzbar? Nope. Man braucht einen guten Spielleiter (Serials hatte übrigends überproportional viele Frauen als Spieler und -Leiter). Und ich denke¸ es dürfte kaum ein Spiel geben¸ das noch mehr von der Stimmung der Spieler abhängig ist. M.E. schrammt es dafür zu nah an der Realität vorbei.
Als Sani¸ Rollenspieler und einfach nur Mensch Merkwürdiger Interessen (MMI) habe ich mich mit Forensischer Medizin mal näher befaßt¸ und ich muß sagen¸ ich habe selten ein so gut recherchiertes Rollenspielbuch zum Thema gesehen. Die einzelnen Arten und Weisen¸ wie man aus einer atmenden¸ selbsterhaltenden¸ selbstreproduzierenden Masse von 50000000000000 eukaryotischen Einzellern nur eine schnell auseinandergehende Masse von 50 Billionen Zellen machen kann¸ hat sie sehr nüchtern und objektiv beschrieben - inclusive auch den Mustern¸ die man bei Morden von Serien- und Triebtätern findet (Trophäensammlungen etc.).
Fazit:
Jetzt hört endlich auf¸ den WDR-Dummfug von wegen "je mehr Morde¸ desto mehr EPs" nachzubeten - da haben die Monsterabhängigen EPs von AD&D¸ Earthdawn und anderen RSPs mindestens genausoviel dazugetan¸ wie Serials.
Gibt es buntere und schönere Bücher als Serials? Jepp¸ z.B. alles¸ was FanPro monatlich rausheizt. (Verlagsname ersetzbar durch so ziemlich jeden großen Verlag.)
Kann man ohne Serials leben? Klar. Schaut mich an. Ich lebe schon seit über 30 Jahren ohne AD&D¸ und fühle mich gut dabei.
Fast unmöglich dürfte es m.E. sein¸ ein Abenteuer über Serienmörder realistisch zu leiten¸ ohne die Infos in dem Buch. Als Quellenbuch ist es hervorragend¸ und ich habe bislang kein so gut recherchiertes Buch gefunden. Und ich sammle GURPS und All Flesh Must Be Eaten¸ auch nicht gerade recherchemäßige Leichtgewichte.
Kann man Serials auch spielen? Nu ja¸ zunächst einmal hat man Probleme¸ eine Ausgabe zu finden. hehlBay dürfte entsprechende Angebote schnell entfernen¸ und nachdem WDR als Quelle für eigentlich alle Texte über Serials im Internet gedient hat¸ gibt kaum noch jemand zu¸ das Spiel zu haben.
Abgesehen davon lohnt sich eine Runde sicherlich¸ man braucht aber einen wirklich guten Spielleiter in Hochform. Dann wartet eine Reise zu den psychischen Niederungen des Real Existierenden Menschen (REM).
Eine Rezension von: Ralf 'dingo' Hagen